Projektart:
Anfrage:
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Objekt:
Denkmal für die Terroropfer von Atocha
Typ:
Gedenkstätte
Ort:
Madrid [Satellit]
Staat:
Spanien
Architekt:
Estudio FAM, Madrid
Materialien:
Glas, ETFE-Kunststofffolie
Publiziert:
build 2/2007
Seiten:
14 - 15
Inhalt:
Mahnmal für die Terroropfer von Madrid
Unfassbares gefasst
Licht und Terror werden oft - wenn auch mit einer unterschiedlichen Konnotation - mit der Vokabel "unfassbar" beschrieben. Wenn man sich dem Denkmal für die Opfer des Terrors am Bahnhof von Atocha in Madrid von außen nähern möchte, fällt auf, dass eben diese Eigenschaft des "Unfassbaren" auf eine äußerst subtile Art und Weise auf diesen Bau übertragen worden ist. Man kommt nicht nah genug an ihn heran, als dass man ihn berühren könnte.
Entrückt von dem Getriebe der Stadt überragt der gut elf Meter hohe, zunächst zylinderförmig erscheinende Körper aus Glasbausteinen die zentrale Insel eines Kreisverkehres. Der unermüdliche Fluss der Blechlawine fungiert als sein Schutzschild. Ein gefährlicher Strom, den kein Fußgänger zu passieren wagt, zumal kein Zebrastreifen zu dem Baukörper hinüberführt,der von der Madrilenischen Architektengruppe FAM entworfen worden ist. Die etwas erhöhte Verkehrsinsel wird begrenzt durch einen anthrazitfarbenen Sockel, einem Aufprallschutz aus Beton.
Der nahe Kopfbahnhof Atocha befindet sich in einer Senke im urbanen Relief von Madrid. Wenn man die an einen Hang gelehnte, historische Bahnhofshalle von der nordöstlichen Seite aus betritt, gelangt man auf eine Galerie im zweiten Obergeschoss. Obwohl die Gleise der Fernbahn oberirdisch verlaufen und die Trasse der Untergrundbahn in das Erdreich eingegraben ist, liegen beide Schienennetze geländebedingt auf einem Niveau. Eine unterirdische Passage vermittelt zwischen den beiden Transportsystemen.
Der Zugang zu der Gedenkstätte liegt an diesem breiten Verbindungsstollen. Mit seinen großen schaufensterartigen Glasscheiben wirkt das Monument hier ein wenig unprätentiös. Irritierend ist lediglich die tiefblaue Tönung der etwa 25 Meter breiten Front. Erst beim Betreten des Ortes nimmt man wahr, dass die Färbung von dem Raum dahinter herrührt, der vollkommen monochrom ausgeführt worden ist.
Erschwert wird der Zugang durch eine zeitraubende Personenschleuse, die entlang der Glasfront verläuft: Eine räumliche wie mentale Pufferzone, die zwischen dem Ort der Einkehr und der Hektik des Alltags vermittelt. Man sollte etwas Zeit mitbringen, denn erst wenn die äußere Tür geschlossen und fest eingerastet ist, öffnet sich nach ein paar Sekunden Verzögerung die innere Tür und gibt den finalen Zugang frei.
Der quadratische, in seiner Höhe etwas gedrungen wirkende Saal liegt direkt unter dem gläsernen Rundling. Ein runder Deckenausschnitt gibt den Blick frei nach oben in das transluzente Volumen, in das eine durchsichtige mit schwarzen Lettern spiralförmig bedruckte ETFE- Folie zeltartig eingespannt worden ist. Die membranartige Innenkonstruktion ist mit ihrem umlaufenden Saum oberhalb des Deckenausschnittes fixiert und wird mit Spannseilen in einer sphärischen Form gehalten.
Zunächst war vorgesehen, hier die Namen der 191 Opfer aufzubringen, die durch die Terroranschläge auf die Vorortzüge von Madrid am 11. März 2004 starben. Letztendlich entschloss man sich, diese Namen weniger zentral auf den inneren Scheiben der Eingangsschleuse zu zeigen und bedruckte die Membran mit Zitaten aus den unzähligen Beileidsbekundungen, die in den Tagen nach den Anschlägen vor dem Bahnhof niedergelegt worden waren. Bewusst wollte man so eine neutralere Gedenkstätte für alle Opfer schaffen, die durch einen terroristischen Akt zu Tode kamen, sei er nun durch radikale Islamisten, die baskische ETA oder anderen Gruppierungen verübt worden. Gleichzeitig wird so dem entscheidenden Impuls Rechnung getragen, der zur Schaffung dieses Denkmals führte. Anhand des ausufernden Blumen- und Kartenmeeres, das damals vor dem Bahnhof Atocha entstand, wurde das große Bedürfnis der Menschen offenbar, einen dauerhaften Ort der Erinnerung und eine Anlaufstelle für ihre Trauer zu erhalten.
Robert Mehl, Aachen
Entrückt von dem Getriebe der Stadt überragt der gut elf Meter hohe, zunächst zylinderförmig erscheinende Körper aus Glasbausteinen die zentrale Insel eines Kreisverkehres. Der unermüdliche Fluss der Blechlawine fungiert als sein Schutzschild. Ein gefährlicher Strom, den kein Fußgänger zu passieren wagt, zumal kein Zebrastreifen zu dem Baukörper hinüberführt,der von der Madrilenischen Architektengruppe FAM entworfen worden ist. Die etwas erhöhte Verkehrsinsel wird begrenzt durch einen anthrazitfarbenen Sockel, einem Aufprallschutz aus Beton.
Der nahe Kopfbahnhof Atocha befindet sich in einer Senke im urbanen Relief von Madrid. Wenn man die an einen Hang gelehnte, historische Bahnhofshalle von der nordöstlichen Seite aus betritt, gelangt man auf eine Galerie im zweiten Obergeschoss. Obwohl die Gleise der Fernbahn oberirdisch verlaufen und die Trasse der Untergrundbahn in das Erdreich eingegraben ist, liegen beide Schienennetze geländebedingt auf einem Niveau. Eine unterirdische Passage vermittelt zwischen den beiden Transportsystemen.
Der Zugang zu der Gedenkstätte liegt an diesem breiten Verbindungsstollen. Mit seinen großen schaufensterartigen Glasscheiben wirkt das Monument hier ein wenig unprätentiös. Irritierend ist lediglich die tiefblaue Tönung der etwa 25 Meter breiten Front. Erst beim Betreten des Ortes nimmt man wahr, dass die Färbung von dem Raum dahinter herrührt, der vollkommen monochrom ausgeführt worden ist.
Erschwert wird der Zugang durch eine zeitraubende Personenschleuse, die entlang der Glasfront verläuft: Eine räumliche wie mentale Pufferzone, die zwischen dem Ort der Einkehr und der Hektik des Alltags vermittelt. Man sollte etwas Zeit mitbringen, denn erst wenn die äußere Tür geschlossen und fest eingerastet ist, öffnet sich nach ein paar Sekunden Verzögerung die innere Tür und gibt den finalen Zugang frei.
Der quadratische, in seiner Höhe etwas gedrungen wirkende Saal liegt direkt unter dem gläsernen Rundling. Ein runder Deckenausschnitt gibt den Blick frei nach oben in das transluzente Volumen, in das eine durchsichtige mit schwarzen Lettern spiralförmig bedruckte ETFE- Folie zeltartig eingespannt worden ist. Die membranartige Innenkonstruktion ist mit ihrem umlaufenden Saum oberhalb des Deckenausschnittes fixiert und wird mit Spannseilen in einer sphärischen Form gehalten.
Zunächst war vorgesehen, hier die Namen der 191 Opfer aufzubringen, die durch die Terroranschläge auf die Vorortzüge von Madrid am 11. März 2004 starben. Letztendlich entschloss man sich, diese Namen weniger zentral auf den inneren Scheiben der Eingangsschleuse zu zeigen und bedruckte die Membran mit Zitaten aus den unzähligen Beileidsbekundungen, die in den Tagen nach den Anschlägen vor dem Bahnhof niedergelegt worden waren. Bewusst wollte man so eine neutralere Gedenkstätte für alle Opfer schaffen, die durch einen terroristischen Akt zu Tode kamen, sei er nun durch radikale Islamisten, die baskische ETA oder anderen Gruppierungen verübt worden. Gleichzeitig wird so dem entscheidenden Impuls Rechnung getragen, der zur Schaffung dieses Denkmals führte. Anhand des ausufernden Blumen- und Kartenmeeres, das damals vor dem Bahnhof Atocha entstand, wurde das große Bedürfnis der Menschen offenbar, einen dauerhaften Ort der Erinnerung und eine Anlaufstelle für ihre Trauer zu erhalten.
Robert Mehl, Aachen