Projektart:
Anfrage:
Objekt:
Typ:
Pavillon
Ort:
Staat:
Deutschland
Architekt:
Fachgruppe coDE 🔗, TH Lübeck
Materialien:
3D-Druck von Beton
Publiziert:
Beton Bauteile 2025
Seiten:
146 -151
Inhalt:
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Hexastone- Pavillon der TH Lübeck in Kiel/D

Robotische Baukultur

Die Fachgruppe coDE des Fachbereichs Bauwesen der TH Lübeck stellte einen Forschungspavillon vor, der aus 102 gedruckten Betonelementen bestand, materialreduziert ausgeführt war und ohne jede Bewehrung auskam. Im Sommer 2024 war er temporär vor dem Kieler Landeshaus aufgebaut.
Im Sommer 2024 wurde im Kieler Landeshaus, dem Sitz des Landtags von Schleswig- Holstein, die Ausstellung „Robotische Baukultur. Ein Blick in die Zukunft der Baukunst“ gezeigt. Sie war Teil der dort präsentierten Reihe „Kulturland Schleswig- Holstein“. Dabei waren die wasserempfindlichen Exponate und Schautafeln im Obergeschoss des historischen Altbaus aufgebaut, das Schwergewicht der Ausstellungsobjekte, der Hexastone- Pavillon befand sich jedoch im öffentlich zugänglichen Freigelände. Bei den gezeigten Objekten handelte es sich um studentische Arbeiten der Fachgruppe coDE der TH Lübeck. Diese ist im Fachbereich Bauwesen angesiedelt und besteht aus den Lehrstühlen Digitales Entwerfen von Prof. Dr.-Ing. Benjamin Spaeth und Digitales Konstruieren von Prof. Dr.-Ing. Michael Herrmann.
Landtag und Betonpavillon
Das zentrale Indoor- Exponat ist eine sphärisch gekrümmte Gitterelementwand, 1:1-Segment eines Biopolymer- Pavillons, das aus einem neuartigen Holzrecycling- Baustoff besteht. Es stand an zentraler Stelle im Foyer des Obergeschoss und war umgeben von zahlreichen Architekturmodellen, Schautafeln sowie einer interaktiven Augmented- Reality- Präsentation. Der im Außenbereich aufgestellte Hexastone- Pavillon besteht aus 102 gedruckten Betonelementen und wurde 2023 erstmals auf der Messe Nordbau in Neumünster gezeigt. Aufgebaut war dieses Exponat in Kiel unmittelbar rechts neben dem Haupteingang im Altbauflügel des Landtages. Dieser Gebäudeteil ist eine 1888 errichtete, ehemalige Marineakademie des deutschen Kaiserreichs, die – erstaunlich für die damalige Zeit – sogar über eine Zentralheizung verfügte, welche noch bis weit nach dem Zweiten Weltkrieg ihre Dienste tat. Seit 1950 ist der Bau bereits Sitz des Landtages von Schleswig- Holstein, der 2003 noch einen gläsernen Anbau erhielt. Dieser ist in der Gebäudemitte an der Uferseite der Kieler Förde angefügt und nimmt den neuen Plenarsaal auf. Er wurde von dem Hannoveraner Architekten Anja Brüning und Wolfgang- Michael Pax entworfen.
Hängemodell
Die konstruktive Idee des Hexastone- Pavillons überführt den klassischen Gewölbebau in das heutige, digitale Zeitalter. Er kommt vollständig ohne Bewehrungselemente aus. Die zugrundeliegenden, statischen Überlegungen basieren auf einem Hängemodell (Katenoide), mit dem etwa auch der berühmte Baumeister Antoni Gaudí bei seinen Entwürfen für die Sagrada Família gearbeitet hat. Dabei wird ausgenutzt, dass die Wirkung von Druck- und Zugkräften diametral entgegengesetzt ist. Der Kräfteverlauf bei einem Gewölbe kann dadurch simuliert werden, dass man Seile, die an Fundamentpunkten einer umgedrehten Grundplatte befestigt sind, entsprechend kopfüber nach unten hängen lässt. Die Bögen, die diese hängenden Seile dann beschreiben, entsprechen der idealen Krümmung eines Gewölbes mit den entsprechenden Drucklasten. Vor diesem Hintergrund kann ein Gewölbe, wie etwa dieser Hexagonal- Pavillon, ausschließlich aus losen, kachelförmigen Steinen zusammengefügt werden, solange diese nur der Seillinie des Hängemodells folgen.
Entwurfskonzept
Um kraftschlüssig aneinandergestoßen zu werden, mussten die sechseckigen Steine keilförmig ausgeführt werden, was bedeutet, dass die Innenfläche geringer als die Außenfläche ist. Die Dimensionsberechnungen von Prof. Michael Herrmann ergaben, dass für die geplante Gewölbegröße eine Schalendicke von 5 cm ausreichend wäre, sich für eine optimale Kraftübertragung von Stein zu Stein jedoch eine Stoßhöhe von 10 cm empfiehlt, weshalb er eine kassettenartige Ausbildung der hexagonalen Steine vorsah. Die Ausführung basiert auf der Idee, nur dort Material einzusetzen, wo es strukturell erforderlich ist. Stellvertretend könnte dieses Konzept auch für eine strategische Materialwahl stehen, dass also Zug- und Druckkräfte im Sinne der Nachhaltigkeit aus verschiedenen Stoffen ausgeführt werden. Grundsätzlich hätten die sechseckigen kachelförmigen Steine mit einer einheitlichen Kantenlänge ausgeführt werden können. Man entschied sich jedoch aus formalen Gründen für eine asymmetrische Ausführung, legte manuell eine entsprechende Störung des Musters fest und ließ diese über die Finite- Elemente- Methode durch Computer berechnen. Auf diese Weise entstand ein Gewölbeentwurf aus besagten 102 Einzelsteinen, bei denen keiner einem anderen entspricht. Hierin findet sich die planerische Idee einer robotischen Baukultur wieder, da das Gewölbe eben nicht seriell gefertigt, sondern individuell durch einen computergesteuerten 3D- Drucker an einem Roboterarm erstellt wurde.
Mathematische Parkettierung
Der 3D- Druck besitzt den großen Vorteil, dass es für einen Roboter unerheblich ist, ob er unzählige Male dasselbe Werkstück oder beliebig viele unterschiedliche Teile produzieren soll. Die Druckdüse extrudiert einen beliebig verlaufenden Betonstrang, der stehend auf einer Bodenplatte beliebig in die Höhe gezogen werden kann. Diesen Vorteil machten sich die Planer für das Basiskonzept der kachelförmigen Segmente zunutze: Denn anders als man erwarten würde, besitzen diese keine sphärisch gekrümmte Oberfläche, sondern sind vollkommen flach – entsprechend dem Untergrund, auf dem sie gedruckt wurden. Übertragend könnte man sagen, dass die Kuppel aus einem räumlichen Polygon besteht. Mathematisch ausgedrückt ist dies eine Parkettierung einer euklidischen Ebene. Der enorme Vorteil des 3D- Drucks kam bei den Seitenflanken in Form der sechseckigen Kacheln zur Anwendung: Diese wurden eben nicht lotrecht angelegt, vielmehr sind die Sechsecke keilförmige Steine, deren jeweilige Flankenneigung sich aus der individu-ellen Steinfigur ergab und effektiv bei jeder Seitenkante unterschiedlich war. Dies konnte problemlos von dem 3D- Druckroboter ausgeführt werden. Um den großen Nachteil eines Betondrucks, die geschichteten Materialwürste, zu kompensieren, wurden die sich ergebenden Stoßfugen zwischen den hexagonalen Steinen mit dem Sika- Mörtel MonoTop-412 DE kraftschlüssig verfugt. Für die spätere Demontage war diesem das Sika- Trennmittel NB 100 vorausschauend beigegeben. Möglich wurde diese Konstruktion, wie erwähnt, weil die Pavillonschale ausschließlich auf Druckbelastungen ausgelegt ist, was ihren späteren Rückbau in besonderer Weise begünstigt.
Design für Demontage
Grundsätzlich wurde bei der Planung des Hexastone- Pavillons bereits dessen problemlose Demontage mit konzipiert. Dieses „Design for Disassembly“ reduziert nicht nur den Abfall, sondern demonstriert auch einen nachhaltigen Ansatz für das Bauen. Errichtet wurde der Großdemonstrator mit Hilfe eines hölzernen Lehrge-rüstes, dessen Ausführung das konstruktive Rückrad der Montage bildet. Es besitzt drei nicht selbstverständliche Eigenschaften:
• Es weist individuelle Fixierungen für die durchnumme-rierten Hexagonalsteine auf. Die jeweiligen Positionsnummern sind einfach mit Klebeband auf den Steininnenseiten vermerkt.
• Das Lehrgerüst kann einfach abgesenkt und angehoben werden. Dann wird die Pavillonschale nach dem Aushärten des Mörtels überhaupt erst unter Traglast gesetzt.
• Für eine zerstörungsfreie Demontage muss hingegen das Lehrgerüst erneut unter der Schale aufgestellt und beides zusammen leicht angehoben werden. Nun liegen keine Druckkräfte an den einzelnen Betonsteinen mehr an, und der klebefreie Mörtel erlaubt eine zerstörungsfreie Trennung der Steine.
Trag- und Verkehrslasten
Grundsätzlich wird das Eigengewicht des Pavillons beziehungsweise werden die nach außen strebenden Querkräfte von drei handelsüblichen Betonquadern aufgenommen, die oft als temporäre Straßenabsperrungen anzutreffen sind (Beton- Legosteine). Diese massiven Elemente reichen jedoch nicht aus, um zusätzliche Verkehrslasten aufzunehmen. Wenn also der Pavillon leichtsinnigerweise von Unberufenen erklommen würde, würde die Konstruktion kollabieren. Um dies zu unterbinden, wurde an der Basis ein System aus drei radialen Zugseilen angelegt, die mittig in Bodennähe aufeinandertreffen. Dieses Knotendetail besteht aus einer runden Stahlscheibe, an der die drei Stahlseile mit verbolzten Ösen fixiert sind.
Ausführung
Die Ausführung des 3D- Betondrucks erfolgte mit Sikacrete-751 3D, einem nicht beschleunigten 1 K- Druckmörtel. Gedruckt wurde mit einem düsennahen 2-Komponenten- Druckkopf, der die Druckqualität beim Drucken von 1 K- Materialien verbessert und hochwertige wie auch gleichmäßige Drucklinien ergibt. Der Druckmörtel wurde von der in Stuttgart ansässigen Sika Deutschland GmbH geliefert, einer Tochtergesellschaft der im schweizerischen Baar ansässigen Sika AG. Gedruckt wurden die sechseckigen Betonsteine bei Vertico in Eindhoven, einem von Volker Ruitinga betriebenen Betondruckdienstleister. Die Firma hat auch die Fassadenverschattungselemente produziert, die die TU Eindhoven in Kooperation mit Neutelings Riedijk Architects aus Rotterdam ent-wickelt hat. Über diese berichten wir an anderer Stelle in diesem Jahrbuch. Beide Projekte wurden bei Vertico von Kees Leemeijer betreut. Unabhängig voneinander wurden sie der Redaktion zur Veröffentlichung angetragen. Es ist bemerkenswert, wie überschaubar die Welt des Betondrucks derzeit noch erscheint.
Robert Mehl, Aachen
http://www.bft-international.com