Projektart:
Anfrage:
Objekt:
Kenitra TGV
Typ:
Bahnhof
Ort:
Kenitra [Satellit]
Staat:
Marokko
Architekt:
Materialien:
Maschrabiyya-Fassade aus Betonfertigteilen
Publiziert:
Zement+Beton 3_21
Seiten:
45 - 47
Inhalt:
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TGV_Bahnhof von Kenitra, Marokko

Mit dem Zug zum Suq

2018 wurde die erste Hochgeschwindigkeitsstrecke Afrikas von Tanger nach Kenitra eröffnet, die langfristig bis nach Agadir führen soll. Unlängst wurde das Bahnhofsbauwerk von Kenitra vollends fertig gestellt. Seine Fassade ist an arabischen Maschrabiyyas – traditionellen Fenstergittern – angelehnt.
Derzeit wird in Marokko ein Hochgeschwindigkeitsnetz aufgebaut, das dem des französischen TGV nachempfunden ist. Es soll eine Nord- Süd- Linie längs des Atlantiks geben und eine in west-östlicher- Richtung ins Landesinnere. Derzeit endet im nördlich der Hauptstadt Rabat gelegenen Kenitra das erste, seit Anfang 2018 in Nutzung befindliche Teilstück, das seinen Ausgang in Tanger am Mittelmeer nimmt.
Der dortige neue 13.500 m² große Fernbahnhof liegt südlich der Altstadt und fungiert als ein Hybrid aus Bahnhof und Shopping Mall sowie als urbanes Bindeglied zwischen dem historischen Stadtzentrum und einem Neubauquartier jenseits der Gleise. Entsprechend besitzt der Bahnhof einen brückenartigen Gebäudeteil, der über die Gleisharfe spannt.
Hommage an die arabische Kultur
Die Fassade ist von so genannten Maschrabiyyas inspiriert. Das sind offene, jedoch meist blickdichte arabische Fenstergitter aus Holz. Deren belichtenden, wie schattenspendenden Charakter machte sich der französische Architekt Silvio d'Ascia hier zu Nutze.
Die vertikale Außenhaut bilden 800 dreieckige Rahmen aus dem Ultrahochleistungsbeton (UHPC) der Marke Ductal des Herstellers Lafarge. Darin eingelassen sind Glasscheiben, die jedoch nicht an den Betonelementen anschlagen, sondern erst dahinter auf der stählernen Unterkonstruktion sitzen. Auch innenseitig wurden dreieckige Fensterrahmen aus UHPC- Beton montiert. Beide Faserbetonelemente umgreifen profilartig eine Tragkonstruktion aus Stahl.
Gefertigt wurden die Betonbauteile von Bearch – Bétons fibrés architectoniques, einem Herstellerkonsortium mit Hauptsitz in Bouznika, knapp 40 km südwestlich von Rabat. Es handelt sich um den offiziellen Ductal- Lizenznehmer von Lafarge in Marokko. Während das marokkanische Ingenieurbüro Jet Contractors aus Skhirat für die Ausführungsplanung und die Betreuung der Betonkonstruktion zuständig war, stammt die Tragwerksplanung vom französischen Büro Kephren Ingénierie.
Alle Betondreiecke der Fassade scheinen einander gleich, unterscheiden sich jedoch in subtilen Details, gleichwohl ihre Länge einheitlich 170 cm und ihre Höhe 120 cm beträgt. Die Produktion der Rahmendreiecke erfolgte mittels einheitlichen Stahlformen, die mit Abstellern individuell konfiguriert wurden. Darüber hinaus wurden alle Betonbauteile digital gekennzeichnet, um sie an der Baustelle eindeutig ihrer vorgesehenen Position zuzuweisen. Die Fassadenmontage erfolgte erst nach Fertigstellung des Tragwerks und wurde in knapp sechs Monaten ausgeführt.
Natürliche Klimatisierung
Die Klimatisierung des 200 m langen Bahnhofgebäudes geschieht auf natürliche Weise über den offenen Bahnsteig von Gleis 1. Dabei entspricht das 200 m lange Bauwerk der Standardlänge eines TGV- Zuges
Zugänglich ist das dreigeschossige Bahnhofsgebäude an seiner dem Stadtzentrum zugewandten Nordseite über acht arkadenartige Portale. Sie führen in eine große Halle, die als öffentlicher Raum genutzt wird, weshalb ein Suq – ein Bazar – darin integriert ist.
Robert Mehl, Aachen