Projektart:
Anfrage:
Objekt:
under 🔗
Typ:
Unterwasserrestaurant
Ort:
Lindesness [Satellit]
Staat:
Norwegen
Architekt:
Snøhetta 🔗, Oslo
Materialien:
Beton, Acrylglas, Holz
Publiziert:
baublatt 22/2019
Seiten:
36 - 39
Inhalt:
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Unterwasserrestaurant "under", Lindesness/NO

Mit Fisch zu Tisch

Im vergangenen März wurde im norwegischen Lindesness mit dem "under" das weltgrößte Unterwasserrestaurant eröffnet. Die Betonkonstruktion wurde auf einem Schwimmdock vorgefertigt, dann zu seinem Bestimmungsort gezogen und dort im Meer versenkt.
In Lindesness, nahe der Südspitze Norwegens, haben die Brüder Stig and Gaute Ubostad neben ihrem Havhotell im vergangenen März mit dem "under" das welterste Unterwasserrestaurant eröffnet. Entworfen und umgesetzt wurde es von dem weltbekannten, in Oslo ansässigen Architekturbüro Snøhetta, das bereits das Museum am Ground Zero in New York oder die Oper von Oslo gebaut hat.
Bauablauf
Der fertige, etwa 34 m lange und insgesamt gut 15 m hohe Bau erinnert – insbesondere die Ansicht der Ostseite – stark an ein um 20° gekipptes Element eines Senkkastentunnels, und damit an eine Bauweise, mit der etwa die submarinen Abschnitte der Øresundbrücke oder auch die jüngst fertig gestellte Hongkong- Macao- Brücke realisiert wurden. Dabei werden diese Elemente im Trockenen erstellt, an ihre vorgesehene Position auf See geschleppt, dort millimetergenau abgesenkt und dann wie gigantische Kanalrohre unter Wasser ineinander gesteckt. Sind alle Tunnelelemente verlegt, wird die gesamte Röhre leer gepumpt.
Tatsächlich wurde auch der Rohbau des 495 m² großen "under" auf einem Schwimmdock, jedoch in unmittelbarer Nähe seines Standortes, im Winter 2017/18 errichtet. Nach dem Richtfest im Frühsommer 2018 wurde der Rohbau auf seinem Ponton von einem annähernd 70 m hohen Schiffskran nahe an die vorgesehene Position geschleppt. Nun flutete man den Ponton, so dass die Betonkonstruktion erst zu sinken und dann zu schwimmen begann. Um dies zu gewährleisten, waren im Vorfeld beide Fenster eingesetzt worden, was der Rohbau wasserdicht wie ein Schiffrumpf machte. So löste sich das weiter absinkende Ponton von dem aufschwimmenden Gebäude und konnte nun von dem Kran unter diesem hervorgezogen zu werden. Das schwimmende Restaurant manövrierte man sodann unmittelbar über seine vorgesehene Position. Nun wurden in diesem aufgestellte, leere Kunststofftanks langsam mit Wasser befüllt, um so dasselbe auf den Meeresgrund zu drücken. Gesichert wurde alles durch den Schiffkran, der ein Kippen der oberen Öffnung verhinderte, was ein unkontrolliertes "Wassernehmen" des Baukörpers ausschloss.
Zuvor hatte man am finalen Standort eine große Betonfertigteilgrundplatte mit einer Negativaussparung des Restaurantgrundrisses ins Meer abgelassen. Diese besitzt aufgehende Gewindestangen, auf die Ösen passen, die an das Restaurant angeformt sind. Es oblag Tauchern, die Gewindestangen durch besagte Ösen zu führen und das Restaurant anschließend mit großen Schrauben an der Grundplatte zu fixieren. Danach wurden die temporären Wassertanks leer gepumpt und entfernt, da die Fixierung des Gebäudes an der Grundplatte ein Aufschwimmen unmöglich macht. Der Innenausbau konnte beginnen.
Das Konzept
Die Form ergab sich aus der Notwendigkeit der Schaffung eines landseitigen, gut 3 m über dem Meeresspiegel liegenden Zugangs und einem Restaurant in rund 5 m Meerestiefe. Angesichts des Küstenverlaufs blieb letztlich nur eine gerade, um 20° ins Wasser geneigte Linie. Das röhrenartige Grundkonzept ist eine logische Folge daraus: Stirnseitig zum Land ist der Eingang, am anderen Ende der rd. 33 m langen Röhre sitzt die große Glasfläche für einen Blick in die maritime Unterwelt. Andreas Nygaard, Projektleiter bei Snøhetta, vergleicht den Bau gerne mit einer Flasche: Das Glas bildet den Flaschenboden, der Eingang den Hals. Die Metapher beschreibt auch treffend den Innenausbau, der sich nach oben verengt und in den oberen Bereichen mit Holz ausgekleidet ist: Um im Bild zu bleiben, ist das der Korken.
Der Weg im Gebäude
Das "under" betritt man über eine feuerverzinkte Metallbrücke mit geschlossenen Geländerwangen und gelangt zu einer holzbeplankten Terrasse – beides soll maritime Assoziationen wecken. Hier findet sich eine Glastür zu einem Vorraum mit rückwärtiger Gaderobe. Eine einläufige Holztreppe aus norwegischer Eiche führt hinab in ein gallerieartiges Zwischengeschoss knapp unter dem Meeresspiegel. Ein seitliches, spaltartiges Fenster, das bis in das Geschoss darunter reicht, zeigt die aktuelle Tidenhöhe wie bei einem Fieberthermometer an. Hier findet sich die Bar mit einer Sitzlounge. Der Orientierung der ersten Treppe folgend führt ein zweiter Abgang hinab auf die unterste Ebene, dem Speisebereich. Hier wechselt das Interior: während oben eine helle Fichtenholzverkleidung das Volumen prägt, sind in diesem Bereich nun dunkle, blau-graue, eng gelochte Akustikpaneele angeordnet, die auch über die geneigte Deckenfläche hinweg laufen. Den Übergang von der hölzernen Deckenverkleidung zu den blau-grauen Paneelen bildet eine gut 20 m lange, straff gespannte Akustikmembran. Sie ist direkt vom Rohbau abgehangen und mit breiten pastellweißen und pinkfarbenen Querstreifen strukturiert.
Sowohl die die akustischen Elemente – Paneele und Membrane – wie auch die Naturholzverkleidung sind an einer rd. 15 cm breiten, hinterlüfteten Metallunterkonstruktion aufgebracht. Eine mechanische Lüftung bläst beständig Luft durch diesen Hohlraum. So wird jede Art von Gebäudefeuchtigkeit, hauptsächlich durch Gäste und Küche gebildetes Kondenswasser, das sich an der meerwassergekühlten Rohbauwand von innen niederschlägt, nach oben zu sieben schießschartenartigen Lüftungsschlitzen oberhalb des Eingangs transportiert.
Keine Ankerlöcher
Der Rohbau weist zwei Wandstärken auf: 40 cm misst der Beton oberhalb der durchschnittlichen Wasserlinie, 50 cm darunter. Gearbeitet wurde mit wasserundurchlässigem Beton der Güte B45 und einer Festigkeit von Fck,cube = 55 MPa. Ein wasserdichter Betonbau darf natürlich keine Ankerlöcher aufweisen; diese wurden vermieden durch ein spezielles, wasserdichtes Kunststoff- Distanzrohr mit Konus. Dies ist außen aufgeraut für einen guten Betonverbund, auch besitzt das Rohr in seiner Mitte eine Umfassungsmanschette, die zusätzlich einen Kapillarfluss im Übergang zwischen Kunststoff und Beton verhindert. Nach dem Ausschalen wurde das Rohrinnere ausgespritzt, mit einem zum System gehörenden Dichtstopfen verschlossen und beigeputzt. Die Ankerlochansätze lassen sich gut in der Sichtbetonoberfläche erkennen.
Diese wurde mit einer üblichen sägerauen Nadelholzbrettschalung erstellt und nach dem Ausschalen in keiner Weise nachbehandelt: nicht gestrichen, nicht gesäuert, nicht hydrophobiert. Die gewollte Oberflächenrauheit soll das Ansiedeln von Algen und Muscheln begünstigen, so dass sich in wenigen Jahren der Betonrücken des "under" nicht groß von der weiteren Küstenlinie unterscheidet.
Ausblick
Beide Fenster bestehen aus Acrylglas, sie wurden noch auf dem Schwimmponton von außen in ihre Fensteröffnungen gesetzt. Das hatte nicht nur logistische Vorteile bei der 3,43 m x 10,80 m großen Panoramascheibe. Von großem Vorteil ist der Umstand, dass so der Wasserdruck die Scheiben fest in ihre Leibungen presst.
Die rd. 37 m² große und 27 cm starke Hauptscheibe konnte nirgendwo auf der Welt in einem Stück produziert werden. Sie wurde aus drei Einzelteilen gefertigt und diese dann werkseitig zu einer durchgehenden Fläche miteinander verschweißt. Die zweite Scheibe, zwar zweigeschossig, aber nur knapp einen Meter breit, besitzt hingegen nur eine Dicke von 8 cm. Der optische Eindruck der Meereswelt war den Planern extrem wichtig. Sie begrüßten daher den „ungeplanten Acryleffekt", der das „Außen“ unmittelbar hinter der sichtbaren Glasoberfläche beginnen lässt. Einer intensiven Planung bedurfte jedoch die Vermeidung von Innenraumreflexionen auf der Scheibe. Deshalb werden grundsätzlich in dem Restaurant keine Tischdecken verwendet und keine Kerzen aufgestellt. Auch das Buffet in der Raummitte ist schwarzes Mobiliar, und alle Bediensteten erscheinen in schwarzer Livree. Insgesamt ist der Raum nur spärlich ausgeleuchtet. Dabei folgen die LED- Deckenspots der Neigung der Decke und wenden sich so von der großen Aussichtsscheibe ab.
Neben der Lichtreflexion ist natürlich auch die Scheibenreinigung ein wichtiges Thema. Hier gab es einen fehlgeschlagenen Versuch mit einem Reinigungsroboter, daher putzen aktuell Taucher die Scheiben zweimal die Woche per Hand.
Die Jahrhundertwelle
Im Vorfeld untersuchte man auch die maritimen Anforderungen, denen das Objekt standhalten muss. Schlüsselkriterium ist dabei eine "Jahrhundertwelle", deren potentielle Aufschlagkraft bei dem oberhalb der Wasserlinie sichtbaren Gebäudedesign berücksichtigt werden musste. Die geneigte fensterlose Betonfläche erlaubt ein Anbranden der Welle, und hält damit deren Aufschlag stand. Die auslaufende Welle kann über den Körper hinweg laufen, weshalb die landseitigen Eingänge und die Lüftungsöffnungen besonders wasserdicht ausgeführt wurden. Auch die markant abgerundeten Gebäudekanten ergaben sich aus diesen Untersuchungen. Sie bewirken ein Brechen der Wellen in zwei Richtungen. Insgesamt liegt das Restaurant aber so tief im Wasser, dass die große Glasfläche selbst bei größter Sturmflut nicht in den Wellentälern zu Tage treten kann.
Robert Mehl, Aachen