Project:
Contact:
via mail ✉
Object:
Stamp House
Type:
residential house
Location:
Cape Tribulation, close to Cairns [satellite]
Country:
Australia
Architect:
Materials:
concrete, glass
Published:
Beton Bauteile 2015
Pages:
146 - 153
Content:
Stamp House am australischen Kap Tribulation
Autark und nachhaltig
Im äußersten Nordosten Australiens, mitten im tropischen Urwald und unweit des Meeres ist ein von jeder Versorgung abgekoppeltes Privathaus entstanden. Den Bauherrn war neben einer CO2-Neutralität wichtig, dass der Bau langfristig sowohl dem schwülen Klima wie auch starken Tropenstürmen standhalten kann. Daher kam für den Architekten auch nur eine Betonfertigteilkonstruktion in Frage.
[no english version available]
Der Urwald im tropischen Nordosten Australiens gilt als noch weitgehend unberührt. Das Kap Tribulation liegt etwa 150 km nördlich der Küstenmetropole Cairns und selbst bis zur nächsten größeren Stadt Port Douglas sind es noch 60 km. In Deutschland kennt man das erwähnte Kap von Pauschaltouren, die von Cairns aus angeboten werden. Genutzt wird es von vornehmlich jungen Touristen, die einmal echten „Dschungel“ erleben wollen: Hier gibt es eine entsprechende Lodge in einem kleinen Naturpark. Das Privathaus der Eheleute Rod und Madel Perry liegt unweit dieser Herberge, genau an der Zufahrt zum Cape Tribulation State Park. Infrastrukturell heißt das lediglich, dass es überhaupt eine Piste zu dem Haus gibt, jedoch keinen Strom- und auch keinen Wasser- wie Kanalisationsanschluss.
Das von den Philippinen stammende Ehepaar wollte sich bewusst im tropischen Norden des Bundeslandes Queensland ansiedeln. Sie waren von der Idee fasziniert, in einem Haus zu wohnen, von dem aus ausschließlich unberührte Natur zu sehen ist. Das besagte Kap ist landseitig von einer pittoresken Mittelgebirgskette eingefasst, die sich über den Regenwald erhebt und an deren Hängen derselbe endet. Das Meer, genauer gesagt das Great Barrier Reef, ist vielleicht 500 m vom Bauplatz entfernt. Für den Neubau musste kein einziger Baum gefällt werden, denn das Grundstück ist eine alte Rodungsfläche, die jahrzehntelang als Viehweide diente. Trotzdem war der Boden eher sumpfig, weshalb eine Pfahlgründung erforderlich war. Sie besteht aus 32 jeweils 15 m langen Betonfertigteilpfählen.
Das von den Philippinen stammende Ehepaar wollte sich bewusst im tropischen Norden des Bundeslandes Queensland ansiedeln. Sie waren von der Idee fasziniert, in einem Haus zu wohnen, von dem aus ausschließlich unberührte Natur zu sehen ist. Das besagte Kap ist landseitig von einer pittoresken Mittelgebirgskette eingefasst, die sich über den Regenwald erhebt und an deren Hängen derselbe endet. Das Meer, genauer gesagt das Great Barrier Reef, ist vielleicht 500 m vom Bauplatz entfernt. Für den Neubau musste kein einziger Baum gefällt werden, denn das Grundstück ist eine alte Rodungsfläche, die jahrzehntelang als Viehweide diente. Trotzdem war der Boden eher sumpfig, weshalb eine Pfahlgründung erforderlich war. Sie besteht aus 32 jeweils 15 m langen Betonfertigteilpfählen.
„Hintergründiger Bunker“
Obwohl die Bewohner die Einsamkeit suchten, legten sie großen Wert auf Sicherheit vor Naturgewalten. Der Bauplatz liegt leicht erhöht über dem Meeresspiegel, so dass bei einer Sturmflut das Wasser das Grundstück nicht erreichen kann. In langen Vorgesprächen erörterte der Architekt Charles Wright mit dem Bauherrenpaar, was ihnen beim „Wohnen“ wichtig wäre. Diese fühlen sich sehr der philippinischen Hausboottradition verbunden und wünschten sich ein Leben auf oder über dem Wasser. Schnell legte man sich fest, das Gebäude mit einem Wassergraben zu umgeben und leicht zu erhöhen. Beides bietet den Vorteil, dass so auf bauliche Weise auch Wildtiere ferngehalten werden. Die häufig in diesen Breiten auftretenden Tropenstürme machten es schließlich erforderlich, das Gebäude ausgesprochen stabil auszuführen. Gemeinsam entschied man sich für eine Betonkonstruktion, da das dort vorherrschende Klima, eine Mischung aus tropischer Schwüle und salziger Seeluft, extrem aggressiv ist. So können nach Meinung des Planers nur handwerklich gut gefertigte Betonbauteile mit ihren homogen geschlossenen Oberflächen dieser Witterung dauerhaft widerstehen. Holzkonstruktionen beginnen hier schnell zu modern und zu faulen und selbst Edelstahl rostet hier. Tatsächlich umschreibt der Architekt seine Bauaufgabe als die Schaffung eines luxuriösen und identitätsstiftenden Refugiums, das sich sowohl der Natur öffnet wie auch vor dieser bunkerartig verschließen kann.
Obwohl die Bewohner die Einsamkeit suchten, legten sie großen Wert auf Sicherheit vor Naturgewalten. Der Bauplatz liegt leicht erhöht über dem Meeresspiegel, so dass bei einer Sturmflut das Wasser das Grundstück nicht erreichen kann. In langen Vorgesprächen erörterte der Architekt Charles Wright mit dem Bauherrenpaar, was ihnen beim „Wohnen“ wichtig wäre. Diese fühlen sich sehr der philippinischen Hausboottradition verbunden und wünschten sich ein Leben auf oder über dem Wasser. Schnell legte man sich fest, das Gebäude mit einem Wassergraben zu umgeben und leicht zu erhöhen. Beides bietet den Vorteil, dass so auf bauliche Weise auch Wildtiere ferngehalten werden. Die häufig in diesen Breiten auftretenden Tropenstürme machten es schließlich erforderlich, das Gebäude ausgesprochen stabil auszuführen. Gemeinsam entschied man sich für eine Betonkonstruktion, da das dort vorherrschende Klima, eine Mischung aus tropischer Schwüle und salziger Seeluft, extrem aggressiv ist. So können nach Meinung des Planers nur handwerklich gut gefertigte Betonbauteile mit ihren homogen geschlossenen Oberflächen dieser Witterung dauerhaft widerstehen. Holzkonstruktionen beginnen hier schnell zu modern und zu faulen und selbst Edelstahl rostet hier. Tatsächlich umschreibt der Architekt seine Bauaufgabe als die Schaffung eines luxuriösen und identitätsstiftenden Refugiums, das sich sowohl der Natur öffnet wie auch vor dieser bunkerartig verschließen kann.
One Pound Jimmy
Der Bauherr Rod Perry ist mit dem Handeln von seltenen Briefmarken reich geworden. Für den Architekten Charles Wright ist es bei jedem Bauwerk ein Anliegen, ein persönliches Element des Auftraggebers in den Entwurf einzubringen, hier waren es die Postwertzeichen. So sieht er etwa in der Grundrissform eine formale Nähe zu dem ausgefransten Zackenrand einer Briefmarke. Auch zitiert er deren markante Abreißperforationen mit runden Vertiefungen, die bandartig entlang der Betonfassade angebracht sind. Er fragte zudem seinen Kunden nach dessen Lieblingsmarke. Es ist die „One Pound Jimmy“, eine australische Briefmarke, auf der 1950 mit Gwoya Jungarai, einem nationalen Volkshelden, zum allerersten Mal überhaupt ein Aborigine gezeigt wird. Von der Briefmarke übernahm der Planer den Umriss des markanten Konterfeis und legte diese Form dem Grundriss des zentralen Schwimmbeckens und der Atriumöffnung darüber zugrunde.
Der Bauherr Rod Perry ist mit dem Handeln von seltenen Briefmarken reich geworden. Für den Architekten Charles Wright ist es bei jedem Bauwerk ein Anliegen, ein persönliches Element des Auftraggebers in den Entwurf einzubringen, hier waren es die Postwertzeichen. So sieht er etwa in der Grundrissform eine formale Nähe zu dem ausgefransten Zackenrand einer Briefmarke. Auch zitiert er deren markante Abreißperforationen mit runden Vertiefungen, die bandartig entlang der Betonfassade angebracht sind. Er fragte zudem seinen Kunden nach dessen Lieblingsmarke. Es ist die „One Pound Jimmy“, eine australische Briefmarke, auf der 1950 mit Gwoya Jungarai, einem nationalen Volkshelden, zum allerersten Mal überhaupt ein Aborigine gezeigt wird. Von der Briefmarke übernahm der Planer den Umriss des markanten Konterfeis und legte diese Form dem Grundriss des zentralen Schwimmbeckens und der Atriumöffnung darüber zugrunde.
Gang durch das Gebäude
Zentrale Ideen des Wohnhauses sind eine natürliche Lüftung sowie Blickbeziehungen von überall auf die Natur. Sein Grundriss weist sechs auskragende Flügel auf, die sternförmig um einen Gebäudekern gruppiert sind und in dessen Schwerpunkt der besagte Pool liegt. Über zwei große, geschosshohe Panoramafensterflächen, die auch vollständig zur Seite geschoben werden können, sowie das besagte Oberlicht strömt viel Licht herein. In den zackenartig spitzen Seitenflügeln wurden Schlaf-, Gäste- und ein Arbeitszimmer angeordnet sowie die Spielbereiche für die Kinder und eine große Küche. Dazu hat jeder Gebäudeteil sein eigenes Bad. Erschlossen wird der Bau über eine langgestreckte Brücke, die außen an einem dieser Hausarme entlangläuft. Unter dem Hauptgeschoss ist noch ein Kriechkeller angeordnet, in welchem die technische Gebäudeausstattung untergebracht ist.
Die zentrale Wohnhalle ist neben dem amorphen Pool von abgesenkten und erhöhten Sitzecken geprägt. Tatsächlich erscheint der Raum als echte, dreidimensionale Wohnlandschaft, der von den Bewohnern sofort mit Begeisterung als sozialer Mittelpunkt des Hauses angenommen wurde.
Zentrale Ideen des Wohnhauses sind eine natürliche Lüftung sowie Blickbeziehungen von überall auf die Natur. Sein Grundriss weist sechs auskragende Flügel auf, die sternförmig um einen Gebäudekern gruppiert sind und in dessen Schwerpunkt der besagte Pool liegt. Über zwei große, geschosshohe Panoramafensterflächen, die auch vollständig zur Seite geschoben werden können, sowie das besagte Oberlicht strömt viel Licht herein. In den zackenartig spitzen Seitenflügeln wurden Schlaf-, Gäste- und ein Arbeitszimmer angeordnet sowie die Spielbereiche für die Kinder und eine große Küche. Dazu hat jeder Gebäudeteil sein eigenes Bad. Erschlossen wird der Bau über eine langgestreckte Brücke, die außen an einem dieser Hausarme entlangläuft. Unter dem Hauptgeschoss ist noch ein Kriechkeller angeordnet, in welchem die technische Gebäudeausstattung untergebracht ist.
Die zentrale Wohnhalle ist neben dem amorphen Pool von abgesenkten und erhöhten Sitzecken geprägt. Tatsächlich erscheint der Raum als echte, dreidimensionale Wohnlandschaft, der von den Bewohnern sofort mit Begeisterung als sozialer Mittelpunkt des Hauses angenommen wurde.
Baustelle im Dschungel
Die größte Herausforderung der Baustelle war ihre Logistik. Schließlich war man hier irgendwo im Nirgendwo, oder dort - so sagte es der Bruder des Architekten einmal sehr treffend - „where Australia runs out of gas“. Der Landkreis Daintree ist nur per Fähre über den gleichnamigen Fluss erreichbar und das rechtzeitige Heranführen von Material war immer wieder problematisch. Dies machte es erforderlich, dass der Bauherr quasi in Vorleistung gehen musste und eine komplette Baustellenausrüstung, einschließlich eines Kranes, angeschafft hat. Eine weitere wichtige Investition waren Unterstände, unter denen man auch während der täglichen Regenphasen weiterarbeiten und unter denen auch der frisch gegossene Beton abbinden konnte. So entstand mitten im Urwald eine kleine Feldfabrik für Betonfertigteile. Wand- und Deckenelemente, die hier geneigten Rechteckstützen, die Bodenplatten der Zugangsbrücke sowie die frei geformte Dachumrandung des Atriumoberlichtes wurden so erstellt. Dabei waren in die Wandscheiben auch die zahlreichen Versorgungsleitungen des Hauses zu integrieren. Gefertigt wurden die vertikalen Flächen grundsätzlich aus zwei Lagen Beton mit einer innen liegenden Hartschaumisolierung. Im Bereich der weit hervorragenden Gebäudeflügel wurden dann auf diese Wandbauteile Betondachelemente aufgelegt. Im Bereich des inneren Patio wurde hingegen aus statischen Gründen mit einer Ortbetondecke gearbeitet. Gedämmt wurden alle Dachflächen mittels einer dämmend wirkenden Keramikbeschichtung, die vergleichbare Werte wie der hier verwendete Sandwichbeton erreichen soll.
Die größte Herausforderung der Baustelle war ihre Logistik. Schließlich war man hier irgendwo im Nirgendwo, oder dort - so sagte es der Bruder des Architekten einmal sehr treffend - „where Australia runs out of gas“. Der Landkreis Daintree ist nur per Fähre über den gleichnamigen Fluss erreichbar und das rechtzeitige Heranführen von Material war immer wieder problematisch. Dies machte es erforderlich, dass der Bauherr quasi in Vorleistung gehen musste und eine komplette Baustellenausrüstung, einschließlich eines Kranes, angeschafft hat. Eine weitere wichtige Investition waren Unterstände, unter denen man auch während der täglichen Regenphasen weiterarbeiten und unter denen auch der frisch gegossene Beton abbinden konnte. So entstand mitten im Urwald eine kleine Feldfabrik für Betonfertigteile. Wand- und Deckenelemente, die hier geneigten Rechteckstützen, die Bodenplatten der Zugangsbrücke sowie die frei geformte Dachumrandung des Atriumoberlichtes wurden so erstellt. Dabei waren in die Wandscheiben auch die zahlreichen Versorgungsleitungen des Hauses zu integrieren. Gefertigt wurden die vertikalen Flächen grundsätzlich aus zwei Lagen Beton mit einer innen liegenden Hartschaumisolierung. Im Bereich der weit hervorragenden Gebäudeflügel wurden dann auf diese Wandbauteile Betondachelemente aufgelegt. Im Bereich des inneren Patio wurde hingegen aus statischen Gründen mit einer Ortbetondecke gearbeitet. Gedämmt wurden alle Dachflächen mittels einer dämmend wirkenden Keramikbeschichtung, die vergleichbare Werte wie der hier verwendete Sandwichbeton erreichen soll.
Gebäude des Jahres
Die Entscheidung „fern von allem“ ein zeitgemäßes Wohnhaus zu errichten, stellte nicht nur für den Bauablauf eine enorme Herausforderung dar. Bedingt durch das Fehlen jedweder Infrastruktur musste auch diese geschaffen werden. So wird das Haus grundsätzlich mit dem Regenwasser versorgt, das reichlich über das Dach gesammelt und einer Zisterne zugeführt wird. Vor seiner Einspeisung in den Wasserkreislauf durchfließt es mehrere Aktivkohlefilter und wird schließlich noch mit UV- Licht entkeimt. Das Abwasser wird in einer Kleinkläranlage geklärt und dann in eine Senkgrube geleitet. Strom erzeugt eine größere Photovoltaikanlage auf dem Dach. Erklärtes Ziel der Bewohner ist vollständiges Setzen auf erneuerbare Energien und eine absolute Unabhängigkeit von fossilen Brennstoffen. Zudem wollten sie mit dem Bau eine maximale Nachhaltigkeit wie auch eine weitgehende CO2-Neutralität erreichen. So wurden ausschließlich lokal erzeugte Baustoffe verwendet. Für die Ausführung wählte man Firmen aus der Umgebung; zum einen, um deren Anfahrtswege gering zu halten, zum anderen, um Handwerker zu beschäftigen, die an dieses schwüle Klima gewöhnt sind.
Die Idee des Bauens eines Dschungelhauses mit dem Anspruch, weitgehend CO2-neutral und überdies infrastrukturell vollkommen autark zu sein, erregte in ganz Australien große Aufmerksamkeit und erntete viel Respekt. So verwundert es nicht, dass das Stamp House, das „Briefmarken- Haus“, 2014 zum Gebäude des Jahres des Bundesstaates Queensland gewählt wurde.
Robert Mehl, Aachen
Die Entscheidung „fern von allem“ ein zeitgemäßes Wohnhaus zu errichten, stellte nicht nur für den Bauablauf eine enorme Herausforderung dar. Bedingt durch das Fehlen jedweder Infrastruktur musste auch diese geschaffen werden. So wird das Haus grundsätzlich mit dem Regenwasser versorgt, das reichlich über das Dach gesammelt und einer Zisterne zugeführt wird. Vor seiner Einspeisung in den Wasserkreislauf durchfließt es mehrere Aktivkohlefilter und wird schließlich noch mit UV- Licht entkeimt. Das Abwasser wird in einer Kleinkläranlage geklärt und dann in eine Senkgrube geleitet. Strom erzeugt eine größere Photovoltaikanlage auf dem Dach. Erklärtes Ziel der Bewohner ist vollständiges Setzen auf erneuerbare Energien und eine absolute Unabhängigkeit von fossilen Brennstoffen. Zudem wollten sie mit dem Bau eine maximale Nachhaltigkeit wie auch eine weitgehende CO2-Neutralität erreichen. So wurden ausschließlich lokal erzeugte Baustoffe verwendet. Für die Ausführung wählte man Firmen aus der Umgebung; zum einen, um deren Anfahrtswege gering zu halten, zum anderen, um Handwerker zu beschäftigen, die an dieses schwüle Klima gewöhnt sind.
Die Idee des Bauens eines Dschungelhauses mit dem Anspruch, weitgehend CO2-neutral und überdies infrastrukturell vollkommen autark zu sein, erregte in ganz Australien große Aufmerksamkeit und erntete viel Respekt. So verwundert es nicht, dass das Stamp House, das „Briefmarken- Haus“, 2014 zum Gebäude des Jahres des Bundesstaates Queensland gewählt wurde.
Robert Mehl, Aachen