Projektart:
Anfrage:
Objekt:
Maria-Lenssen Kolleg
Typ:
Berufsschule
Ort:
Mönchengladbach-Rheydt [Satellit]
Staat:
Deutschland
Architekt:
Mascke (1913); Umbau: Jensen & Görgl 🔗, M'gladbach
Materialien:
Altbausanierung
Publiziert:
bhw 12/2012
Seiten:
14 - 18
Inhalt:
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Maria- Lenssen- Berufskolleg, Mönchengladbach- Rheydt

Denkmalschutz lernen

Bei der Sanierung eines denkmalgeschützten Gebäudes muss man natürlich die geltenden Bauvorschriften einhalten Auf der anderen Seite soll der bautypische Charakter erhalten bleiben. In Mönchengladbach wurde nun eine Schule so instand gesetzt, dass beidem vorbildlich Rechnung getragen wurde.
Maria Lenssen gründete 1870 das in unserer Zeit nach ihr benannte Berufskolleg zur „Förderung der weiblichen Jugend in den Nadelarbeiten“. Es ist eine Fachschule, die drei Berufsausbildungen anbietet: Mode, Sozial- und Gesundheitswesen. Schon 1902 wurde die Schule verstaatlicht und erhielt im Zuge dessen 1913 ein neues Hauptgebäude, das noch heute den Kern eines vierteiligen Ensembles bildet.
Die Pläne hierzu erstellte ein Rheydter Stadtoberinspektor namens Mascke, über den man aber nur wenig weiß. Das Hauptgebäude kann als Bau zwischen ausgehendem Klassizismus und der aufkommenden Neuzeit in all seinen Ausprägungen betrachtet werden:
Auf seiner nördlichen, der Straße zugewandten, repräsentativen Hauptfassade finden sich noch neobarocke Details, während sein Inneres – vor allem die langen Flure – eindeutig dem Jugendstil zuzuordnen ist. Die Rückseite dagegen, die sich einem kleinen Privatpark zuwendet, muss eindeutig der „Neuen Sachlichkeit“ zugerechnet werden, also jenem Stil, der seinen Ausgang bei den englischen Landhäusern nahm und eine rasche Verbreitung in ganz Europa fand.
Die gesamte Schule besteht aus vier Gebäudeteilen, jedoch betraf die Sanierung nur das Hauptgebäude. Das ortsansässige Büro von Ulrike Görgl und Reiner Jensen wurde mit der Durchführung beauftragt. Sie hatten vor allem in Mönchengladbach bereits ihre Kompetenz für denkmalgerechte Sanierungen unter Beweis gestellt, indem sie verantwortlich waren für die Instandsetzung des dortigen Museums Abteiberg. Letzteres ist zwar deutlich jünger, nämlich „nur“ von 1982. Es gilt aber als eine Inkunabel der Architektur, womit bauliche Eingriffe jeder Art als deutlich sensibler und damit auch als schwieriger zu bewerten sind.
Außensanierung
Infolge der fast 100jährigen Standzeit des Maria- Lenssen- Berufskollegs waren sowohl die Außenwände wie auch das Dach vor allem durch Feuchtigkeit stark angegriffen. Auch war die straßenseitige Stuckfassade mit Efeu zugewachsen. Sie musste davon erst einmal befreit werden, bevor Sachgutachter die Schäden aufnehmen und kartieren konnten. Es folgte eine behutsame Sanierung der Außenhaut, bei der nicht mehr zu rettende Stuckelemente von einem Stuckateur nachgebildet und neu eingesetzt wurden.
Charakteristisch für die dem Park zugewandte Rückseite sind die zahlreichen Vor- und Rücksprünge der Wandfläche, die typisch für die „Neue Sachlichkeit“ sind. Dabei ist der eigentliche Putz der Wandfläche weitgehend schmucklos und schlicht, weshalb die alte, baufällige Substanz abgeschlagen werden konnte. Ersetzt wurde sie durch einen 4 – 5 cm starken Wärmedammputz, der mit Styroporkugeln angereichert ist.
Die alten Dachziegel hingegen waren so marode, dass sie von den Handwerkern komplett ersetzt werden mussten. Die Dachdecker verbauten mit dem Modell Limburg der Firma Röben hierfür einen Hohlfalz- Verschiebeziegel. Der Dachstuhl blieb jedoch weitgehend erhalten. Hierzu besserten die Zimmerleute die schadhaften Stellen punktuell aus oder doppelten geschwächte Hölzer auf.
Weitgehend ersetzt wurden dagegen alle Außenfenster, die zudem ungedämmt waren. Die neu eingebauten Fenster sind ebenfalls aus Holz und entsprechen ihren Vorgängern in Größe, Einteilung und Sprossung. Dem Stand der Technik entsprechen die heutige Rahmenprofilierung sowie die Verwendung von Isolierglas. Aber auch den Wünschen der Denkmalpflege wurde Rechnung getragen: Im gartenseitigen, ungeheizten Treppenhaus wurden zwei alte Fenster sorgfältig aufgearbeitet. Sie dienen als In-situ- Belege des ursprünglichen Bestandes.
Brandschutz trotz Holzvertäfelung
Mühsam und viel Aufwand erforderte der Erhalt des Flurmobilares unter Beachtung des Brandschutzes. Charakteristisch für alle Geschosse ist eine durchgehende Flucht von Schülerspinden, die in die überkopfhohe Holzvertäfelung integriert sind. Eigentlich ist die Holzverkleidung eines Fluchtweges, was ein Flur immer ist, heute nicht mehr genehmigungsfähig und in den ersten Überlegungen sollte sie auch entfernt werden.
Als ein Segen für das Gebäude erwies sich jedoch der intensive und lösungsorientierte Austausch zwischen Architekten, Denkmalamt und Brandschutzbehörde. Der gefundene Kompromiss erkennt an, dass sowohl die Holzvertäfelung wie auch die Spindtüren nicht aus Furnier-, sondern aus Massivholz bestehen, womit sie als schwer entflammbar eingestuft werden können. Allerdings sind die Spinde fortan dauerhaft ungenutzt zu verschließen und ihre aufwändig gedrechselten Belüftungsschlitze waren von hinten mit einer hölzernen Blende zu versiegeln. Es musste unmöglich sein, dass jemand dort etwa eine brennende Zigarettenkippe hineinwirft.
Eine vergleichbare Lösung wurde für die Glasvitrinen in den großzügigen Treppenhausfoyers gefunden. In diesen dürfen nunmehr nur noch unbrennbare Gegenstände gezeigt werden – insbesondere kein Papier und auch kein Stoff. Dies ist zugegebenermaßen etwas unbefriedigend für eine Modeschule, aber nicht zu ändern.
Sitzgelegenheiten konnten in diesen Geschossfoyers aufgestellt werden, sofern sie nicht brennbar waren. So wurden entsprechend feuerfeste Sofasitzgruppen für jedes der drei Geschosse angeschafft. Dies war durchaus ein nicht gerade kostengünstiges Ausbaudetail, wie die Architektin Ulrike Görgl anmerkt. Günstiger waren hingegen die neuen Sitzecken auf der anderen Seite des etwa über 30 m langen Flures. Sie bestehen genauso wie die Wandvertäfelung aus schwer entflammbarem Massivholz, ihre Füße sind mussten zudem am Boden festgeschraubt werden, damit sie im Alarmfall nicht den Fluchtweg versperren können.
Akzente setzen mit Brandschutztüren
Natürlich musste das Gebäude in Brandabschnitte aufgeteilt werden. Ferner galt es die vorhandenen Treppen als Fluchtwege auszubauen und dafür diese vom restlichen Gebäude baulich zu trennen. Bewusst planten Görgl und Jensen die erforderlichen Brandschutztüren nicht direkt in die Achse der als Brandabschnitt festgelegten Gebäudetrennwand, sondern etwas davor. Sie legten, wie auch das Amt für Denkmalpflege, Wert auf den Erhalt der hier vorhandenen historischen Bogenstellungen. Denn wenn in die Rundung im oberen Drittel ein Oberlicht hätte eingepasst werden müssen, wäre jener Durchgang vollkommen entstellt gewesen. Platziert wurden nun die doppelflügeligen Türen aus Brandschutzglas knapp davor. Der alte Bogen im Sturzbereich ist weiterhin einseitig frei erkennbar, von der anderen Seite wird er jedoch wie ein Kunstobjekt inszeniert: Das festverglaste Brandschutztüroberlicht lässt dieses Jugendstildetail wie in einer Vitrine erscheinen. Den Abstand dazwischen wählten die beiden Architekten so, dass das gläserne Türblatt genau durch den Durchgang hindurch aufschlägt und bündig mit dessen gegenüberliegender Putzaussenkante abschließt, was diese Leibungen ebenfalls zu Objekten aufwertet.
Mit einem konstruktiv vergleichbaren Detail wurde auch das kleine Nebentreppenhaus zu einem feuersicheren Fluchtweg ausgebaut. Glastüren ersetzen nunmehr die bisherigen „Tapetentüren“, die früher in die durchlaufende Flurvertäfelung integriert waren. Sie konnten aufgrund ihrer Unauffälligkeit, aber auch wegen mangelnder Feuerhemmung, nicht bleiben.
Grundsätzlich gilt für alle im Schulkolleg verwendeten, gläsernen Brandschutztüren die Auflage, dass sie der Anforderung RST genügen müssen. Im ersten Obergeschoss sind die Auflagen sogar noch höher. Hier mussten die Türen sogar die Klasse T30 RS besitzen, denn diese Etage gilt als Büroebene mit einer intensiveren Nutzung.
Historische Farbfassung
Ein Restaurator konnte über behutsame Untersuchungen die Abfolge von verschiedenen im Gebäude vorhandenen Farbfassungen nachweisen. Für Besucher nachvollziehbar angelegt finden sich heutzutage diese so genannten Befundtreppen in den Fluren. Sie wurden hinter Glasscheiben arrangiert und erscheinen wie abstrakte Gemälde. Der Restaurator stellte einen geschossweisen Farbwechsel fest und die beiden Planer entschlossen sich in Absprache mit dem zuständigen Amt, die allererste Farbfassung der Flure wiederherzustellen. Als Bodenbelag wählte man ein farblich passendes monochromes Linoleum. Obwohl auch in den Klassenzimmern die ursprüngliche Ausgestaltung belegt werden konnte, entschloss man sich hier jedoch der schulischen Nutzung entsprechend für weitgehend weiße Wände. Lediglich ein dunkler Begleitstrich in Kopfhöhe verweist vage auf das ursprüngliche Dekor. Die Maler verwendeten in den Klassenräumen und an den anderen stark beanspruchten Wänden Latexfarben. Dagegen strichen sie alle Decken und die farbigen Bereiche oberhalb der Flurvertäfelungen mit einer offenporigen Silikatfarbe.
Aula
Im Dachgeschoss befindet sich eine beeindruckende Schulaula. Sie wird von einem kassettierten Tonnengewölbe überdeckt, deren quadratische Segmente früher einmal nackte Glühbirnen zur Saalbeleuchtung aufnahmen. Das Ganze ist eine stuckverblendete Rabitzkonstruktion, die mit unzähligen Spanndrähten spinnennetzartig an den unmittelbar darüber verlaufenden Dachpfetten und -sparren fixiert ist. Diese Metallverbindungen wurden allesamt ersetzt. Da das Dach schon immer und auch weiterhin vollkommen ungedämmt ist, war es jedoch erforderlich, das restaurierte Tonnengewölbe an seiner Außenseite zusätzlich zu dämmen. Aufgrund der Abspannkonstruktion war es aber den Trockenbauern nicht möglich, mit herkömmlichen Matten aus Glas- oder Steinwolle zu arbeiten. Deshalb entschlossen sich die beiden Architekten für ein Beflocken des Gewölbes mit granulierter Mineralwolle. Dabei wurde Rockwool RG WLZ 0,40 eingeblasen und die entstandene Oberfläche hinterher mit einer Sprühklebetechnik leicht fixiert.
Haustechnik
Schon mit seiner Erbauung besaß das Kolleg eine kohlebefeuerte Zentralheizung auf Warmwasserbasis und verfügte auch über sanitäre Anlagen. Natürlich mussten alle Leitungen erneuert und der aktuelle Heizbedarf mitsamt den erforderlichen Radiatoren neu berechnet werden. Die Flure erhielten Sonderausführungen von metallfarben lackierten, übermannshohen Rippenheizkörpern, die Klassenräume hingegen Flachheizkörper in den Fensternischen. Um diese jedoch vollständig zu verblenden und um einen bündigen Abschluss mit den Innenwänden zu erzielen, wurden auch diese auf Maß angefertigt. Die neuen Leitungen für Strom und EDV werden in jedem Klassenzimmer jetzt durch zwei aufgesetzte Bodenkanäle geführt, welche entlang der Außenwände verlaufen. Gespeist werden Sie über zwei unterschiedliche Schächte: Der Strom läuft über einen bauseits vorhandenen Versorgungsschacht in der Nähe des kleinen, parkseitigen Fluchtreppenhauses, während die moderne Datenautobahn ihren vertikalen Weg durch einen ehemaligen Speisenaufzug nimmt.
Fazit
Architekten sind häufig bestrebt, ihrem Werk einen individuellen Stempel aufzudrücken. Die Projekte von Ulrike Görgl und Reiner Jenssen sind daran erkennbar, dass sie sich selber vollkommen zurücknehmen und es schaffen, der ursprünglichen Planung zu neuem Glanz zu verhelfen.
Robert Mehl, Aachen
http://www.bauhandwerk.de