Projektart:
Anfrage:
per mail ✉
Objekt:
Typ:
Büro- und Wohnkomplex
Ort:
Paris [Satellit]
Staat:
Frankreich
Architekt:
Materialien:
Betonfertigteilbalkone
Publiziert:
Beton Bauteile 2024
Seiten:
26 - 31
Inhalt:
Morland Mixité Capitale, Paris/F
Rückkehr des „Französischen Balkons“
In Paris haben David Chipperfield Architects Berlin das frühere Verwaltungszentrum der Pariser Präfektur zu einem Mischnutzungskomplex umgewandelt. Insbesondere bei den zu Wohnungen umgenutzten Büroflächen erhielten alle Fensterachsen Fertigteilbalkone im „französischen Stil“.
Die frühere Pariser Präfektur am Boulevard Morland liegt am nördlichen Seineufer – etwa dort, wo sich der Fluss teilt, um die berühmte Seineinsel, den Nukleus der Stadt, zu umfließen. Der von Albert Laprade entworfene und um 1960 realisierte Gebäudekomplex war über viele Jahrzehnte Sitz der Stadtverwaltung. Seine Grundkörper sind ein 16-stöckiges Hochhaus in zentraler Position und zwei 9-stöckige Flügelbauten, die dieses flankieren. Im Grundriss bilden die drei Baukörper ein H mit zwei großen Ehrenhöfen, die den menschlichen Maßstab vermissen ließen und keine Aufenthaltsqualität besaßen. Für den städtebaulichen Wettbewerb „Réinventer Paris“ (Neuerfindung von Paris) reichten verschiedene interdisziplinäre Teams aus Architekten, Projektentwicklern, Landschaftsplanern und Künstlern 23 Entwurfskonzepte ein. Mit der Neuentwicklung dieses Stadtbausteins wurde das Team um David Chipperfield Architects Berlin und der französische Projektentwickler Emerige beauftragt.
Die neue „Morland Mixité Capitale“, die anlässlich ihrer Eröffnung in „La Félicité“ umgetauft wurde, ist eine Fusion aus einer behutsamen Gebäudeinstandsetzung, einer Komplettsanierung und einer baulichen Ergänzung des Bestandes. Das bislang eher hermetisch verschlossen erscheinende Ensemble wurde öffentlich zugänglich und erhielt den freundlichen Charakter eines Campus, von dem man sich zudem positive Wechselwirkungen mit dem ganzen Viertel erhofft. Der früher abweisend erscheinende Innenhof am Boulevard Morland sowie die Lücke an der Seine wurden mit Neubauten ergänzt und zu belebten Bereichen umgewandelt. Sie leisten ihren Beitrag zur Stadtreparatur und verleihen dem Ensemble den menschlichen Maßstab. Zusätzlich wurde eine öffentliche Passage geschaffen, die eine fußläufige Ensemble- Durchwegung vom Boulevard Morland bis zum Ufer der Seine ermöglicht. Geprägt ist diese von neu geschaffenen, so expressiv wie massiv erscheinenden Ortbetonarkaden, die das neue fußläufige Erscheinungsbild des Ensembles prägen.
Die neue „Morland Mixité Capitale“, die anlässlich ihrer Eröffnung in „La Félicité“ umgetauft wurde, ist eine Fusion aus einer behutsamen Gebäudeinstandsetzung, einer Komplettsanierung und einer baulichen Ergänzung des Bestandes. Das bislang eher hermetisch verschlossen erscheinende Ensemble wurde öffentlich zugänglich und erhielt den freundlichen Charakter eines Campus, von dem man sich zudem positive Wechselwirkungen mit dem ganzen Viertel erhofft. Der früher abweisend erscheinende Innenhof am Boulevard Morland sowie die Lücke an der Seine wurden mit Neubauten ergänzt und zu belebten Bereichen umgewandelt. Sie leisten ihren Beitrag zur Stadtreparatur und verleihen dem Ensemble den menschlichen Maßstab. Zusätzlich wurde eine öffentliche Passage geschaffen, die eine fußläufige Ensemble- Durchwegung vom Boulevard Morland bis zum Ufer der Seine ermöglicht. Geprägt ist diese von neu geschaffenen, so expressiv wie massiv erscheinenden Ortbetonarkaden, die das neue fußläufige Erscheinungsbild des Ensembles prägen.
Gut erhalten
Das Verwaltungsgebäude aus den 1960er- Jahren war unmittelbar vor seinem Umbau in einem vergleichsweise guten Zustand. Im Rahmen einer umfassenden Bestandsanalyse stellten David Chipperfield Architects Berlin fest, dass sowohl die vorhandenen Geometrien und Proportionen als auch die Bauweise und die Gliederung des Gebäudes durchaus zu erhaltende Qualitäten waren. Dasselbe attestierte man der Verkleidung von Stützen und Fassaden, einem cremefarbenen Naturkalkstein, der sich an vielen Pariser Bauten findet und der vielfach, aber insbesondere bei diesem Bauwerk, aus dem Steinbruch von Buffon in Burgund stammt. Während man sich entschied, in dem zentralen Hochhaus in den unteren Bereichen neue Büros unterzubringen und darüber ein Hotel anzuordnen, um schließlich ganz oben ein öffentlich zugängliches Restaurant und eine Bar einzurichten, sah man in den neungeschossigen Seitenflügeln Wohneinheiten vor. Die Art dieser neu geschaffenen Wohneinheiten ist ausgesprochen heterogen: Sie reicht von einfachen sozialen Wohnungen bis hin zu Luxusapartments, die in der Toplage angesiedelt sind und einen Blick über die Seine und das Stadtpanorama freigeben.
Das Verwaltungsgebäude aus den 1960er- Jahren war unmittelbar vor seinem Umbau in einem vergleichsweise guten Zustand. Im Rahmen einer umfassenden Bestandsanalyse stellten David Chipperfield Architects Berlin fest, dass sowohl die vorhandenen Geometrien und Proportionen als auch die Bauweise und die Gliederung des Gebäudes durchaus zu erhaltende Qualitäten waren. Dasselbe attestierte man der Verkleidung von Stützen und Fassaden, einem cremefarbenen Naturkalkstein, der sich an vielen Pariser Bauten findet und der vielfach, aber insbesondere bei diesem Bauwerk, aus dem Steinbruch von Buffon in Burgund stammt. Während man sich entschied, in dem zentralen Hochhaus in den unteren Bereichen neue Büros unterzubringen und darüber ein Hotel anzuordnen, um schließlich ganz oben ein öffentlich zugängliches Restaurant und eine Bar einzurichten, sah man in den neungeschossigen Seitenflügeln Wohneinheiten vor. Die Art dieser neu geschaffenen Wohneinheiten ist ausgesprochen heterogen: Sie reicht von einfachen sozialen Wohnungen bis hin zu Luxusapartments, die in der Toplage angesiedelt sind und einen Blick über die Seine und das Stadtpanorama freigeben.
Verbindendes Balkondetail
Bis auf das Erdgeschoss haben alle Wohneinheiten ein identisches Fensterdetail gemein, das von den klassizistischen Fassaden des Fin de Siècle inspiriert ist, den „Französischen Balkon“: Bis heute dominieren die bodenhohen, vielfach mit Fensterläden ausgestatteten Flügelfenster nicht nur zahllose Straßen der Pariser Innenstadt. Entsprechend ließen David Chipperfield Architects Berlin die alten Fensterbrüstungen entfernen und die Öffnungen bis auf Fußbodenhöhe herunterziehen. In diese wurde jeweils eine 1,60 m breite und 2,51 m hohe doppelflügelige Aluminiumbalkontür eingebaut. Vor diese setzte man Balkone, die bis auf das oberste Geschoss jeweils um 1,28 m und schließlich in der neunten Etage lediglich um 61,5 cm vorkragen. Hier schließen diese verkürzten Balkone bündig mit der Vorderkante der erhaltenen Fassadenlisenen ab, womit stimmig ein formaler Übergang von der Fassade zur Attika geschaffen wird. Sowohl bei den großen, rund 1,75 m x 1,00 m messenden wie auch bei den kleinen, lediglich 1,75 m x 0,30 m messenden Balkonen – insgesamt etwa 600 Stück – handelt es sich um Betonfertigteile. Als Spritzwasserschutz für die Balkontür weisen alle Balkone – der Tür vorgelagert – eine 28 cm breite Regenwasserwanne auf, die von einer abnehmbaren Betonplatte bedeckt und zur Balkonvorderkante hin über zwei offene Entwässerungsrinnen drainiert wird. Dort tropft das Regenwasser frei herab, bildet aber keine Schmutzfahnen, da die Balkone weit vor die Fassade kragen. Es tropft lediglich auf die ohnehin regennasse Balkonfläche darunter. Verankert wurden die neu angefügten Balkone mit thermisch getrennten Fassadenankern an der tragenden Ortbetonrohbauwand des Bestandes.
Bis auf das Erdgeschoss haben alle Wohneinheiten ein identisches Fensterdetail gemein, das von den klassizistischen Fassaden des Fin de Siècle inspiriert ist, den „Französischen Balkon“: Bis heute dominieren die bodenhohen, vielfach mit Fensterläden ausgestatteten Flügelfenster nicht nur zahllose Straßen der Pariser Innenstadt. Entsprechend ließen David Chipperfield Architects Berlin die alten Fensterbrüstungen entfernen und die Öffnungen bis auf Fußbodenhöhe herunterziehen. In diese wurde jeweils eine 1,60 m breite und 2,51 m hohe doppelflügelige Aluminiumbalkontür eingebaut. Vor diese setzte man Balkone, die bis auf das oberste Geschoss jeweils um 1,28 m und schließlich in der neunten Etage lediglich um 61,5 cm vorkragen. Hier schließen diese verkürzten Balkone bündig mit der Vorderkante der erhaltenen Fassadenlisenen ab, womit stimmig ein formaler Übergang von der Fassade zur Attika geschaffen wird. Sowohl bei den großen, rund 1,75 m x 1,00 m messenden wie auch bei den kleinen, lediglich 1,75 m x 0,30 m messenden Balkonen – insgesamt etwa 600 Stück – handelt es sich um Betonfertigteile. Als Spritzwasserschutz für die Balkontür weisen alle Balkone – der Tür vorgelagert – eine 28 cm breite Regenwasserwanne auf, die von einer abnehmbaren Betonplatte bedeckt und zur Balkonvorderkante hin über zwei offene Entwässerungsrinnen drainiert wird. Dort tropft das Regenwasser frei herab, bildet aber keine Schmutzfahnen, da die Balkone weit vor die Fassade kragen. Es tropft lediglich auf die ohnehin regennasse Balkonfläche darunter. Verankert wurden die neu angefügten Balkone mit thermisch getrennten Fassadenankern an der tragenden Ortbetonrohbauwand des Bestandes.
Ganzheitlicher Ansatz
Zur Förderung eines niedrigen Energie- und Ressourcenverbrauchs wurde auf den Flachdächern der Flügelbauten ein geschlossenes Phyto- Klärsystem eingerichtet. Gereinigt wird das gesamte auf dem Grundstück aufgefangene Regenwasser. Es dient nach seiner Reinigung der Bewässerung des Urban Gardening, das auf den Dächern in Form vertikaler Beete betrieben wird und dessen Erzeugnisse in einem Gemüseladen im Erdgeschoss verkauft werden.
Zur Förderung eines niedrigen Energie- und Ressourcenverbrauchs wurde auf den Flachdächern der Flügelbauten ein geschlossenes Phyto- Klärsystem eingerichtet. Gereinigt wird das gesamte auf dem Grundstück aufgefangene Regenwasser. Es dient nach seiner Reinigung der Bewässerung des Urban Gardening, das auf den Dächern in Form vertikaler Beete betrieben wird und dessen Erzeugnisse in einem Gemüseladen im Erdgeschoss verkauft werden.
Die Stadt sehen
Schließlich findet sich in den obersten beiden Hoch-hausgeschossen die begehbare Kunstinstallation „The Seeing City“ von Ólafur Elíasson und Sebastian Behmann. Zusammen leiten sie das in Berlin ansässige Studio Other Spaces, das sich auf Kunstinstallationen in einem architektonischen Kontext spezialisiert hat. Sie arbeiten vorzugsweise mit Licht, Glas und Spiegeleffekten, häufig bestrebt, den Übergang von Architekturraum und Himmel aufzulösen. Entsprechend ließen sie in dem unteren der beiden Geschosse die Deckenuntersicht weitgehend verspiegeln und brachten zudem unterhalb des umlaufenden Deckenvorsprungs weitere Spiegelelemente außen vor der Fassade an. Auf diese Weise wird der ohnehin fulminante Blick auf die Stadt noch einmal invertiert.
Das oberste Geschoss weist schließlich ein Kassettengitter als sichtbare Decke auf, an dessen Unterkanten Lichtbänder verlaufen. Diese werden von den halbverspiegelten Scheiben der Glasfassade teilweise reflektiert, wodurch die Spiegelung des leuchtenden Gitternetzes sich im Unendlichen zu verlieren scheint. Verstärkt wird dies durch eine nach unten abnehmende Verspiegelung: Mit abnehmender Glashöhe verblassen die Strahlen und verschwinden schließlich ganz. Tatsächlich rundet dieses Kunstwerk den Eindruck ab, dass das neue „La Félicité“ ein Ort der Glückseligkeit ist!
Robert Mehl, Aachen
http://www.bft-international.com
Schließlich findet sich in den obersten beiden Hoch-hausgeschossen die begehbare Kunstinstallation „The Seeing City“ von Ólafur Elíasson und Sebastian Behmann. Zusammen leiten sie das in Berlin ansässige Studio Other Spaces, das sich auf Kunstinstallationen in einem architektonischen Kontext spezialisiert hat. Sie arbeiten vorzugsweise mit Licht, Glas und Spiegeleffekten, häufig bestrebt, den Übergang von Architekturraum und Himmel aufzulösen. Entsprechend ließen sie in dem unteren der beiden Geschosse die Deckenuntersicht weitgehend verspiegeln und brachten zudem unterhalb des umlaufenden Deckenvorsprungs weitere Spiegelelemente außen vor der Fassade an. Auf diese Weise wird der ohnehin fulminante Blick auf die Stadt noch einmal invertiert.
Das oberste Geschoss weist schließlich ein Kassettengitter als sichtbare Decke auf, an dessen Unterkanten Lichtbänder verlaufen. Diese werden von den halbverspiegelten Scheiben der Glasfassade teilweise reflektiert, wodurch die Spiegelung des leuchtenden Gitternetzes sich im Unendlichen zu verlieren scheint. Verstärkt wird dies durch eine nach unten abnehmende Verspiegelung: Mit abnehmender Glashöhe verblassen die Strahlen und verschwinden schließlich ganz. Tatsächlich rundet dieses Kunstwerk den Eindruck ab, dass das neue „La Félicité“ ein Ort der Glückseligkeit ist!
Robert Mehl, Aachen
http://www.bft-international.com