Projektart:
Anfrage:
Objekt:
Walo Haus
Typ:
Wohn- / Geschäftshochhaus
Ort:
Zürich [Satellit]
Staat:
Schweiz
Architekt:
Duplex Architekten 🔗, Zürich
Materialien:
gewölbte Betonfertigteilbrüstungen
Publiziert:
Beton Bauteile 2021
Seiten:
34 - 39
Inhalt:
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Walo- Haus, Zürich/CH

Gekonnt krümmen

An dem neuen Wohngebäude in der Zürcher Limmatstraße fallen kundigen Passanten die nach innen gekrümmten Fensterbrüstungen in Betonfertigteilbauweise sofort auf. Tatsächlich konnten die konvexen Oberflächen nicht maschinell, sondern nur von Hand poliert werden.
Der bekannte Schweizer Baukonzern Walo Bertschinger ist aus einer mittelständischen Baufirma hervorgegangen, die in den 1950er Jahren in der Zürcher Limmatstraße 8 ansässig war. Diese konzentrierte sich seinerzeit auf Straßenbau und Fußböden; Terrazzofußböden waren eine ihrer Ausbauspezialitäten. Mit zunehmender Größe siedelte das Unternehmen nach Dietikon um und suchte nach einer neuen Nutzung für das nun leerstehende und eigentlich obsolete Stammhaus. Gleichwohl das nicht unattraktive, bahnhofsnahe Grundstück vis-á-vis des kleinen Klingenparks sicherlich einen hohen Verkaufswert besitzt, entschloss man sich, es aus Traditionsgründen zu behalten. Der zunächst favorisierte Umbau des unspektakulären Verwaltungsbaus aus den 1950er Jahren zu einem Mehrparteienwohnhaus wurde aus Kostengründen verworfen. Stattdessen lud man einige Architekturbüros zu einem beschränkten Wettbewerb ein. Hier gab der Baukonzern lediglich den Bestandsabriss und eine Wohnnutzung vor, ein dezidiertes Raumprogramm jedoch nicht.
Blick in die Straßenflucht
Gewonnen haben diesen „Pitch“ die von Anne Kaestle und Dan Schürch geleiteten Duplex Architekten. Letzterer sieht als möglichen Grund für die Prämierung seines Büros dessen grundsätzliche Vorliebe für eine 1950er Jahre- Ästhetik sowie den Umstand, dass sich der Entwurf zugleich sehr ambivalent präsentiert. Die eingangs erwähnten die Fassade dominierenden, horizontalen Brüstungsbänder aus konvex nach innen gewölbten, terrazzoartigen Betonfertigteilen werfen zudem eine Nutzungsfrage auf: Handelt es sich um ein Bürogebäude, werden in ihm Dienstleistungen erbracht oder wird darin gewohnt? Bewusst haben die Planer mit dieser Uneindeutigkeit gespielt. Nichtsdesto-trotz haben sie die Standortqualitäten in Bezug auf eine Nutzung als Wohnraum sorgfältig analysiert und die erkannten Potentiale konsequent realisiert. So gibt es etwa kein großes Panorama, auf das die Bewohner schauen könnten. Deshalb wurden zahlreiche Gebäudeerker und Loggien geschaffen, die Ausblicke längs der Straßenflucht ermöglichen. Schürch vergleicht diese Perspektive gerne mit einer Küstenlinie, die man von einem vorgelagerten Kap betrachtet. Das findet er oft attraktiver als den Blick auf das offene Meer.
Wohnungsmix
Wenngleich dem Äußeren des Neubaus subtil eine 1950er Jahre- Ästhetik innewohnt, zitiert er an keiner Stelle den Vorgängerbau. Vielmehr korrespondiert die Gebäudehülle mit den internen Wohnungszuschnitten. Die Planer wollten ganze Fassadenabschnitte auch im Inneren erlebbar machen. So ordneten sie die Zimmerdurchgänge nahe den Außenwänden an, um schloss-ähnliche Enfiladen zu schaffen. Die 27 Wohneinheiten variieren jedoch stark in ihrer Größe: Die größten fünf Wohnungen mit 4,5 Zimmern messen 105 m², die vier kleinen 1,5 Zimmer- Studios dagegen nur 28 m². Letztere werden über einen knapp 70 m² großen Innenhof erschlossen, der im 1. OG und damit oberhalb der durchgehenden 455 m² großen EG- Gewerbefläche liegt. Diesen erhöhten Patio erreicht man über das zentrale Treppenhaus, an dem auch alle anderen Wohnungen angebunden sind.
Keine Vorhangfassade
Die Brüstungselemente wurden als Betonfertigteile durch die in Trübbach ansässige Sulser AG hergestellt. Die vorgefertigten Betonbauteile begrenzen den Skelettbau aus Ortbetondecken mit eingestellten Rundpfeilern. Die Brüstungen sind keine Betonsandwichbauteile, sondern von innen gedämmte Elemente, die im Zuge der eigentlichen Rohbauerstellung direkt in die Betondecken einbetoniert wurden. Angelegt und vergossen mit den Deckenplatten sind sie über einen Druckplattenanschluss nach innen gedämmt. Die Fens-terrahmen stehen auf diesen Elementen, eine 22 cm starke Dämmung setzt an diesen auf der Innenseite an, während Gipskartonplatten schließlich den Abschluss zum Raum bilden. Die Terrazzooptik findet sich nicht nur an den Brüstungsbändern der Fassade, sondern auch im zentralen Treppenhaus. Hier wurden überall klassische Terrazzofußböden eingelassen.
Echte Handarbeit
Anders als erwartet wurde die Betonfertigteilbrüstung nicht liegend auf Stahltischen einer Umlaufanlage produziert, sondern stehend nach dem Prinzip einer Riegelschalung erstellt. Auch wurde nicht mit einer grundsätzlich quaderförmigen Grundschalung gearbeitet, in die eine konkave und eine konvexe Kunststoffmatrize eingelegt wurden. Stattdessen wurde von vornherein mit einer gekrümmten Holzschalung operiert, wofür man – wie im Schiffbau – eine dünne, entsprechend gekrümmte Spanplatte an Holzspanten fixierte. Um sowohl den Abdruck der Holzmaserung wie auch den der Schaltafelstöße im Beton zu vermeiden, trug man auf die Schalinnenfläche Acrylharze auf, die man nach ihrem Aushärten glattschliff. Zu diesen vorbereitenden Arbeiten lagen die Schalungselemente noch, sie wurden erst für die Betonage aufgestellt und zusammengefügt. Obwohl es sich um eine Holzschalung handelte, war diese auf ihre projektbezogene Wiederverwendung ausgelegt, da der handwerkliche Aufwand für ihre jeweilige Herstellung einfach zu groß war.
Verwendet wurde ein selbstverdichtender, frost- und tausalzbeständiger Beton, dem man Andeer Granitstein als Zuschlag beigab, um den gewünschten Grünschimmer zu erhalten. Mit Blick auf einen optimalen Poliereffekt entschied man sich für eine Korngröße von maximal 16 mm.
Verbunden war die Oberflächennachbehandlung mit einem erhöhten handwerklichen Aufwand, da es bislang keine industriellen Möglichkeiten gibt, eine konvexe Betonfläche maschinell zu schleifen und zu polieren. Immerhin war es den Arbeitern möglich, mit Winkelschleifern zu arbeiten, so dass diese sich nicht auf ihre Handballen und auf Schleifpapier beschränken mussten. Aber der zusätzliche Aufwand hat sich mehr als gelohnt: Die Farbe der Fensterbrüstungen wechselt beständig mit dem Lichteinfall und ihrer wetterbedingten Oberflächenfeuchtigkeit. Um zu vermeiden, dass diese Feuchtigkeit das Bauteil auf Dauer schädigt, wurden die Betonfertigteilelemente nach Abschluss der Schleifarbeiten schließlich hydrophobiert.
Corporate Design
Obwohl dieser Neubau mit seinen 27 Wohnungen konzernfern genutzt wird, bezieht sich sein gut publizierter Name immer noch auf den Konzern. Auch betrachtet das Unternehmen selber das Objekt weiterhin als Markenrepräsentanten und zeigt es stolz auf der Startseite seines Internetauftritts.
Robert Mehl, Aachen
http://www.bft-international.com