Projektart:
Anfrage:
Objekt:
Typ:
Bahnhof
Ort:
Arnheim [Satellit]
Staat:
Niederlande
Architekt:
UNStudio 🔗, Amsterdam
Materialien:
microbeton 🔗, CIG 🔗, Hering 🔗
Publiziert:
Beton Bauteile 2017-2
Seiten:
8 - 9
Inhalt:
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Ein Interview mit Arjan Dingsté, Director/Senior Architect, UNStudio, Amsterdam

Minimiertes Haftungsrisiko durch Fertigteilbau

 
Herr Dingsté, wie ist es zu der Erstellung der Bahnhofshalle in Betonfertigteilbauweise gekommen?
In früheren Planungen sollte die Halle massiv aus Ortbeton erstellt werden, in gleicher Weise, wie wir es vor Jahren beim Mercedes Benz Museum in Stuttgart schon einmal umgesetzt haben. Wir hatten dasselbe Bauunternehmen favorisiert, aber die entstehenden Baukosten waren finanziell nicht darstellbar.
Wie ging es weiter?
Es gab ein zweistufiges Bieterverfahren zur Ermittlung eines Generalunternehmers. Wir gaben zwar eine Bauweise, nämlich Ortbeton, als Wunsch an, ließen aber auch andere konstruktive Lösungen zu. Hier konnte der ArGe aus BAM/Ballast Nedam aus Nieuwegein mit dem Fertigteilhersteller Micro Beton BV aus Bergen op Zoom als Subunternehmer für das Dach mit seinem innovativen Ausführungskonzept überzeugen.
Wie sah das aus?
Im Grunde ließ der Fertigteilhersteller das Hallendach wie einen Schiffrumpf von echten Werften vorfertigen. Ausgeführt wurde das durch die Stralsunder Ostseestaal GmbH & Co. KG und niederländische Centraalstaal aus Groningen, die zusammen eine 510 t schwere Stahlglocke schufen. Sie wurde in Einzelteilen auf dem Werftgelände aus 10 mm starkem Stahlblech vorgefertigt, dann in die Niederlande transportiert und vor Ort zusammengeschweißt.
Die Produktion so vieler einzelner Stahllemente ist nicht unaufwendig. War das wirklich günstiger?
Wir dachten ebenfalls sofort, dass das doch viel teuerer sei als eine Ortbetonkonstruktion, war es sicherlich vom realen Aufwand her auch. Entscheidend für den Generalunternehmer war aber das erheblich minimierte Haftungsrisiko durch die elementierte Konstruktion.
Sie denken da an teure Rechtsstreitigkeiten infolge von Bautoleranzen und einem Nicht- Passen wichtiger Details?
Weniger, der Generalunternehmer hatte mehr Bauverzögerungen oder gar Baustopps infolge harter Winter im Blick, für die er haftbar gemacht werden könnte. So konnte er alles termingerecht unter konstanten Bedingungen in einer Halle vorproduzieren und termingerecht liefern. Aber seine Sorge war überflüssig, wir hatten gar keine strengen Winter während der Bauzeit!
Gut, sie haben eine Halle aus Stahl gebaut. Wie kommen da jetzt die Fertigteile dazu?
Damit haben wir diese Stahlkuppel abgedeckt. Es ist eine sehr anspruchsvolle Konstruktion, da das Hallendach sphärisch, also zweifach gekrümmt ist. Auch hier hat der Fertigteilhersteller eine innovative Lösung entwickelt: Er hat die Betonbauteile planar betoniert und erst im gestockten, aber noch nicht erhärteten Zustand gemäß Planvorgabe verbogen.
Wie ging das vonstatten?
Normalerweise wird für jedes gekrümmte Betonfertigteil eine eigene Schalung erstellt, die genau nur einmal benutzt wird, was natürlich total unwirtschaftlich ist. Mikro Beton machte sich die Flexibilität der Glasfaser- Bewehrung zunutze. Die UHP- Elemente betonierte man zunächst in einer flachen Form, die nur etwas höhere seitliche Absteller hatte. An denen hatte man mit Magneten den zukünftigen Kantenverlauf markiert. Sodann wartete man darauf, dass der Beton eine teigförmige Konsistenz annahm und zog dann das zukünftige Betonelement mitsamt der biegbaren Stahlplatte darunter über acht Stahlseile in die vorgesehene, gekrümmte Form.
Wir sind total zufrieden, insbesondere mit der Passgenauigkeit und der Präzision. Wir hatten kaum Fehlproduktionen. Ein weiterer Vorteil war, dass wir die Elemente mit offenen Fugen verlegt haben, das Regenwasser läuft über diese nach unten ab und wird erst darunter drainiert. Insofern ist die gesamte Konstruktion sehr gut für die Aufnahme von Bautoleranzen geeignet!
Wie bewerten Sie die Bauweise?
Unser Chef Ben van Berkel sagte mal, dass die Produktionstechnik, die für die Dachkacheln entwickelt wurde, nur durch die Fachkenntnis und die langjähriger Erfahrung der beteiligten Firmen möglich war. Wichtig war ihm festzustellen, dass erst das Zusammenspiel von diesen und die Organisation einer effizienten Produktion mittels einer digitalen Fertigung einen vernünfitgen Kostenrahmen ermöglichte.
Auch ist es unserem Büro immer sehr daran gelegen, konstruktive Herausforderungen durch Kollaborationen zu lösen. Das führt oft zu innovativen Lösungen, die anpassungsfähig und kosteneffizient sind und nicht selten eine neue Bauform darstellen.
Herr Dingsté, wir danken für das Gespräch!
Robert Mehl, Aachen