Projektart:
Anfrage:
Objekt:
Grünbrücke Gräfenneuses
Typ:
Wildtierkorridor
Ort:
Geiselwind [Satellit]
Staat:
Deutschland
Architekt:
OSW 🔗, Nidda (Kunde)
Materialien:
Betonfertigteilbinder
Publiziert:
Beton Bauteile 2025
Seiten:
164 - 169
Inhalt:
[Artikel]      [Bildstrecke]      
 

Grünbrücken, Autobahn A3, Geiselwind/D

Der Natur den Weg bahnen

Seit einigen Jahren wird die Autobahn A3 im großen Stil in Nordbayern sechsstreifig ausgebaut. Um Wildtieren eine gefahrlose Querung der Schnellstraße zu ermöglichen, wurden u.a. im Streckenabschnitt Steigerwald zwei Grünbrücken angelegt. Ihr Tragwerk wurde von der Oberhessischen Spannbetonwerk GmbH erstellt und besteht aus engen Scharen von gebogenen Betonfertigteilbindern.
Wildtierkorridore müssen keine nüchternen Zweckbauten sein! Dass es anders geht, zeigen zwei Grünbrücken, die im Abstand von rd. 50 km die sogenannte Steigerwaldautobahn queren. Gemeint ist damit der Streckenabschnitt zwischen dem Autobahnkreuz Biebelried und Erlangen. Die nördlichere von beiden, die aus Würzburg kommend wenige Kilometer vor der Ausfahrt Geiselwind gelegen ist, befindet sich in Gräfenneuses. Die zweite Grünbrücke liegt etwa 50 km weiter südlich in Mönau, kurz vor der Ausfahrt Erlangen- Frauenaurach. Dies ist die Abfahrt, die zum Adidas- Campus führt, wo seit einigen Jahren die deutsche Fußballnationalmannschaft trainiert. Die Schaffung dieser Vegetationsverbindungen dient der Neuvernetzung von Naturräumen in unserer, insbesondere durch den Straßenbau, stark zerschnittenen Kulturlandschaft. Sie unterstützen Wildtierwanderungen und verringern gleichzeitig die Gefahr von Verkehrsunfällen durch Wildwechsel.
Tragstruktur aus Bogenscharen
Die von der Oberhessischen Spannbetonwerk GmbH in Nidda hergestellte Tragkonstruktion der beiden jeweils gut 100 m langen Grünbrücken zählen bei derjenigen in Gräfenneuses 40 und bei derjenigen in Mönau 44 Rundbogenträger. Sie wurden in einem Achsabstand von 2,00 m zueinander platziert. Die dazwischen liegenden, leicht gekrümmten Felder wurden mit 15 cm starken Filigrandecken geschlossen und anschließend mit Ortbeton bedeckt. Dessen Stärke beträgt in den Auflagerbereichen beachtliche 1,50 m, nimmt aber zum mittigen Scheitelpunkt hin auf 30 cm ab. Auslöser für die massive Ausführung ist die darauf aufzubringende Substratlage – das Erdreich, das künftig einen natürlichen Bewuchs der Grünbrücken ermöglicht.
Während die nördliche Vegetationsbrücke in Gräfenneuses zwischen zwei relativ flachen Geländekuppen angelegt ist, die kaum höher als die verkehrstechnisch erforderliche Tragkonstruktion sind, liegt die südliche Brücke in Mönau in einem durch die Streckenführung entstandenen ca. 25 m tiefen, künstlichen Geländeeinschnitt. Hier wird die Tragkonstruktion erheblich mehr Erdreich als Auflast erhalten, um an der Oberkante ein annähernd an die Umgebung angepasstes Geländeniveau zu erreichen. Die Pläne weisen in Mönau an den Auflagerpunkten Erdreichhöhen von mehr als 5 m auf. Die Bögen der Grünbrücke in Gräfenneuses haben mit einem mittleren Radius von knapp 100 m eine relativ schwache Krümmung, wohingegen die Bögen der Mönaubrücke mit einem mittleren Radius von rund 60 m eine erheblich stärkere Krümmung aufweisen. Ursache für letzteres ist, dass mit den erwähnten höheren Erdreichmengen auch eine erheblich größere Auflast durch das Tragwerk aufzunehmen ist.
Konstruktion
Tatsächlich erscheint nach ihrer Fertigstellung insbesondere die Mönau- Grünbrücke mehr als ein kurzer, in offener Bauweise errichteter Tunnel und weniger als ein Brückenbauwerk. Entsprechend „tunnelartig“ sind auch die Auflagerpunkte angelegt: Die gebogenen Binder ruhen nicht in verschieblichen Auflagern aus Stahl, sondern wurden mit der seitlich aufgehenden Fundamentkonstruktion dauerhaft vergossen. Konstruktiv gelten die Bögen damit als eingespannt. Tatsächlich war hierfür eine entsprechende statische Bewertung erforderlich. Aufgrund des Umstandes, dass – wie erwähnt – die beiden Bauwerke mit einer erheblichen Substratlage bedeckt sind, kann jedoch ein thermisch bedingtes Ausdehnen (bei großer Hitze) bzw. Schrumpfen (bei klirrender Kälte) vernachlässigt werden.
Ein großer Vorteil der eingespannten Betonkonstruktion ist zudem deren Wartungsfreiheit: Verschiebliche Stahlauflager müssen regelmäßig geprüft und von Zeit zu Zeit ausgetauscht werden. Das entfällt hier komplett und wäre infolge der enormen Substratauflage auch kaum umsetzbar. Es gäbe ja keine Dehnungsfugen, an denen man ansetzen könnte. Aus formalen Gründen liegen oberhalb der Tunnelmünder die Scheitelbereiche der vordersten vier Bogenbinder frei. Die der Witterung frei ausgesetzten Betonbauteile bestehen aus keinem besonderen Beton und erhielten auch keine zusätzliche Oberflächenbehandlung.
Bauweise und Ausführung
Die gebogenen Binder wurden als Betonfertigteile von der Oberhessischen Spannbetonwerk GmbH im hessischen Nidda erstellt. Anders als der Firmenname nahelegt, weisen die Binder jedoch nur eine schlaffe Stahlbewehrung auf. Die in beiden Bauwerken etwas mehr als 47 m langen Bogenbinder bestehen aus je zwei Elementen, die im Scheitelbereich durch örtliche Betonage miteinander verbunden wurden. Dazu wurden die halbseitigen Binderelemente auf der, dem Bogenscheitel zugewandten Seite mit einer gut 1,50 m weit hervorragenden Bewehrung ausgestattet. Das geschah so, dass sich diese Stahlstäbe von beiden Seiten ineinander verschränkten, um dann in einem Volumen ausgegossen zu werden.
Die halbseitige Ausführung brachte auch logistische Vorteile mit sich. Zum einen mussten nunmehr nur noch gut 24 m lange Betonbauteile mit Tiefladern transportiert werden. Ein weiterer Vorteil lag in der unproblematischeren Baustellenverkehrsführung. So wurde in Mittellage ein temporäres durchgehendes Auflager geschaffen, auf das die halbseitigen Binder aufgelegt wurden. Der Verkehr wurde jeweils einseitig vorbeigeführt. Der Einbau der Binder erfolgte – entsprechend der Anlieferung aus dem nördlich gelegenen Nidda – von dem jeweils südlichen Kopfende nach Norden. Eingehoben wurden die jeweils 40 bzw. 44 Halbbinder in einer konzertierten Aktion. Dafür wurde die A3 in den jeweiligen Streckenabschnitten teilweise gesperrt und 40 bzw. 44 (!) Schwerlasttransporte direkt hintereinander auf den Weg geschickt. Vor Ort wurden die halbseitigen Binder mit Autokränen von dem jeweiligen LKW ab- und direkt an die vorgesehene Position eingehoben, wo die Arbeiter sie zunächst nur provisorisch sicherten. Das dezidierte Vergießen in den Auflagerpunkten erfolgte sodann in den folgenden Wochen. Das temporäre mittige Auflager wurde erst entfernt, nachdem schlussendlich beide Seiten des Bogenbinders eingebracht und beide Seitenteile im Scheitelbereich miteinander vergossen und auch die Filigrandeckenelemente sowie der Ortbeton eingebracht waren.
Weiterer Ausbau
Im Anschluss an die Montage der Bogenbinder erfolgte das Auflegen der 15 cm starken Filigrandecken in polygonaler Anordnung. Diese besaßen eine oberseitig weit hervorragende Bewehrung, die einen Zugverbund mit dem einzubringenden Ortbeton herstellte. Die Filigrandecken fungierten als verlorene Schalung für den Ortbeton. Auf die fugenlos geschlossene Betondecke wurden vor dem Anschütten des Substrates langlebige Abdichtungsbahnen verlegt. Der Zeitpunkt der Aufnahmen zeigt die fertiggestellten Brücken im Rohbau, jedoch noch vor dem Einbringen der Abdichtung und dem Aufschütten mit Substrat.
Fazit
Wie eingangs erwähnt, leisten Wildtierkorridore einen nicht zu unterschätzenden Beitrag für eine vitale Fauna. Das i- Tüpfelchen bei diesen beiden Grünbrücken über die Steigerwaldautobahn ist, dass sie ästhetisch ausgesprochen gelungene bauliche Details aufweisen: Selbst während einer schnellen Autobahnfahrt registriert man, dass mit dem Fahrzeug soeben ein besonderer Ort passiert wurde.
http://www.bft-international.com