Projektart:
Anfrage:
Objekt:
Monolithische Treppe
Typ:
Stahltreppe
Ort:
Bodenseeraum
Staat:
Deutschland
Architekt:
ungenannt
Materialien:
Ruf & Keller GmbH & Co. KG 🔗(Metallbauer)
Publiziert:
metallbau 03/2024
Seiten:
45 - 46
Inhalt:
[Artikel]      
 

Villa mit monolithischer Wendeltreppe

Der Dreh durch die Decke

Im Bodenseeraum wurde ein anspruchsvoller Wohnhausneubau mit einer zweigeschossigen Wendeltreppe ausgestattet. Die beiden Einzelteile dieses skulpturalen Elements wurden während des Rohbaus durch das noch offene Dach eingehoben.
In zwei Einzelteilen – je eins pro Geschoss – wurde die zweigeschossige Wendeltreppe an die Baustelle geliefert. Exakt 3.331 x 3.200 mm und 3.660 x 3.200 mm messen die Stahlbauteile, bei deren Konstruktion es auf den Millimeter genau ankam. Für seine heutigen Benutzer erscheint die Stufenfolge vollkommen identisch, doch die Stufenhöhen betragen einmal 174 mm und einmal 175 mm.
Bei Auftragsübernahme verfügte die Ruf & Keller GmbH & Co. KG aus Watterdingen noch über keinen Laserscanner und nahm das erforderliche Aufmass noch von Hand vor. Dieses wurde dann in das Programm "Solid Works" der "SolidPro GmbH" aus Langenau übertragen, um eine Werkplanung auf Basis des Architektenentwurfs zu erstellen.
Dieser sah eine zweigeschossige, spindellose Wendeltreppe mit einem massiven Außen- und einem Innengeländer vor. Letzteres sollte sich um ein enges Treppenauge winden, das nur einen Durchmesser von 940 mm aufweist. Die Entwurfsidee erinnert an einen gigantischen Bohrspahn, der entstand, als ein Riese das erforderliche Treppenloch in die Zwischendecke bohrte. Die massiven, jeweils 10 mm starken Stahlwangen haben eine statische Funktion, da sie verwindungssteif die Lasten aufnehmen, die üblicherweise in die zentrale Spindel einer Wendeltreppe eingeleitet werden. Für die kraftschlüssige Verbindung dieser beiden Wangen, die nur im dreidimensionalen Zusammenspiel alle Quer- und Torsionskräfte sicher aufnehmen und in die Bodenhalterungen eingeleiten können, wurden alle Tritt- und Setzstufen aus geschlossenen, ebenfalls 10 mm starken Blechen ausgeführt. Vorteilhaft bei einer Wendeltreppe mit Auge ist, dass zu ihrer Mitte hin die Stufen nicht auf Null auslaufen, sondern immer noch eine Resttrittbreite aufweisen. In diesem Fall sind es angenehme 148 mm, also eine Auftrittfläche, auf der man zur Not noch mit dem Fußballen stehen kann.
Obwohl die Tritt- und Setzstufen geschlossen angelegt wurden, bilden diese nicht den finalen Belag. Während der Bauphase wurde die Treppe zwar gut gegen Beschädigung geschützt und dann als Baustellenerschließung genutzt, im Endausbau wurde sie schließlich mit Tritt- und Setzstufen aus massivem Eichenholz veredelt.
Brennschnitt mit Feinplasma
Die Brennschnitte zur Herstellung dieser Wendeltreppe nahm die Ruf & Keller GmbH & Co. KG mit einer CNC- Feinplasmaanlage MasterCut Eco Plus 6001.15 der MicroStep Europa GmbH aus Bad Wörishofen vor. Diese ist ausgestattet mit einer HiFocus 161i neo Plasmastromquelle. Die maximale Arbeitsfläche der Feinplasmaanlage beträgt 1,50 x 6,00 m. Geschnitten werden können damit Blechstärken von 1 - 50 mm.
Der Unterschied zwischen Feinplasma- und normalen Plasmaschneiden besteht darin, dass beim Feinplasma diverse Schutzgase in einem Verwirbelungsverfahren zugemischt werden, was den Plasmastrahl ähnlich einer Windhose rotieren lässt. Dies macht den Strahl gerader im Gegensatz zu einem normalen Strahl, der physikalisch betrachtet ein Lichtbogen ist, welcher sich hin zu einem Massepol krümmt. Aus diesem Grund sind mit herkömmlichen Plasmaschneidern – im Gegensatz zu einem Laser – keine senkrechten Schnitte möglich. Ein Feinplasmaschnitt arbeitet hingegen erheblich geradliniger und ermöglicht eine annähernd rechtwinklige Ausführung. Der große Vorteil des Feinplasmaschneidens gegenüber dem regulären Verfahren und dem mit einem Laser ist, dass an den Schnittkanten keine physikalischen Gefügeveränderungen entstehen. Diese, auch als "Martensitisches Randgefüge" bezeichnet, verhindern ein direktes Pulverbeschichten, Lackieren oder Feuerverzinken der Oberflächen: Sie müssen zuerst mechanisch nachgearbeitet, also abgeschliffen werden. Diese besondere physikalische Eigenschaft war für Markus Ruf, Geschäftsführer der Ruf & Keller GmbH & Co. KG, der entscheidende Grund, sich eine Feinplasmaanlage anzuschaffen, da er damit einen ganzen Arbeitsschritt in der Produktion einspart.
Ausführung und Montage
Wie alle Metallbauunternehmen ist auch die Ruf & Keller GmbH & Co. KG bemüht, keinerlei Schweißarbeiten auf der Baustellen mehr zu tätigen und bei der Montage nur noch mit Schraubverbindungen zu arbeiten. Da sich aber die Auftraggeber gerade bei hochpreisigen Projekten meist skulpturale Treppen wünschen, gilt es einen konstruktiven Spagat zu vollführen. Die Stöße und Schraubverbindungen sind verdeckt auszuführen. So liegt bei dieser "doppelten" Wendeltreppe – naheliegenderweise – die Bauteiltrennung auf Höhe der Zwischengeschossdecke. Markus Ruf vergleicht hochwertige Wohnhaustreppen gerne mit teuren Designermöbeln. Oftmals bilden diese Treppen nicht nur den geometrischen Mittelpunkt, sondern auch den emotionalen Kern, der von allen Ecken aus einsichtbar ist. Insofern ist es für ihn nachvollziehbar, dass diese Organisationszentrale einer fließenden Wohnlandschaft möglichst attraktiv und wertig entworfen und ausgeführt wurde. Als Fluchtweg dienende Treppenhaustreppen bestehen aus Brandschutzgründen hingegen oft aus Beton und fallen in der Regel weniger markant aus.
Um die monolithisch erscheinende Wendeltreppe zu montieren, griff das Metallbauunternehmen zu einer besonderen Strategie: Die zwei Treppenteile wurden in der Werkstatt im Rohbau fertig gestellt und dann zu einem Zeitpunkt, als das Dach noch nicht komplett geschlossen war, mit einem Tieflader zur Baustelle gebracht. Dort wurden die beiden Elemente per Autokran, von denen die Ruf & Keller GmbH & Co. KG aktuell über zwei Fahrzeuge verfügt, nacheinander eingehoben und montiert.
Treppenausbau vor Ort
Die Oberflächenbearbeitung erfolgte bei dieser Treppe auf der Baustelle. Die Anschlüsse und Stöße wurden zunächst gespachtelt, dann grundiert und schließlich lackiert. Markus Ruf ist gerade bei diesem Projekt besonders stolz auf die handwerkliche Genauigkeit seiner Mitarbeiter in der Abwicklung und Ausführung. Bedauerlicherweise ist sein Auftraggeber sehr auf Diskretion bedacht und möchte weder Fotos der fertigen Innenräume noch den genauen Standort des Projekts genannt wissen.Robert Mehl, Aachen