Project:
Contact:
via mail ✉
Object:
Convention Center Badajoz
Type:
theater
Location:
Badajoz [satellite]
Country:
Spain
Architect:
SelgasCano arquitectos 🔗, Madrid
Materials:
transparent fibre, concrete, glass
Published:
DBZ 04/2008
Pages:
46 - 55
Content:
Kongresszentrum in Badajoz/E
Verändern aber nicht vergessen
In Badajoz wurde in eine alte Festungsbastion ein Kongresszentrum implementiert. Es ist nicht die erste Überformung des historischen Gemäuers. Zuvor war hier eine Stierkampfarena.
[no english version available]
An der Grenze zum Erzfeind Portugal gelegen, besaß das Badajoz schon in der Renaissance eine große strategische Bedeutung. Noch heute bezeugt dies eine idealstadttypische Festungsanlage, welche die Altstadt vollständig umgibt. Auf ihrer Südseite hatte man 1857 in eine ihrer fünfeckigen Bastionen eine Stierkampfarena errichtet. 1936, während des spanischen Bürgerkrieges, war das Rund Schauplatz eines blutigen Massakers: General Franco hatte nach der Einnahme der Stadt alle männlichen Kommunisten, deren er habhaft werden konnte, dort hinein treiben und hinrichten lassen. Die Erinnerung an das schreckliche Ereignis führte schließlich dazu, dass 1980, fünf Jahre nach dem Ende des Regimes, die Arena abgerissen wurde. Die Berücksichtigung dieses Kontextes nicht Gegenstand des Wettbewerbes, der 1999 durchgeführt wurde und den die Architekten SelgasCano aus Madrid für sich entscheiden konnten. Gleichwohl sahen sich José Selgas und Lucia Cano in der Pflicht, das Thema in ihren Entwurf einfließen zu lassen und damit die Erinnerung an das Geschehene genauso zu erhalten, wie den steinernen Bestand. So orientiert sich der neue Bau am Grundriss der ehemaligen Stierkampfarena. Dabei wurden jedoch die Volumina invertiert. Wo sich früher einmal der „Albero“, der sandbedeckte Kampfplatz, öffnete, ragt heute der mit umlaufenden Plexiglasröhren ummantelte Zylinder des Theatersaals auf. Diese ca. 10 m hohe Trommel ist vollständig umgeben von einem korbartigen Zaun der gleichen Höhe. Dieser zweite Ring besteht ebenfalls aus einem röhrenartigen Flechtwerk, diesmal aus Fiberglas hergestellt, das mit Polyesterharz verstärkt wurde. Der so entstandene leere Zwischenraum markiert die Position der ehemaligen Arenatribüne. Es existiert kein Durchlass vom öffentlichen Raum in diesen Bereich. Bei Veranstaltungen dient er als Pausenterrasse und kann entsprechend nur vom Foyer des Kongresszentrums erreicht werden. Zugänglich ist die halböffentliche Zone sowohl über zwei Treppen aus der Eingangslobby im Untergeschoss und über zwei martialische Schwenkportale, die direkt aus dem zentralen Zylinder hinausführen. Diese stark querformatigen Öffnungen sind mittig auf einer durchlaufenden Vertikalachse gelagert und können um 90° gedreht werden. Der Zugang zu dem Kongresszentrum erfolgt über das Untergeschoss. Eine einläufige Treppe führt vom Vorplatz zum Empfang hinab. Die geschwungene Stufenfolge wird von einem expressiven Baldachin bekrönt. Die Unterseite dieses gewagten Schutzdaches kündet schon eine dominante Farbe des Foyers an: Blutrot.
Der zweite Ton ist das Grau des Sichtbetons, aus dem die Untersicht der Saalränge gegossen wurde. Die Szenerie wird diffus belichtet durch einen Luftraum und ein Lichtband im Erdgeschoss darüber. Von Außen ist diese Glasfassade jedoch nicht sichtbar, da sie hinter den Strängen der Plexiglasröhren verborgen bleibt. Etwa ab der Raummitte des Foyers steigt der rote Linoleumboden hin zum Veranstaltungssaal sichtbar an. In die Neigung wurden Sitznischen und Bodenspots integriert. Das kreisrunde Auditorium des Veranstaltungssaales musste allerdings aufgrund des Bühnenvolumens aus der Mitte der Anlage in Richtung Foyer verschoben werden. Vertikal angeordnete Leuchtstoffröhren hinterleuchten das mattierte Plexiglas und bilden drei geriffelte Lichtringe. Die von Monica Förster entworfene dunkelblaue Bestuhlung betont dabei den leicht futuristischen Stil des Raumes. Der Saal wird bei Tage in natürlicher Weise über ein zentrales Occuli belichtet. Eine offen ausgeführte S-förmige Abhangdecke wandelt jedoch das schlagschattenträchtige Sonnenlicht in eine indirekte, schattenfreie Raumausleuchtung um. Das Deckenelement besitzt eine lamellenartige Struktur, in der opake Plexiglaslamellen und geschlossene Aluminiumpaneele alternieren. Der Charakter eines im Raum schwebenden Körpers wird dadurch verstärkt, dass die Oberseite der Abhangdecke von den Seitenrängen aus einsehbar ist. Auch die Zugdrähte, die das geschwungene Bauteil halten, wurden als formale Elemente inszeniert. Die freischwebende Abhangdecke dient auch der Raumakustik, die von Higini Arau konzipiert worden ist. Im Vorfeld studierte der Toningenieur aus Barcelona eingehend das Schwingungsverhalten und die schallresorbierenden Eigenschaften von Plexiglas, einem Material das ansonsten für Konzertsäle eher unüblich ist. Er ermittelte seine optimale Materialstärke und konzipierte die schallbrückenfreie Befestigung dieser Kunststoffelemente.
Der Neubau ist zum großen Teil in den alten Verteidigungswall eingegraben. Die notwendigen Nebenräume sowie ein Probensaal des hier ebenfalls untergebrachten Orchesters der Extremadura füllen das Volumen zwischen den konzentrischen Ringen des Konzerthauses und den historischen Bastionsmauern.
Diese Annexzone erhielt ein begrüntes Dach, so dass sie kasemattenartig eingegraben wirkt. Der mit dem Zaunring abgegrenzte Innenhof steht für Verlust und Leere und ist als direkte Allegorie auf die Opfer des Massakers von 1936 zu lesen. Auch die rote Farbe zitiert dieses Ereignis. Gleichwohl stellt sie einen Bezug zu den üblicherweise im gleichen Ton gehaltenen Stierkampfarenen her. Auch wenn der neue Bau für Lebensfreude und Kultur steht, wird mit ihm in beieindruckender Weise der brutalen Vergangenheit Referenz gezollt.
Robert Mehl, Aachen
Der zweite Ton ist das Grau des Sichtbetons, aus dem die Untersicht der Saalränge gegossen wurde. Die Szenerie wird diffus belichtet durch einen Luftraum und ein Lichtband im Erdgeschoss darüber. Von Außen ist diese Glasfassade jedoch nicht sichtbar, da sie hinter den Strängen der Plexiglasröhren verborgen bleibt. Etwa ab der Raummitte des Foyers steigt der rote Linoleumboden hin zum Veranstaltungssaal sichtbar an. In die Neigung wurden Sitznischen und Bodenspots integriert. Das kreisrunde Auditorium des Veranstaltungssaales musste allerdings aufgrund des Bühnenvolumens aus der Mitte der Anlage in Richtung Foyer verschoben werden. Vertikal angeordnete Leuchtstoffröhren hinterleuchten das mattierte Plexiglas und bilden drei geriffelte Lichtringe. Die von Monica Förster entworfene dunkelblaue Bestuhlung betont dabei den leicht futuristischen Stil des Raumes. Der Saal wird bei Tage in natürlicher Weise über ein zentrales Occuli belichtet. Eine offen ausgeführte S-förmige Abhangdecke wandelt jedoch das schlagschattenträchtige Sonnenlicht in eine indirekte, schattenfreie Raumausleuchtung um. Das Deckenelement besitzt eine lamellenartige Struktur, in der opake Plexiglaslamellen und geschlossene Aluminiumpaneele alternieren. Der Charakter eines im Raum schwebenden Körpers wird dadurch verstärkt, dass die Oberseite der Abhangdecke von den Seitenrängen aus einsehbar ist. Auch die Zugdrähte, die das geschwungene Bauteil halten, wurden als formale Elemente inszeniert. Die freischwebende Abhangdecke dient auch der Raumakustik, die von Higini Arau konzipiert worden ist. Im Vorfeld studierte der Toningenieur aus Barcelona eingehend das Schwingungsverhalten und die schallresorbierenden Eigenschaften von Plexiglas, einem Material das ansonsten für Konzertsäle eher unüblich ist. Er ermittelte seine optimale Materialstärke und konzipierte die schallbrückenfreie Befestigung dieser Kunststoffelemente.
Der Neubau ist zum großen Teil in den alten Verteidigungswall eingegraben. Die notwendigen Nebenräume sowie ein Probensaal des hier ebenfalls untergebrachten Orchesters der Extremadura füllen das Volumen zwischen den konzentrischen Ringen des Konzerthauses und den historischen Bastionsmauern.
Diese Annexzone erhielt ein begrüntes Dach, so dass sie kasemattenartig eingegraben wirkt. Der mit dem Zaunring abgegrenzte Innenhof steht für Verlust und Leere und ist als direkte Allegorie auf die Opfer des Massakers von 1936 zu lesen. Auch die rote Farbe zitiert dieses Ereignis. Gleichwohl stellt sie einen Bezug zu den üblicherweise im gleichen Ton gehaltenen Stierkampfarenen her. Auch wenn der neue Bau für Lebensfreude und Kultur steht, wird mit ihm in beieindruckender Weise der brutalen Vergangenheit Referenz gezollt.
Robert Mehl, Aachen