Projektart:
Anfrage:
per mail ✉
Objekt:
Mercado Santa Caterina
Typ:
Markthalle
Ort:
Barcelona [Satellit]
Staat:
Spanien
Architekt:
Miralles Tagliabue EMBT 🔗, Barcelona
Materialien:
Stahl, Holz, Keramikkacheln
Publiziert:
DBZ 07/2006
Seiten:
36 - 41
Inhalt:
Sanierung einer Markthalle in Barcelona/E
Die Versorgungswelle
Mit Hilfe einer expressiven Holzkonstruktion wurde in Barcelona eine historische Markthalle saniert. Das einende Dach versammelt aber nicht nur die Verkaufsstände unter sich. Der Bau führt auch das ganze Quartier neu zusammen.
Die alte Markthalle war baufällig geworden, auch Bestand der Größenbedarf nicht mehr. Eine Markt sollte jedoch an dieser Stelle im traditionell gewachsenen Straßennetz des Altstadtviertels "La Ribera“ bestehen bleiben. Die ursprüngliche Halle entstand im 18. Jahrhundert auf den Fundamenten einer Kirche, deren Namen der Handelsort übernahm: Santa Caterina.
Der Stadtteil zerfällt seit geraumer Zeit in einen reichen Ostteil und einen armen Westen. Ursache sind die zahllosen Touristen, die tagtäglich das im Osten liegende Picasso Museum besuchen, den am meisten besuchten Kunsthort von ganz Spanien.
Der Stadtteil zerfällt seit geraumer Zeit in einen reichen Ostteil und einen armen Westen. Ursache sind die zahllosen Touristen, die tagtäglich das im Osten liegende Picasso Museum besuchen, den am meisten besuchten Kunsthort von ganz Spanien.
Das Entwurfskonzept
Mit der Sanierung der Markthalle wollten die Planer eine stärkere Interaktion zwischen den beiden Teilquartieren erreichen und den Westteil deutlich aufwerten. Dazu wurde die bisherige gen Osten gerichtete Rückseite des Marktes mit neuen Zugängen geöffnet. Sie wurden mit den vorhandenen Altstadtgassen in Bezug gesetzt. Die historische Fassade dieses Bereiches, die ohnehin durch die ehemalige Zulieferung massiv gestört war, wurde aufgeben. Nach Westen hin konnten etwa zwei Drittel der alten Umfassungsmauer gehalten werden. Sie fasst die neue, in der Größe um die Hälfte reduzierte Markthalle auf drei Seiten ein. Auf der nun zur Verfügung stehenden Restfläche wurde in drei expressiv-geometrischen Körpern eine Wohnanlage für Senioren errichtet, die großzügig von Freiräumen umgeben ist. Diese vereinigen sich in der nordöstlichen Ecke zu einem intimen Platz, der jetzt der ehemals gesichtslosen Rückseite eine markante Adresse verleiht.Unter dieser Freifläche befinden sich die erhaltenen Fundamente der im 18. Jahrhundert aufgegebenen Kirche. Gesichert und teilweise auch in den neuen Hallenbau als Bodendenkmal integriert, sollen sie in einem zweiten Bauabschnitt ästhetisch inszeniert werden.
Die Hallenkonstruktion
Das unübersehbare Anzeichen der neuen Markthalle ist das signifikante Dach, das in geschwungenen Formen über die alte nunmehr wieder in strahlendem weiß gefasste Fassade mäandert. Es ist belegt mit einer Schicht aus verschiedenfarbigen, jeweils monochromen, sechseckigen Fliesen. Dabei sollen die verwendeten Farbtöne die bunte Vielfalt eines Marktstandes wiedergeben. Die Architekten wollen es als äußeren Hinweis auf die Funktion der Halle verstanden wissen und nicht als einen trendigen Camouflagelook.In der Untersicht der Dachkonstruktion ist die Diagonalbeplankung aus Kiefernholz sichtbar. Der warme Holzton prägt auch die Atmosphäre des Hallenraumes und lässt zusammen mit den gebogenen Leimholzpfetten Anklänge an den Bauch eines Schiffes zu. Die Konstruktion der Halle fußt auf zwei parallel zueinander durchlaufenden Stahlbetonträgern. Sie teilt die Dachkonstruktion in drei ungleiche Felder – der Aufteilung einer dreischiffigen Kirche nicht unähnlich. In den deutlich schmäleren Seitenschiffen konnte die Konstruktion des alten Dachstuhls, wenn auch nicht mehr in tragender Funktion, gehalten und in die neue Struktur integriert werden.
Das Mittelschiff überspannen große, bogenförmige Stahlgitterträger, von denen die eigentliche Dachkonstruktion über zumeist unsichtbare Zugstäbe abgehängt wurde. Sie verhält sich wie ein Raffrollo zu seinem Führungsseil. Wie eine Naht durchdringt das tragende Element die in Falten zusammengeschobene Fläche und wird mal auf der Innen- und mal auf der Außenseite sichtbar. Die Verwerfungen sind jedoch nicht regelmäßig, die Architekten strebten eine mehr zufällig wirkende Anmutung an. Dieser organische Gedanke führte auch zu der blitzartigen Ausprägung der Horizontalträger unter den Tiefpunkten der Konstruktion. Obwohl durch die so entstandene mehrfache statische Unbestimmtheit ein "Mehr" an Abstützungen erforderlich war, erübrigte sich durch die viel räumlichere Gesamtkonstruktion weitgehend der Einsatz von Querkraft- und Windaussteifungen. Die Stahlgitterträger tragen die geschwungenen Pfetten. Um die engen Radien zu erzielen, wurden sie aus Leimholz hergestellt, deren Schichten jedoch parallel und nicht senkrecht zur Kraftrichtung verlaufen. So konnte schon durch die Leimung der gewünschte Bogen vorbereitet werden.
Die Sparren wiederum laufen aufgrund der sich ständig verändernden Dachform nicht durch, sondern sind abschnittsweise zwischen die Pfetten eingehängt. Dies erlaubte auch eine Reduzierung der gesamten Konstruktionshöhe. Die eigentliche Dachhaut besteht aus einer doppelten Überkreuzlattung, die diagonal auf die Unterkonstruktion montiert worden ist. Die Stärke einer einzelne Lage beträgt lediglich 1 cm. Mit stärkeren Hölzern hätte man den Krümmungen nicht folgen können. Zwischen der inneren und äußeren Doppellattung befindet sich ein Kantholz sowie eine gut 8 cm starke Dämmschicht.
Die Stände in der Halle sind nunmehr festinstallierten Einbauten gewichen. Sie folgen mit ihren spitzen Ecken dem expressiven Charakter des Bauwerkes und formen diagonale Gassen. Unmittelbar hinter der großen Schauseite im Westen schafft ein hölzerner, riegelförmiger Einbau separate Nutzflächen. Im Erdgeschoss haben sich Cafés und begehbare Geschäfte etabliert. Im Obergeschoss residiert die Marktverwaltung. Ihre Büros werden erschlossen über einen kommandobrückenartigen Laubengang, der eine umfassenden Überblick gestattet.
Die Formensprache
Dem Bau liegt die absolute Wertschätzung der Natur und die daraus resultierende Formgebung zugrunde. Das hat dieses Projekt mit der Architektur des bedeutendsten Planers dieser Stadt, Antonio Gaudi, gemein. Die Planer haben hier stilsicher den genius loci dieser Stadt erkannt und ihn in einer neuen und zeitgemäßen Formensprache fortgeführt.Robert Mehl, Aachen