Projektart:
Anfrage:
Objekt:
Estádio Governador Magalhães Pinto
Typ:
Fußballstadion
Ort:
Belo Horizonte [Satellit]
Staat:
Brasilien
Architekt:
Materialien:
Stahlbeton
Publiziert:
Beton Bauteile 2015-1
Seiten:
8 - 9
Inhalt:
[Artikel]  [2]  [3]      
 

Ein Interview mit Martin Glass, gmp Architekten

Fertigteile sind am sinnvollsten

 
Der Staat Brasilien legte großen Wert auf eine nachhaltige Bauweise der Stadien. In Manaus lag das Betonfertigteilwerk unmittelbar neben der Baustelle. Gibt es Berechnungen, inwieweit sich der »Grüne Fußbadruck« des Stadionbaus dadurch verbessert hat?
Es gibt diese Berechnungen, die ja grundsätzlich für den Bau aller Stadien in Brasilien zu erstellen waren, leider nicht in Bezug auf einzelne Bauteile. Wir gehen aber davon aus, dass dies sicher nicht zum Nachteil war. Allerdings war die direkte Nachbarschaft zum einzigen Betonwerk Amazoniens nicht der entscheidende Grund, das Stadion jetzt genau dort zu bauen.
Weshalb entschieden Sie bei Belo Horizonte, einem »Bauen-im- Bestand- Projekt«, die neuen unteren Ränge als Fertigteile unter den Bestand zu schieben?
Dieses »Darunterschieben« rührt vor allem daher, dass wir den alten Oberrang erhalten wollten, und natürlich, um den so gewonnenen Raum für Funktionen zu nutzen, die man dort unterbringen konnte. Es gibt ja zudem hier die Situation, dass das alte Stadion eine umlaufende Leichtathletikbahn hatte und daher einen deutlich größeren, ebenen Spielfeldbereich aufgewiesen hat.
Mit dem neuen Unterrang mussten wir letztlich zwischen dem neuen, an dem engeren, rechteckigen Spielfeld orientierten Zuschauerrund und dem Oval des Bestandes, welches deutlich kreisförmiger war, vermitteln. Aufgrund der Überlagerung von Oval und »weniger Oval« sind die Übergänge zwischen Ober- und Unterrang an den Torseiten relativ weit weg, in den Winkelhalbierenden haben wir sowas wie eine durchgehende Steigung und an den Seitenlinien gibt es eine Totalüberlagerung.
Haben Sie jetzt nur die Zahnbalken an den Bestand angesetzt und die Bereiche direkt unter dem alten Oberrang mit Ortbeton vergossen?
Nicht alles! Stützen Zahnbalken und Decken des Unterrangs sind aus Ortbeton. Die Tribünenstufen des Unterrangs sind Fertigteile. Beim umgebenden Podium sind allerdings auch Stützen, Unterzüge und Decken Fertigteile. Sie können sich ja vorstellen, dass so bei den Überschneidungen spannende Geometrien entstehen, wenn das eine eher rund und das andere eher eckig ist. Hier war insbesondere eine hohe Bauteilpräzision von großem Vorteil.
War das der einzige Vorteil dieser Bauweise?
Es ist so, dass Betonfertigteile mit Abstand die sinnvollste Konstruktionsweise sind, mit der man solche Stadien bauen kann. Deshalb sind ja auch Manaus und in Brasilia die Tribünenstufen alle in Betonfertigteilbauweise erstellt. Und wenn Sie sich die Bilder von Manaus in Erinnerung rufen, es ist ja auch so lustig, dass auf dem zukünftigen Spielfeld alle Stadionbauteile, wie bei einem Revell- Modellbaukasten, schon fertig zur Montage bereitliegen. Ich habe halt eine hohe Vielzahl von lauter identischen Teilen. So sind etwa die diagonalen Träger und die Zahnbalken in ihren Schnittansichten alle identisch. Und was die einzelnen Stufen im Grundriss angeht: die sind zwar alle unterschiedlich lang – aber in der Stufung identisch. Ich brauche also letztlich nur eine Schalung, bei der ich die Absteller verschieben kann. So habe ich natürlich einen immens schnellen Baufortschritt und einen hohen Rationalisierungsgrad.
Wurden diese neuen Betonbauteile grundsätzlich in Sichtbeton ausgeführt?
Die Tribünen sind in der Regel in Sichtbetonbauweise ausgeführt, aber man nimmt sie kaum wahr, da ja auf den horizontalen Stufen direkt die Stühle montiert wurden. Hin und wieder sieht man eine niedrige Betonbrüstung, auf der im Zweifelsfall noch ein Geländer montiert ist.
Brasilien ist nicht gerade berühmt für seine Betonfertigteilkonstruktionen, eher für seine expressiven Ortbetonbauten. Wie konnten Sie sich mit Ihren Vorstellungen bei den lokalen Bauunternehmern durchsetzen?
Die Brasilianer sind natürlich nicht die Betonfertigteilbauer per se, traditionell kommen die Unternehmen schon alle vom Ortbeton her. Trotzdem sind die Firmen für solche Initiativen durchaus offen, weil sie sofort die wirtschaftlichen Effekte und die finanziellen Vorteile sehen.
Herr Glass, wir danken für das Gespräch!
Robert Mehl, Aachen