Projektart:
Anfrage:
Objekt:
Historisches Rathaus
Typ:
karoling. Aula Regia mit Wohnturm
Ort:
Aachen [Satellit]
Staat:
Deutschland
Architekt:
Georg Frentzen 🔗 (1902)
Materialien:
Grauwacke, Tuffstein, Kalkstein
Publiziert:
d+h 3/2012
Seiten:
20 - 23
Inhalt:
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Dachsanierung Granusturm

Kaiser Karls Dach ist dicht

In Aachen wurde das Dach von einem der ältesten Gebäude des Mittelalters, dem Granusturm, saniert. Dabei wurde sowohl die gesamte Schiefereindeckung des Turmhelmes wie auch die rund 25 Tonnen schwere Bleieindeckung der Dachlaterne erneuert.
Nein, es hat nicht in das Schlafzimmer Karls des Großen geregnet. Es ist auch gar nicht klar, welcher der sechs übereinander gestapelten Zentralräume dies überhaupt war. Diese stehen leer und werden wie der Rest des Granusturmes derzeit ausschließlich erforscht. Der mutmaßliche Wohnturm des Kaisers aus dem 9. Jahrhundert ist der östliche Teil des historischen Aachener Rathauses. Zusammen mit dem gegenüberliegenden Dom bildet er die ehemalige karolingische Pfalzanlage. Sein Dach ist allerdings deutlich jünger, nämlich von 1979. Die Turmhaube war im Zweiten Weltkrieg stark zerstört worden.
Wieder aufgebaut wurde es nach Plänen des damaligen Dombaumeisters Leo Hugot. Leider war die Maßnahme, insbesondere in den baulichen Details, handwerklich unbefriedigend ausgeführt worden und langfristig kam es zu Witterungsschäden.
Gravierende Schäden wurden festgestellt
Im Juli 2010 nahm der öffentlich bestellte und vereidigte Sachverständige Rainer Schüpphaus eine erste Schadenssichtung von einem Autokran aus vor. In über 50 m Höhe aus einer Hubkanzel heraus, lokalisierte er nicht nur die konkreten Schäden der Schiefereindeckung, sondern erkannte auch, dass die Bleieindeckung sanierungsbedürftig war: „Von den 1979 verwendeten ehemals 2 mm starken Baumetallen war partiell nur noch eine Reststärke von 0,65 mm vorhanden“, so Schüpphaus. Durch eine unzureichende Befestigung, insbesondere an den Laternenpfeilern, waren ferner deutliche Aufwölbungen festzustellen. Zudem hatte das auslaufende Korrosionsgemisch großflächige Farbveränderungen auf den Schieferflächen hinterlassen. Als Schadensursache wurden falsche Löt- und Überdeckungstechniken ausgemacht.
Die ausführende Firma Vogel Bedachung erneuerte insgesamt 241 m² an Schieferflächen und 390 m² an Bleiflächen, beziehungsweise jeweils 25 t Material. Das von Heiner Vogel und seiner Frau Sabine geführte Familienunternehmen ist einer der wenigen Dachdeckerbetriebe der Region, welches in der Lage ist, diese beiden Gewerke so umfangreich auszuführen. Schüpphaus arbeitet als Bauleiter.
Schiefereindeckung mit wichtigen Details
Für die Instandsetzung des Daches musste auch dessen Holzschalung erneuert werden. Die alte Schalung wies bedingt durch den natürlichen Trocknungsprozess zunehmend breite Fugen auf, welches ein neuerliches Vernageln von Schiefer nicht mehr zuließ. Daher brachten die Dachdecker zunächst die Unterspannbahn Delta Foxx auf die Schalung auf und nagelten dann, durch diese hindurch, die von ihnen auf Maß gehauenen Schieferschindeln mit Blattkopf- Schraubschaftstiften in V2A- Ausführung (Edelstahl) fest.
Ein kritisches Detail stellten die innen liegenden Dachentwässerungen hinter den Turmzinnen dar. Die Bereiche oberhalb der Traufe beziehungsweise oberhalb der Dachlaterne sind eine beliebte Brutstätte von Tauben. Dementsprechend schnell sind diese mit Unrat und Tierkadavern verdreckt und die Bodeneinläufe verstopft. Die beiden schmalen Umgänge wurden wasserdicht mit Teerdachpappe belegt und weisen jeweils mehrere Bodeneinläufe auf. Neu hinzugekommen sind jetzt Überläufe, die ein Aufstauen über den abgedichteten Bereich hinweg unterbinden.
Bleifassade musst teilweise vorproduziert werden
Für die Sanierung der Bleieindeckung wurde eine höhere Materialstärke ausgeschrieben. Die getriebenen Bleielemente, wie etwa an den Öffnungen der Laterne sind nunmehr 2,5 mm stark. Die Rückwände der 30 kassettenartigen Lilienornamente weisen dagegen eine Stärke von 3 mm auf. Die Neuanfertigung dieser eingelassenen Kassetten war so aufwendig, dass diese elementiert vorproduziert wurden. Die weitgehend verrottete Holzunterkonstruktion wurde durch einen externen Tischler in Eiche neu erstellt, wobei das Ausschlagen mit Blei in der Werkstatt geschah. Die Ornamentboxen erhielten auch eine neue witterungsbeständigere Befestigung: Waren sie zuvor von außen fixiert und besaßen nur unzureichend verschlossene Montagelöcher, so weisen sie nun eine hölzerne Grundplatte mit eingelassenen Gewindestangen auf, die von innen mit der Unterkonstruktion verschraubt sind.
Wo eine Falzung des Bleis unmöglich war, wurden die Einzelteile nicht verlötet, sondern verschweißt. Beim Bleischweißen wird eine homogene Verbindung geschaffen, da Schweißdraht und Blech eine identische Legierung besitzen. Das Verfahren ist haltbarer und ergibt ein harmonischeres Farbbild, da auch die Patina identisch ist. Um die natürliche Korrosion der Metalleindeckung zu verzögern, wurde Saturnblei verwendet. Bei diesem Material ist die Rückseite verzinnt. Zur Anwendung kam das Produkt Kirchenblei der Firma Röhr+Stolberg.
Dachlaterne mit Sanierungsdetails
Der kritischste Punkt bei der Sanierung der charakteristischen Laterne war die Bleieindeckung ihres der Witterung ausgesetzten Bodens. Wie schon zuvor, erhielt dieser ein Gefälle nach außen. Neu sind jedoch radial angeordnete Schwellen, welche das Wasser zu den großen Bogenöffnungen hin abführen und so verhindern, dass selbiges sich hinter den aufgehenden Laternenpfeilern aufstaut und auf Dauer zu Undichtigkeiten führt. Im erhöht
Mittelpunkt des Laternenbodens steht der vorgeschriebene Sekurant, ansonsten weist die Fläche nur noch die Ausstiegsklappe auf. Die ehedem vorhandenen Sockel der Turmbeleuchtung entfielen, da die Strahler jetzt an die Innenseiten der Laternenpfeiler verlegt wurden. So entfielen weitere potenzielle Staunässeherde. Die Entwässerung der darüber gelegenen Bereiche, mithin also diejenigen der oberen Dachzinne, wird über drei Kupferfallrohre ebenfalls hierhin geführt. Die erwähnten Überläufe sind 3, rund 10 cm über den Boden erhabene Rohre, welche die Unterkonstruktion der Dachzinne glatt durchstoßen und offen in der Laternendecke enden.
Fazit
Natürlich hat in den letzten 30 Jahren die Bautechnik enorme Fortschritte gemacht. Allerdings gibt es immer noch Bauaufgaben, die durch ein vortreffliches Produkt allein nicht lösbar sind. Hier ist Verständnis für die Aufgabe und Erfahrung in der Umsetzung gefragt. Kurzum: Dafür braucht es gute und erfahrene Handwerker. Bei dieser Bauaufgabe konnten sie ihr Handwerk zeigen.
Robert Mehl, Aachen