Projektart:
Anfrage:
per mail ✉
Objekt:
Bar "Frozen"
Typ:
Aprés-Ski Bar
Ort:
Lech [Satellit]
Staat:
Österreich
Architekt:
Jürgen Kitzmüller 🔗, Hall/Tirol
Materialien:
Eis, Textilfaser, Kühlleitungen, Glas
Publiziert:
build 01/2008
Seiten:
16 - 18
Inhalt:
Die Ski- Bar „Frozen” in Lech am Arlberg
On the Rocks
Jedes Getränk – auch ein Kaffee – wird im „Frozen“ auf Eis serviert. Ursache für diesen zunächst sehr rigoros klingenden Service ist der Umstand, dass das Gebäude und sein Interieur im Wesentlichen aus gefrorenem Wasser bestehen. Entsprechende Würfel im Glas können dagegen selbstverständlich abbestellt werden.
Man mag nun anmerken, dass eine Bar, deren durchschnittliche Raumtemperatur bei etwa drei Grad unter Null liegt, kein besonders behaglicher und einladender Ort sein könne. Doch die zahlreichen Besucher ficht das wenig an. Sie sind in der Regel gut durchgewärmt und in dicke Thermoanzüge eingepackt: Skifahrer, die unmittelbar von der Piste kommen und hier einen „Einkehrschwung“ machen. Standesgemäß befindet sich die Bar dementsprechend auch nicht im eigentlichen Ortskern von Lech, sondern direkt an der Bergstation eines Sesselliftes, der Schlegelkopfbahn. Mit komfortablen 6er Sesseln werden hier die Gleitwilligen vom Tal auf den Hausberg expediert und mitten in dem riesigen Skigebiet am Arlbergpass abgesetzt.
Entgegen des ersten Anscheines handelt es sich bei der Ski- Bar nicht um eine temporäre Eisarchitektur, wie etwa ein Iglu oder einen mit einem Schneidbrenner zunächst vereisten und dann ausgehöhlten Schneehaufen. Die tragende Konstruktion des eigentlichen Barbereiches ist eine textile Zeltstruktur, in deren Gewebe Kühlleitungen integriert worden sind. Die dünne Unterkonstruktion ermöglicht eine kontrollierte Vereisung der Gebäudehülle nach Innen und nach Außen. Mit zunehmender Schichtdicke entsteht dabei eine konstruktive äußere Traghaut, die in ihrer Funktionsweise der von Stahlbeton nicht unähnlich ist: Während das Eis vornehmlich Drucklasten aufnehmen soll, können die Zugkräfte über das extrem reißfeste Gewebe kompensiert werden. Diese quasi selbst-wachsende Bauweise gestattet es, mit einer kaum vorhandenen Unterkonstruktion die teilweise immensen Schneelasten in dieser Region von teilweise über 2 m aufzunehmen. Zudem stellt die Eisschicht die Winddichtigkeit des Gebäudes her. Bewusst wurde auf eine dampfsperrende Folie verzichtet. Mit ihr hätte man eine Trennphase inmitten der tragenden Eisschicht geschaffen, die wie eine gefährliche Sollbruchstelle gewirkt hätte.
Um die Standsicherheit der eisigen Außenhaut zu gewährleisten, muss über das Kühlsystem der Kern der Hülle auf etwa acht Grad unter Null gehalten werden - auch wenn die Sonne darauf scheint. Die Innentemperatur der Bar beträgt dabei, wie schon eingangs erwähnt, etwa zwei bis drei Grad unter Null. Natürlich besitzt der Bau auch beheizte Nebenräume wie Toiletten, eine Küche und einen Sozialraum für das Personal, das sich dort im Wechselschichtbetrieb aufwärmen kann. Diese Bereiche wurden als herkömmliche Betonkonstruktion errichtet und folgen unauffällig in ihrer Formensprache dem nüchtern-technoiden Duktus der Bergstation, an deren Rückseite der Bau errichtet wurde.
Während das winterliche Bauwerk und sein thermisches Prinzip von dem Tiroler Architekten Jürgen Kitzmüller ersonnen wurden, zeichnen für die Realisierung und die Ausgestaltung die beiden Bildhauer Thomas Koch und Daniel Nikolaus Kocher verantwortlich. Den Charakter einer Eishöhle erreichten sie durch das Besprühen der in die Außenhaut integrierten Kühlleitungen mit einem herkömmlichen Dampfstrahler. Für den Bau des Mobiliars verwendeten sie dagegen vorgefertigte Eisquader aus einer Fabrik. Ebenfalls vorproduziert sind die Sonderausführungen der Quader, in die zusätzlich Objekte wie Champagnerflaschen, Glaskristalle oder Getränkedosen integriert sind. Große Sorgfalt erforderte das blasenfreie Einfrieren der Gegenstände. Der Prozess dauerte bis zu sieben Tage und erforderte destilliertes Wasser und das permanente Umwälzen desselben. Nach der Endmontage wurden alle Oberflächen vor Ort mit einem Bügeleisen zartschmelzend poliert. Um das Herabfallen größerer Stalaktiten insbesondere auf die Kundschaft zu vermeiden, wurden die zahlreichen Eiszapfen künstlich an reißfesten Fäden gezüchtet, welche dieselben nunmehr gegen Bruch bewehren.
Das Kühlsystem ist in der Lage, längere Wärmeperioden im Winter zu kompensieren, doch etwa ab April ist die Anlage der nunmehr massiven Sonneneinstrahlung nicht mehr gewachsen. Folgerichtig wird die Bar über den Sommer geschlossen und taut derweil vollständig ab. Die Eiskünstler und auch den Architekten stimmt das allerdings wenig traurig. Sie wissen, dass im Winter ein neuer Auftrag kommt.
Robert Mehl, Aachen
Man mag nun anmerken, dass eine Bar, deren durchschnittliche Raumtemperatur bei etwa drei Grad unter Null liegt, kein besonders behaglicher und einladender Ort sein könne. Doch die zahlreichen Besucher ficht das wenig an. Sie sind in der Regel gut durchgewärmt und in dicke Thermoanzüge eingepackt: Skifahrer, die unmittelbar von der Piste kommen und hier einen „Einkehrschwung“ machen. Standesgemäß befindet sich die Bar dementsprechend auch nicht im eigentlichen Ortskern von Lech, sondern direkt an der Bergstation eines Sesselliftes, der Schlegelkopfbahn. Mit komfortablen 6er Sesseln werden hier die Gleitwilligen vom Tal auf den Hausberg expediert und mitten in dem riesigen Skigebiet am Arlbergpass abgesetzt.
Entgegen des ersten Anscheines handelt es sich bei der Ski- Bar nicht um eine temporäre Eisarchitektur, wie etwa ein Iglu oder einen mit einem Schneidbrenner zunächst vereisten und dann ausgehöhlten Schneehaufen. Die tragende Konstruktion des eigentlichen Barbereiches ist eine textile Zeltstruktur, in deren Gewebe Kühlleitungen integriert worden sind. Die dünne Unterkonstruktion ermöglicht eine kontrollierte Vereisung der Gebäudehülle nach Innen und nach Außen. Mit zunehmender Schichtdicke entsteht dabei eine konstruktive äußere Traghaut, die in ihrer Funktionsweise der von Stahlbeton nicht unähnlich ist: Während das Eis vornehmlich Drucklasten aufnehmen soll, können die Zugkräfte über das extrem reißfeste Gewebe kompensiert werden. Diese quasi selbst-wachsende Bauweise gestattet es, mit einer kaum vorhandenen Unterkonstruktion die teilweise immensen Schneelasten in dieser Region von teilweise über 2 m aufzunehmen. Zudem stellt die Eisschicht die Winddichtigkeit des Gebäudes her. Bewusst wurde auf eine dampfsperrende Folie verzichtet. Mit ihr hätte man eine Trennphase inmitten der tragenden Eisschicht geschaffen, die wie eine gefährliche Sollbruchstelle gewirkt hätte.
Um die Standsicherheit der eisigen Außenhaut zu gewährleisten, muss über das Kühlsystem der Kern der Hülle auf etwa acht Grad unter Null gehalten werden - auch wenn die Sonne darauf scheint. Die Innentemperatur der Bar beträgt dabei, wie schon eingangs erwähnt, etwa zwei bis drei Grad unter Null. Natürlich besitzt der Bau auch beheizte Nebenräume wie Toiletten, eine Küche und einen Sozialraum für das Personal, das sich dort im Wechselschichtbetrieb aufwärmen kann. Diese Bereiche wurden als herkömmliche Betonkonstruktion errichtet und folgen unauffällig in ihrer Formensprache dem nüchtern-technoiden Duktus der Bergstation, an deren Rückseite der Bau errichtet wurde.
Während das winterliche Bauwerk und sein thermisches Prinzip von dem Tiroler Architekten Jürgen Kitzmüller ersonnen wurden, zeichnen für die Realisierung und die Ausgestaltung die beiden Bildhauer Thomas Koch und Daniel Nikolaus Kocher verantwortlich. Den Charakter einer Eishöhle erreichten sie durch das Besprühen der in die Außenhaut integrierten Kühlleitungen mit einem herkömmlichen Dampfstrahler. Für den Bau des Mobiliars verwendeten sie dagegen vorgefertigte Eisquader aus einer Fabrik. Ebenfalls vorproduziert sind die Sonderausführungen der Quader, in die zusätzlich Objekte wie Champagnerflaschen, Glaskristalle oder Getränkedosen integriert sind. Große Sorgfalt erforderte das blasenfreie Einfrieren der Gegenstände. Der Prozess dauerte bis zu sieben Tage und erforderte destilliertes Wasser und das permanente Umwälzen desselben. Nach der Endmontage wurden alle Oberflächen vor Ort mit einem Bügeleisen zartschmelzend poliert. Um das Herabfallen größerer Stalaktiten insbesondere auf die Kundschaft zu vermeiden, wurden die zahlreichen Eiszapfen künstlich an reißfesten Fäden gezüchtet, welche dieselben nunmehr gegen Bruch bewehren.
Das Kühlsystem ist in der Lage, längere Wärmeperioden im Winter zu kompensieren, doch etwa ab April ist die Anlage der nunmehr massiven Sonneneinstrahlung nicht mehr gewachsen. Folgerichtig wird die Bar über den Sommer geschlossen und taut derweil vollständig ab. Die Eiskünstler und auch den Architekten stimmt das allerdings wenig traurig. Sie wissen, dass im Winter ein neuer Auftrag kommt.
Robert Mehl, Aachen