Projektart:
Anfrage:
per mail ✉
Objekt:
Typ:
Weingut
Ort:
Ellerstadt [Satellit]
Staat:
Deutschland
Architekt:
Gräf Architekten 🔗, Kaiserslautern
Materialien:
Beton, Betonfertigteile, Holz, Glas
Publiziert:
DBZ 02/2016
Seiten:
42 - 47
Inhalt:
Weingut Schneider, Ellerstadt/Pfalz
Beton als römisches Zitat
Im pfälzischen Ellerstadt hat ein Weingut seine Produktion in zwei langgestreckten Hallen konzentriert. Die eine, weit über 100 m lang, besitzt einen ungedämmten Betonkeller zur Weinlagerung. So will der Winzer sich weitgehend konstante Erdwärme zunutze machen und sieht darin eine moderne Adaption traditioneller Weinkelterei.
„Formal sehen wir die Kassettendecke als ein Zitat des Pantheons in Rom“, sagt Holger Gräf, Architekt der neuen, zweigeschossigen Produktionshalle des Weinguts Schneider in Ellerstadt. Der Planer führt durch den neuen Barriquekeller im Untergeschoss. „Schon die Römer kannten mit Opus Caementitium letztlich den Beton und sie haben uns den Wein in die Pfalz gebracht“, erläutert er. Die Deckenkonstruktion begreift er als eine moderne Interpretation eines klassischen Themas.
Der neue, gut 100 m lange Hallenkomplex ist der letzte Bauabschnitt und südliche Flügel des Weingutes, dass ab 2006 auf einer gut 300 m langen und knapp 40 m breiten Parzelle, inmitten ausgedehnter Weinrebenfelder errichtet wurde. Gleich zu Anfang entstand in einer Holzbinderkonstruktion deren nördliches, äußerlich ebenfalls anthrazitfarben gehaltenes Pendant, in der die Kelterei untergebracht ist. Die Mitte besetzt ein kubisches Herrenhaus, das in seiner Formensprache, verstärkt durch zahlreiche Zypressen, einen sicher nicht unabsichtlichen Toskana- Touch aufweist. Im Zuge der aktuellen Erweiterung wurde dem Ensemble an dessen nördlicher Schmalseite ein moderner Kopfbau vorgelagert, in der heute die Verwaltung sitzt. Unmittelbar daneben liegt das Tor der Gästezufahrt, von der man über eine Zypressenallee zum Werksverkauf gelangt.
Der neue, gut 100 m lange Hallenkomplex ist der letzte Bauabschnitt und südliche Flügel des Weingutes, dass ab 2006 auf einer gut 300 m langen und knapp 40 m breiten Parzelle, inmitten ausgedehnter Weinrebenfelder errichtet wurde. Gleich zu Anfang entstand in einer Holzbinderkonstruktion deren nördliches, äußerlich ebenfalls anthrazitfarben gehaltenes Pendant, in der die Kelterei untergebracht ist. Die Mitte besetzt ein kubisches Herrenhaus, das in seiner Formensprache, verstärkt durch zahlreiche Zypressen, einen sicher nicht unabsichtlichen Toskana- Touch aufweist. Im Zuge der aktuellen Erweiterung wurde dem Ensemble an dessen nördlicher Schmalseite ein moderner Kopfbau vorgelagert, in der heute die Verwaltung sitzt. Unmittelbar daneben liegt das Tor der Gästezufahrt, von der man über eine Zypressenallee zum Werksverkauf gelangt.
Beton: praktisch und stilvoll
Doch zurück zur kassettierten Betondecke, die auch ganz praktische Vorteile besitzt: So umfasst die statisch wirksame Deckenhöhe nicht nur die 27 cm der reinen Betonüberdeckung, sondern die 53 cm hohen Zwischenstege zählen dazu. Deshalb können im Erdgeschoss darüber schwer beladene Gabelstapler ohne eine Fahrtrassenbeschränkung frei bewegt werden, obwohl es nur eine mittige Reihe aus Betonsäulen gibt. Die Kassettenstege im Barriquekeller verhindern zudem eine Beschädigung unvermeidlicher Rohrtrassen unterhalb der Decke, etwa infolge eines unbedachten Auszugs der Staplergabel. Auch treten die Leitungen durch das Detail formal zurück. Erstellt wurden die 2 500 Kassetten auf Basis von 320 Schalungskörpern aus Glasfaserkunststoff (GFK) in Ortbetonbau.
Tatsächlich ist diese Technik derzeit etwas aus der Mode gekommen und es gibt nur noch einen Hersteller, der die normierten Körper verleiht. Für dieses Projekt wurden schlicht alle angemietet. Gerne hätte die ausführende Baufirma noch mehr zur Verfügung gehabt, denn mit den vorhandenen Schalungen war ein ambitioniertes Logistikkonzept erforderlich, um ein kontinuierliches Schalen und Betonieren zu ermöglichen. Stephan Stirnemann, der zuständige Bauleiter, geht davon aus, dass manche Schalkörper bis zu zehnmal zum Einsatz kamen.
Eine weitere Herausforderung bei der Kassettenschalung waren die hohen Deckenverkehrslasten. So waren die GFK- Module konstruktiv nur für eine Stegbreite von 15 cm ausgelegt, statisch waren aber 25 cm erforderlich. Hier behalf man sich handwerklich, indem man die seitlichen Laschen der Hohlkörper mit Schalungsstreifen unterlegte und so verbreiterte. Dabei entstanden gut erkennbaren Stöße in der Deckenuntersicht, die fälschlicherweise nahelegen, es handele sich hier um Betonfertigteile.
Doch zurück zur kassettierten Betondecke, die auch ganz praktische Vorteile besitzt: So umfasst die statisch wirksame Deckenhöhe nicht nur die 27 cm der reinen Betonüberdeckung, sondern die 53 cm hohen Zwischenstege zählen dazu. Deshalb können im Erdgeschoss darüber schwer beladene Gabelstapler ohne eine Fahrtrassenbeschränkung frei bewegt werden, obwohl es nur eine mittige Reihe aus Betonsäulen gibt. Die Kassettenstege im Barriquekeller verhindern zudem eine Beschädigung unvermeidlicher Rohrtrassen unterhalb der Decke, etwa infolge eines unbedachten Auszugs der Staplergabel. Auch treten die Leitungen durch das Detail formal zurück. Erstellt wurden die 2 500 Kassetten auf Basis von 320 Schalungskörpern aus Glasfaserkunststoff (GFK) in Ortbetonbau.
Tatsächlich ist diese Technik derzeit etwas aus der Mode gekommen und es gibt nur noch einen Hersteller, der die normierten Körper verleiht. Für dieses Projekt wurden schlicht alle angemietet. Gerne hätte die ausführende Baufirma noch mehr zur Verfügung gehabt, denn mit den vorhandenen Schalungen war ein ambitioniertes Logistikkonzept erforderlich, um ein kontinuierliches Schalen und Betonieren zu ermöglichen. Stephan Stirnemann, der zuständige Bauleiter, geht davon aus, dass manche Schalkörper bis zu zehnmal zum Einsatz kamen.
Eine weitere Herausforderung bei der Kassettenschalung waren die hohen Deckenverkehrslasten. So waren die GFK- Module konstruktiv nur für eine Stegbreite von 15 cm ausgelegt, statisch waren aber 25 cm erforderlich. Hier behalf man sich handwerklich, indem man die seitlichen Laschen der Hohlkörper mit Schalungsstreifen unterlegte und so verbreiterte. Dabei entstanden gut erkennbaren Stöße in der Deckenuntersicht, die fälschlicherweise nahelegen, es handele sich hier um Betonfertigteile.
Fertigteile im Weinarchiv
Echte Fertigteile finden sich dagegen in einem unterirdischen Kabinett, dem sogenannten Weinarchiv. „In der Ausschreibung stand „Weinregal aus Beton gemäß Zeichnung“, so Stephan Stirnemann, Bauleiter des ausführenden Bauunternehmens F.K. Horn. „Als es zu dem Auftrag kam, haben wir überlegt, wie man das ausführen kann und kamen zu dem Entschluss, dies aus Fertigteilen zu produzieren.“
Angeordnet ist der knapp 3 m hohe Raum split-level-artig ein halbes Geschoss oberhalb des Hauptkellers, der eine lichte Höhe von fast 6 m hat. In dem 200 m² großes Kabinett lagern ausgesuchte Restkontingente, insgesamt mehr als 10.000 Flaschen Wein. Die Deckenkonstruktion erscheint identisch mit dem übrigen Untergeschoss, tatsächlich sind es zwölf hintereinander angeordnete, quer gespannte Betonfertigteile. Die umlaufenden Regale wurden in gleicher Bauweise erstellt. In jeder Raumachse formen die Elemente vier übereinander angeordnete Boxen, die immer 25 Weinflaschen fassen. Das Regalgitter ist eine Addition gleichmäßiger Betonkreuze, an deren linkem Horizontalschenkel jeweils ein zweiter Vertikalholm sitzt. Die Kopfenden haben zu beiden Seiten Holme. Die Sockel- und Kopfelement mit integriertem Rücksprung sind identisch, es gibt ein flaches Mittelteil, an dem die gesamte Konstruktion gespiegelt ist. Der schieren Präsenz des Betons wohnt eine beachtliche Speichermasse inne, durch welche, ganz ohne Haustechnik, in natürlicher Weise sichergestellt ist, dass sich hier die klimatischen Verhältnisse kaum verändern.
Echte Fertigteile finden sich dagegen in einem unterirdischen Kabinett, dem sogenannten Weinarchiv. „In der Ausschreibung stand „Weinregal aus Beton gemäß Zeichnung“, so Stephan Stirnemann, Bauleiter des ausführenden Bauunternehmens F.K. Horn. „Als es zu dem Auftrag kam, haben wir überlegt, wie man das ausführen kann und kamen zu dem Entschluss, dies aus Fertigteilen zu produzieren.“
Angeordnet ist der knapp 3 m hohe Raum split-level-artig ein halbes Geschoss oberhalb des Hauptkellers, der eine lichte Höhe von fast 6 m hat. In dem 200 m² großes Kabinett lagern ausgesuchte Restkontingente, insgesamt mehr als 10.000 Flaschen Wein. Die Deckenkonstruktion erscheint identisch mit dem übrigen Untergeschoss, tatsächlich sind es zwölf hintereinander angeordnete, quer gespannte Betonfertigteile. Die umlaufenden Regale wurden in gleicher Bauweise erstellt. In jeder Raumachse formen die Elemente vier übereinander angeordnete Boxen, die immer 25 Weinflaschen fassen. Das Regalgitter ist eine Addition gleichmäßiger Betonkreuze, an deren linkem Horizontalschenkel jeweils ein zweiter Vertikalholm sitzt. Die Kopfenden haben zu beiden Seiten Holme. Die Sockel- und Kopfelement mit integriertem Rücksprung sind identisch, es gibt ein flaches Mittelteil, an dem die gesamte Konstruktion gespiegelt ist. Der schieren Präsenz des Betons wohnt eine beachtliche Speichermasse inne, durch welche, ganz ohne Haustechnik, in natürlicher Weise sichergestellt ist, dass sich hier die klimatischen Verhältnisse kaum verändern.
Ungedämmte Kellerwände
Um die Erdwärme bzw. um deren natürliche thermische Trägheit für die Weinlagerung zu nutzen, wurden die Kellerwände aus ungedämmten, insgesamt 30 cm starken Betonhalbfertigteilen errichtet. So weisen die Lagerräume eine weitgehend gleich bleibende Temperatur von ca. 12 °C auf und schaffen ein sehr feuchtes Raumklima. Die 6 m hohen und 2,50 m langen Elemente bestehen zunächst innen und außen aus jeweils 6 cm starken Deckflächen, die über eine offene Abstandsbewehrung aus Stahl miteinander verbunden sind. Diese Elemente wurden mittels mobiler Kräne auf Streifenfundamente zu einer Flucht gereiht, danach wurde die separat geflochtene Bauteilbewehrung in gleicher Weise von oben in den 18 cm breiten, nun durchgehenden Leerraum eingelassen. Schließlich betonierte man die so erstellten Wandabschnitte in einem Arbeitsgang aus. Die Stoßfugen zwischen den einzelnen Halbfertigteilen sind bewusst inszeniert. Um hier ein Herausquellen des Ortbetons zu vermeiden, versiegelte man diese Rohbaufugen temporär mit Abdichtschnüren. Nach dem Aushärten entfernte man dieselben und legte die Stöße als Schattenfugen an, die auf das Raster der Kassettendecke abgestimmt sind.
Um die Erdwärme bzw. um deren natürliche thermische Trägheit für die Weinlagerung zu nutzen, wurden die Kellerwände aus ungedämmten, insgesamt 30 cm starken Betonhalbfertigteilen errichtet. So weisen die Lagerräume eine weitgehend gleich bleibende Temperatur von ca. 12 °C auf und schaffen ein sehr feuchtes Raumklima. Die 6 m hohen und 2,50 m langen Elemente bestehen zunächst innen und außen aus jeweils 6 cm starken Deckflächen, die über eine offene Abstandsbewehrung aus Stahl miteinander verbunden sind. Diese Elemente wurden mittels mobiler Kräne auf Streifenfundamente zu einer Flucht gereiht, danach wurde die separat geflochtene Bauteilbewehrung in gleicher Weise von oben in den 18 cm breiten, nun durchgehenden Leerraum eingelassen. Schließlich betonierte man die so erstellten Wandabschnitte in einem Arbeitsgang aus. Die Stoßfugen zwischen den einzelnen Halbfertigteilen sind bewusst inszeniert. Um hier ein Herausquellen des Ortbetons zu vermeiden, versiegelte man diese Rohbaufugen temporär mit Abdichtschnüren. Nach dem Aushärten entfernte man dieselben und legte die Stöße als Schattenfugen an, die auf das Raster der Kassettendecke abgestimmt sind.
Kratzfester Hallenboden
Der Fußboden des Barriquekellers weist ein mittiges Trichtergefälle von 2 % auf, das zur Drainage des Raumes dient. Hintergrund ist, dass die hier gelagerten Holzfässer täglich gewässert, also abgespritzt werden müssen, um feucht zu bleiben. Andernfalls würden sie trocknen, damit undicht und der kostbare Inhalt stärker verdunsten. Um eine möglichst gleichmäßige Neigung zu erhalten, wurden daher zunächst – wie erwähnt – Wände und Stützen auf Streifen bzw. Punktfundamente gestellt und dann die geneigte Bodenplatte aus herkömlichen Beton daran anbetoniert. Der sichtbare Fußboden ist kein kein Estrich, sondern nur eine ca. 4 mm starke Zweikomponentenbeschichtung auf mineralischer Basis. Der speziell für die Lebensmittelproduktion entwickelte Belag zeichnet sich durch seine besondere Härte (Staplergabeln hinterlassen keine Kratzspuren) und Wasserdichtheit aus. Deshalb konnte der geneigte Lagerhallenboden ohne zusätzlichen technischen Aufwand direkt an die Entwässerungsrinne aus Edelstahl angearbeitet werden.
Der Fußboden des Barriquekellers weist ein mittiges Trichtergefälle von 2 % auf, das zur Drainage des Raumes dient. Hintergrund ist, dass die hier gelagerten Holzfässer täglich gewässert, also abgespritzt werden müssen, um feucht zu bleiben. Andernfalls würden sie trocknen, damit undicht und der kostbare Inhalt stärker verdunsten. Um eine möglichst gleichmäßige Neigung zu erhalten, wurden daher zunächst – wie erwähnt – Wände und Stützen auf Streifen bzw. Punktfundamente gestellt und dann die geneigte Bodenplatte aus herkömlichen Beton daran anbetoniert. Der sichtbare Fußboden ist kein kein Estrich, sondern nur eine ca. 4 mm starke Zweikomponentenbeschichtung auf mineralischer Basis. Der speziell für die Lebensmittelproduktion entwickelte Belag zeichnet sich durch seine besondere Härte (Staplergabeln hinterlassen keine Kratzspuren) und Wasserdichtheit aus. Deshalb konnte der geneigte Lagerhallenboden ohne zusätzlichen technischen Aufwand direkt an die Entwässerungsrinne aus Edelstahl angearbeitet werden.
Wahrnehmungswandel
Das für die Architekten der Baustoff Beton nicht nur ein ästhetisiertes Mittel zum Zweck, sondern auch ein formales Thema ist, wird besonders in der Repräsentation zugedachten Erdgeschossbereichen deutlich. Hier finden sich Oberflächen - scheinbarer Sichtbeton. Im großen Festsaal handelt es sich um einen entsprechend präparierten Zementestrich, im neuen Verwaltungsbau sind es gar die Trockenbauwandflächen der Toiletten. Offenbar besitzt Beton zunehmend die Aura eines wertigen, zu imitierenden Materials.
Robert Mehl, Aachen
Das für die Architekten der Baustoff Beton nicht nur ein ästhetisiertes Mittel zum Zweck, sondern auch ein formales Thema ist, wird besonders in der Repräsentation zugedachten Erdgeschossbereichen deutlich. Hier finden sich Oberflächen - scheinbarer Sichtbeton. Im großen Festsaal handelt es sich um einen entsprechend präparierten Zementestrich, im neuen Verwaltungsbau sind es gar die Trockenbauwandflächen der Toiletten. Offenbar besitzt Beton zunehmend die Aura eines wertigen, zu imitierenden Materials.
Robert Mehl, Aachen