Projektart:
Anfrage:
per mail ✉
Objekt:
Villa 101 (Erweiterung)
Typ:
Wohnhaus
Ort:
Düsseldorf-Benrath [Satellit]
Staat:
Deutschland
Architekt:
Materialien:
Betonfertigteile
Publiziert:
BFT 10/2005
Seiten:
6 - 8
Inhalt:
Feng- Shui und Fertigteile
Form follows Chi
15 m lang, 3,77 m hoch: Ein beachtliches Maß für ein Betonfertigteil. Gleich vier davon wurden bei der Erweiterung einer gründerzeitlichen Stadtvilla in Düsseldorf- Benrath benötigt. Bemerkenswert an diesem fast vollständig aus vorgefertigten Elementen bestehenden Projekt ist auch, dass sich der Auftraggeber explizit ein Haus gemäß den Richtlinien der chinesischen Bauphilosophie Feng- Shui wünschte. Offensichtlich sind Fertigteile auch für diese Anforderungen geeignet.
Die Anlieferung konnte nur bei Nacht und Nebel erfolgen, sie musste außerhalb der Beförderungszeiten der Düsseldorfer Straßenbahn liegen. Denn für die Anlieferung der 15 m x 3,77 m großen Fertigteile in den Vorort Benrath musste deren Oberleitung zeitweise demontiert werden. Der große Wendekreis des Schwertransporters erforderte zudem die Demontage von Pollern und Bürgersteiggeländern, ferner mussten Gehwege mit temporären Rampen und zusätzlichen Auflagen befahrbar gemacht werden.
Trotz dieses außergewöhnlichen Mehraufwandes hat sich die Fertigteilkonstruktion gerechnet. In Ortbeton wäre kaum eine vergleichbar glatte und homogene Oberfläche zu realisieren gewesen. Diese jedoch bestimmt nachhaltig den Charakter des Entwurfes. Die ungewöhnliche Größe der Elemente entstand aus dem Wunsch, eine möglichst fugenlose Fassade zu erstellen. Tatsächlich konnten augenfällige, vertikale Fugen dadurch vermieden werden, dass die Elemente nur an den Gebäudeecken in Gehrung aufeinander stoßen. Die Fenster wurden geschosshoch ausgebildet. Sie trennen ebenfalls die einzelnen Elemente voneinander. Ihr zurückgesetzter Sturz in Form eines Stahlträgers ist in der Ebene des hölzernen Fensterrahmens hinter einer gleichartigen Blende verborgen. Die beiden durchlaufenden horizontalen Fugen wurden dagegen durch einen zusätzlichen Rücksprung betont. An ihnen ist die Fußbodenhöhe des jeweiligen Geschosses ablesbar. Die Außenwand besteht aus einer zweischaligen Fertigteilkonstruktion, deren Zwischenraum mit Mineralwolle gedämmt wurde. Auch die Innenwand besitzt Sichtbetonqualität und wird entsprechend gezeigt. Von der Bauabfolge wurde zunächst die Innenwand gestellt und geschossweise mit einem Ringbalken vergossen. Auf diesen wurden die Spannbetonhohldeckenelemente des ersten Obergeschosses sowie die des Daches aufgesetzt. Da der Anbau über keinen Keller verfügt, wurde die Grundplatte des Erdgeschosses zusammen mit den Streifenfundamenten in Ortbeton erstellt.
Die obersten Fertigteile der Außenwand verfügen über einen Kopf, der über den Abschluss der Innenschale reicht. Mit nur geringem Dichtungsaufwand konnte so eine niedrige und sicher abgedichtete Attika erstellt werden.
Der Bau besitzt zwei vertikale Erschließungen: Eine interne offene Stahltreppe sowie ein zusätzliches F90-Treppenhaus, dessen Stufenfolgen ebenfalls aus Fertigteilen bestehen. Dieses dem seitlichen Haupteingang zugeordnete Treppenhaus gestattet es bei Bedarf, beide Obergeschosse separat zu vermieten. Bis auf weiteres bewohnt jedoch der Bauherr selber beide Etagen. Im Erdgeschoss residiert dessen Bauträgerfirma. Sie hat sich auf Industriehallen spezialisiert. Dabei kommen bevorzugt Betonfertigteile zum Einsatz.
Der schlichte kubische Körper übt eine gewisse formale Zurückhaltung gegenüber dem Formen- und Detailreichtum des Bestandes. Auch wurde versucht, mittels der glatten Betonfassaden des Anbaus die Homogenität der historischen Backsteinfassade mit Mitteln der heutigen Bautechnik neu zu interpretieren. So kann der Anbau auch als Weiterführung eines konzeptionellen Gedankens von 1888 begriffen werden.
Dass dieser durchaus der klassischen Moderne verpflichtete Bau darüber hinaus die Anforderungen der fernöstlichen Bauphilosophie Feng- Shui erfüllt, mag insofern überraschen, als man hier zunächst ein Prinzip unorthodoxer Ordnung vermutet, welches zwingend mit anthroposophisch angehauchten Bauformen einher geht. Tatsächlich fußt das Bauprinzip auf einer streng hierarchischen Anordnung der einzelnen Funktionsbereiche eines Hauses. Dass wiederum eine strenge und systematische Ordnung mit einem rationell geplanten Objekt harmonisiert, ist dagegen durchaus nachvollziehbar.
Interessant ist es in diesem Zusammenhang zu wissen, dass die chinesischen Kaiser einst ein Gesetz zum modularen Bauen erließen. Es regelte die zulässigen Stützweiten in Abhängigkeit vom Wohlstand der Bewohner: Kleines Raster für arme Leute, großes Raster für die Reichen. Vor diesem Hintergrund könnten die großen Spannweiten der Fertigteile als Glückwunsch der Planerin interpretiert werden, dass die Geschäfte ihres Bauherren weiterhin erfolgreich sein mögen.
Robert Mehl, Aachen
Trotz dieses außergewöhnlichen Mehraufwandes hat sich die Fertigteilkonstruktion gerechnet. In Ortbeton wäre kaum eine vergleichbar glatte und homogene Oberfläche zu realisieren gewesen. Diese jedoch bestimmt nachhaltig den Charakter des Entwurfes. Die ungewöhnliche Größe der Elemente entstand aus dem Wunsch, eine möglichst fugenlose Fassade zu erstellen. Tatsächlich konnten augenfällige, vertikale Fugen dadurch vermieden werden, dass die Elemente nur an den Gebäudeecken in Gehrung aufeinander stoßen. Die Fenster wurden geschosshoch ausgebildet. Sie trennen ebenfalls die einzelnen Elemente voneinander. Ihr zurückgesetzter Sturz in Form eines Stahlträgers ist in der Ebene des hölzernen Fensterrahmens hinter einer gleichartigen Blende verborgen. Die beiden durchlaufenden horizontalen Fugen wurden dagegen durch einen zusätzlichen Rücksprung betont. An ihnen ist die Fußbodenhöhe des jeweiligen Geschosses ablesbar. Die Außenwand besteht aus einer zweischaligen Fertigteilkonstruktion, deren Zwischenraum mit Mineralwolle gedämmt wurde. Auch die Innenwand besitzt Sichtbetonqualität und wird entsprechend gezeigt. Von der Bauabfolge wurde zunächst die Innenwand gestellt und geschossweise mit einem Ringbalken vergossen. Auf diesen wurden die Spannbetonhohldeckenelemente des ersten Obergeschosses sowie die des Daches aufgesetzt. Da der Anbau über keinen Keller verfügt, wurde die Grundplatte des Erdgeschosses zusammen mit den Streifenfundamenten in Ortbeton erstellt.
Die obersten Fertigteile der Außenwand verfügen über einen Kopf, der über den Abschluss der Innenschale reicht. Mit nur geringem Dichtungsaufwand konnte so eine niedrige und sicher abgedichtete Attika erstellt werden.
Der Bau besitzt zwei vertikale Erschließungen: Eine interne offene Stahltreppe sowie ein zusätzliches F90-Treppenhaus, dessen Stufenfolgen ebenfalls aus Fertigteilen bestehen. Dieses dem seitlichen Haupteingang zugeordnete Treppenhaus gestattet es bei Bedarf, beide Obergeschosse separat zu vermieten. Bis auf weiteres bewohnt jedoch der Bauherr selber beide Etagen. Im Erdgeschoss residiert dessen Bauträgerfirma. Sie hat sich auf Industriehallen spezialisiert. Dabei kommen bevorzugt Betonfertigteile zum Einsatz.
Der schlichte kubische Körper übt eine gewisse formale Zurückhaltung gegenüber dem Formen- und Detailreichtum des Bestandes. Auch wurde versucht, mittels der glatten Betonfassaden des Anbaus die Homogenität der historischen Backsteinfassade mit Mitteln der heutigen Bautechnik neu zu interpretieren. So kann der Anbau auch als Weiterführung eines konzeptionellen Gedankens von 1888 begriffen werden.
Dass dieser durchaus der klassischen Moderne verpflichtete Bau darüber hinaus die Anforderungen der fernöstlichen Bauphilosophie Feng- Shui erfüllt, mag insofern überraschen, als man hier zunächst ein Prinzip unorthodoxer Ordnung vermutet, welches zwingend mit anthroposophisch angehauchten Bauformen einher geht. Tatsächlich fußt das Bauprinzip auf einer streng hierarchischen Anordnung der einzelnen Funktionsbereiche eines Hauses. Dass wiederum eine strenge und systematische Ordnung mit einem rationell geplanten Objekt harmonisiert, ist dagegen durchaus nachvollziehbar.
Interessant ist es in diesem Zusammenhang zu wissen, dass die chinesischen Kaiser einst ein Gesetz zum modularen Bauen erließen. Es regelte die zulässigen Stützweiten in Abhängigkeit vom Wohlstand der Bewohner: Kleines Raster für arme Leute, großes Raster für die Reichen. Vor diesem Hintergrund könnten die großen Spannweiten der Fertigteile als Glückwunsch der Planerin interpretiert werden, dass die Geschäfte ihres Bauherren weiterhin erfolgreich sein mögen.
Robert Mehl, Aachen