Projektart:
Anfrage:
Objekt:
Heliport an der Universitätsklinik
Typ:
Hubschrauberlandeplatz
Ort:
Aachen [Satellit]
Staat:
Deutschland
Architekt:
Materialien:
Stahl
Publiziert:
Metallbau 03/2013
Seiten:
5 - 9
Inhalt:
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Heliport am Klinikum Aachen

„Sich öffnende Hand“ auf Stahlkonstruktion

Bislang wurden am Klinikum Aachen eingeflogene Notfallpatienten aus dem Hubschrauber in einen Krankenwagen umgebettet und mit diesem 200 m bis zur Notaufnahme im Untergeschoss gefahren. Das kostete zu viel lebensrettende Zeit. Die neue, quasi direkt über dem Haupteingang „schwebende“ Landeplattform verkürzt die Ankunftszeit nun auf rekordverdächtige 46 sec.
Ein Landeplatz auf dem Dach des mehr als achtgeschossigen Klinikums war vollkommen ausgeschlossen. Die Grundrisse eines der größten Krankenhäuser Europas, das in nur einem Bauwerk untergebracht ist, ließen das nicht zu. Zudem steht das Gebäude unter Denkmalschutz. Es gilt zusammen mit dem Centre Pompidou in Paris als zentraler Vertreter der „technischen Moderne“ und seine markante Silhouette ist zwingend zu erhalten. Ausgeschrieben in einem kleinen Architektenwettbewerb war ein separates Landebauwerk für Hubschrauber in unmittelbarer Nähe zum Haupteingang, um die sich direkt darunter befindliche Notaufnahme schneller zu erreichen. Neben der erhofften Zeiteinsparung sollte die gesuchte Lösung aber alle bisherigeren Nutzungen dieses Bereiches (Patienten-/Besucherzugang, Feuerwehrzufahrt, Bushaltestelle) weiterhin sicherstellen und musste natürlich auch allen luftfahrtrechtlichen Bestimmungen entsprechen (Sicherheitsabstände etwa zum Gebäude, zu Passanten sowie zulässige Rotorenwinde). Diesen Wettbewerb konnten Anna- Marie und Marcin Oraviec vom Aachener Architekturbüro OX2 mit dem Konzept einer „sich öffnenden, flachen Hand“ für sich entscheiden. Die Architekten überzeugten die Preisjury mit dem Gedanken, dass man dem skulptural erscheinenden Klinikum nur etwas genauso Bildhaftes entgegensetzen könne. Für die schnelle und barrierefreie Überwindung des 12 m großen Höhenunterschiedes schlugen sie einen Schrägaufzug vor.
Konstruktive Anforderungen
Für die Entwicklung eines statischen Konzeptes, wie für die konstruktive Umsetzung zeichnete die Aachener Planungsgesellschaft Draheim Ingenieure verantwortlich. Vorgabe war, dass die Plattform einem 12 t schweren Hubschrauber der Kategorie K3 (alter Armeerettungshubschrauber) Platz zur Landung bieten muss, während gleichzeitig ein leichterer, nur 6 t schwerer Helikopter der Kategorie K2 (z.B. ADAC- Hubschrauber) darauf parkt. Gleichzeitig musste der Brandschutz sichergestellt sein und es galt das Tragverhalten in Simulationen zu prüfen, wenn etwa ein Bus direkt unter der Plattform brennt oder wenn gar ein Hubschrauber auf die Plattform abstürzt und dann Feuer fängt. Zudem liegt Aachen in der Erdbebenzone 3, der höchsten von Deutschland, und natürlich war das Landebauwerk auch dagegen zu sichern. Schließlich gab es einen sehr engen Zeitplan, der nur 14 Monate für die Errichtung vorsah. Das Ingenieurbüro rechnete mehrere grundsätzliche Bauvarianten des Entwurfes durch und schlug dann die nunmehr realisierte Version aus Stahlplattform und entsprechender Unterkonstruktion sowie einer Betonhalbröhre für den erschließenden Schrägaufzug vor.
Schrittweiser Bau in Superposition
Der überaus expressive Entwurf des Landeplatzes erschwerte eine langsam wachsende und dabei in sich stabile Errichtung. Tatsächlich ist der Bau so ausgelegt und gerechnet, dass er sich erst mit Vollendung seiner gesamten Rohbaukonstruktion selbst trägt. Im Grunde müssen die den Aufzug beinhaltende Schräge, die Plattform und die jene tragenden V-förmigen Stützen zusammen als biegesteifer Rahmen betrachtet werden. Verkompliziert wird das statische Gefüge durch den Umstand, dass die Landeplattform um 37 m über die rechnerische Vertikalachse des Stützenpaares auskragt. Bildlich gesprochen heißt dies, dass die stählerne Plattform für sich genommen schon im unbelasteten Zustand nur deshalb nicht zur Straße hin umfällt, weil diese von der geneigten Erschließungsröhre gehalten wird. Dort ist sie biegesteif mit Baustellenschweißnähten an eine 40 x 400 mm messende Zuglasche angeschweißt, welche wiederum in deren trogartige, aus Betonfertigteilen bestehende Unterhälfte eingelassen ist.
Für die Bauzeit errechneten die Statiker 15 Superpositionszustände, also konstruktive Überhöhungen, die sich erst mit dem Einbringen von weiteren, planmäßigen Auflasten zu ihrer vorgesehenen, endgültigen Position „durchgebogen“ haben. Es wurde mit drei Hilfsgerüsten gearbeitet, zwei unterstützten seitlich die Plattform, eine diente zur Unterstützung der Betonkonstruktion. Mit dem Stoßen von Plattform und Schräge entfielen zwar die äußeren beiden Stützgerüste, bedingt durch die enorme Auflast des Betontroges entstand jedoch auf der anderen Seite der T-förmigen Plattformkonstruktion eine beachtliche, nach oben gerichtete Zugkraft. Letzterer wurde durch im Boden gesicherte Absspannseile entgegengewirkt. Erst mit dem erwähnten Verschweißen von Plattform und Schräge wurde eine statisch stabile Situation geschaffen, die es zuließ, sowohl das letzte Gerüst unmittelbar darunter, wie auch die sichernden Stahlseile zu entfernen.
Stahlbau
„Alles was in der Schlosserei geschweißt und vorbereitet werden konnte, wurde dort gemacht. Vor Ort wurde eigentlich nur noch geschraubt – bis auf den zentralen Zuglaschenanschluss“ führt Christof Draheim aus. Generalunternehmer des Projektes war die stahl + verbundbau GmbH aus Dreieich, welche die Planer bei der baulichen Umsetzung zudem noch mit konstruktions- und kostenoptimierenden Impulsen vorbildlich ergänzte.
Die stählerne Landeplattform baut sich aus zwei V-förmig zueinander orientierten, mannshohen Kastenträgern auf, zwischen denen und über die hinaus 22 Fachwerkträger quer gespannt sind. Während die mittleren Segmente, als Einfeldträger eingestuft und berechnet werden konnten, waren die äußeren Träger als Kragarme einzustufen. Als statisch günstig empfahl sich das horizontale V in der Anordnung der beiden Hauptträger: so entstand kein statisch instabiles Trägergitter, vielmehr steift sich die Plattformkonstruktion letztlich selber aus. Die beiden Hauptträger wurden als Gangfachwerke ausgelegt, dabei wird der westliche als Medienkanal genutzt, der östliche dagegen als zweiter Fluchtweg. Während die Gangfachwerke aus HEM300-Gurte der Güte S355 bestehen, wurden die quer liegenden Nebenfachwerke aus HEA260-Gurten der Güte S235 angeordnet. Die darauf aufliegende Plattformfläche erstellten die Metallbauer aus Verbundblechen des Typs Super Holorib (51/150), auf die sie nach Montage eine insgesamt 21 cm starke, natürlich bewehrte, aber dehnungsfugenfreie Aufbetonschicht aufbrachten. Verbaut wurden ca. 325 t Profilstahl, das Eigengewicht der eigentlichen Plattform beträgt mit 630 t fast das Doppelte.
Einhüllung
Die Einhüllung des Heliports, insbesondere die schuppenartige Verkleidung der geneigten Zugangsröhre, führte die Radabau GmbH (Erzhausen/Darmstadt) aus. Sie besteht aus 240 im Siebdruckverfahren bedruckten Alucobondtafeln, die in vier verschiedenen Grüntönen schimmern und die unter Berücksichtigung der zu erzielenden Farbstreifenwirkung fachgerecht montiert werden mussten. Da aus Brandschutzgründen ausschließlich Elemente der Baustoffklasse A gefordert waren, verbauten die Monteure 4 mm starke Elemente. Besonders anspruchsvoll war für die Handwerker schon der Unterbau der Außenschale, denn diese bildete die wasserführende Schicht der Fassadenkonstruktion, da diese in geschuppter Form ausgeführt wurde und deshalb auch offene, vertikale Fugen aufweist. Auf diese Weise unterband man konstruktiv ein unschönes, seitliches Abtropfen des Regenwassers. Dessen Ableitung erfolgt nun in einer am Übergang zur Betonkonstruktion installierten Rinne.
Konstruktiver Brandschutz
Bedingt durch seine 12 m hohe, freistehende Lage und die 21 cm starke Aufbetonschicht der Plattform konnte problemlos die Standsicherheit des Heliports im Brandfalle nachgewiesen werden. Erwähnung finden sollte noch der zweite Fluchtweg: Ein Tunnel, der direkt von der Landeplattform über eine horizontale Einstiegsluke zugänglich ist. Sollte ein Hubschrauber Feuer fangen und den regulären Weg versperren, kann so unter der Landeplattform hinweg durch das schon erwähnte, östliche Gangfachwerk dieselbe verlassen werden. Man gelangt nun zwar ebenfalls zu dem röhrenartigen Zugangsbauwerk, jedoch an dessen östliche Seite, wo ein zweiter Treppenlauf nach unten führt. Dieser Abgang ist von der deutlich größeren Westseite der geneigten Röhre, in der sich eine weitere seitliche Treppe sowie der zentrale Schrägaufzug befinden, vollkommen baulich getrennt. Selbst eine feuerfeste Verbindungstür findet sich nicht in dieser von oben nach unten durchgehenden und somit über 40 m langen F90-Wand.
Fazit
Zweifellos hat der neue Hubschrauberplatz das Lebensrettung erleichtert. Allerdings darf auch festgestellt werden, dass die Verwendung des Stahls die Konstruktion nicht unerheblich leichter machte. Zudem wäre eine so bemerkenswert smarte Integration eines Fluchtweges in ein statisch ohnehin erforderliches Gangfachwerk, etwa in einer alternativen Betonkonstruktion, kaum möglich gewesen.
Robert Mehl, Aachen