Projektart:
Anfrage:
per mail ✉
Objekt:
Typ:
3D-Druck der ETH
Ort:
Zürich [Satellit]
Staat:
Schweiz
Architekt:
Materialien:
Beton
Publiziert:
baublatt 23/2022
Seiten:
20 - 22
Inhalt:
White Tower Projekt, Mulegns
Schauspielturm im Werden
Im Anstieg zum Julierpass entsteht im Bündner Mulegns derzeit ein weißer Turm, der aus mit einem 3-D- Drucker erstellten Betonsäulen besteht. Bereits zu Anfang des Jahres berichteten wir von dem Gemeinschaftsprojekt der ETH Zürich und der Nova Fundaziun Origen. Nun wurde ein eingeschossiges Mock-up erstellt.
Gegenüber der ursprünglichen Planung ist der Turmdurchmesser von etwas über neun Metern auf ca. 7,30 Meter geschrumpft. Anlass für die Umplanung war der nicht ausreichende Parzellenabstand, der im konkreten Fall mindestens 2,50 Meter zur Grundstücksgrenze betragen muss. Der Grund für diese Vorgaben liegt nicht in den Schattenabstandsflächen, sondern im landwirtschaftlichen Nachbarrecht.
Das baublatt hatte im Heft 2/2022 ausführlich das White- Tower- Projekt in Mulegns vorgestellt und besuchte im Sommer den unmittelbar auf dem gedachten Standort errichteten Probekörper. Realisiert wurde ein Drittelkreis des künftigen dritten Obergeschosses. Die insgesamt zehn Säulen stehen auf einem Betonkreisbogensegment, das wiederum auf einer bestehenden Betonplatte aufliegt, welche unmittelbar in die daran vorbeiführende Passstraße übergeht. Die Platte gehört zu einer abgerissenen Garage und liegt zum Tal hin auf einem eingeschossigen Sockelbau, einem alten Scheunengebäude, auf. Für den Bau des Turmes wird die Betonplatte abgerissen, der Sockelbau bleibt hingegen bestehen, insbesondere seine Wände werden jedoch verstärkt. Mit dem Rückbau der besagten Betonplatte verliert Mulegns eine bauliche Skurrilität, seinen "Tunnel": Denn dieses deckenartige Element überbrückt aktuell noch eine schmale Nebenstraße, bevor es etwa auf Höhe des ersten Obergeschosses auf dem besagten Sockelbau aufliegt.
Das baublatt hatte im Heft 2/2022 ausführlich das White- Tower- Projekt in Mulegns vorgestellt und besuchte im Sommer den unmittelbar auf dem gedachten Standort errichteten Probekörper. Realisiert wurde ein Drittelkreis des künftigen dritten Obergeschosses. Die insgesamt zehn Säulen stehen auf einem Betonkreisbogensegment, das wiederum auf einer bestehenden Betonplatte aufliegt, welche unmittelbar in die daran vorbeiführende Passstraße übergeht. Die Platte gehört zu einer abgerissenen Garage und liegt zum Tal hin auf einem eingeschossigen Sockelbau, einem alten Scheunengebäude, auf. Für den Bau des Turmes wird die Betonplatte abgerissen, der Sockelbau bleibt hingegen bestehen, insbesondere seine Wände werden jedoch verstärkt. Mit dem Rückbau der besagten Betonplatte verliert Mulegns eine bauliche Skurrilität, seinen "Tunnel": Denn dieses deckenartige Element überbrückt aktuell noch eine schmale Nebenstraße, bevor es etwa auf Höhe des ersten Obergeschosses auf dem besagten Sockelbau aufliegt.
Detailplanung
Mit der Verkleinerung des Durchmessers um rund ein Viertel wird die geplante Turmnutzung als Veranstaltungsort zu einer flächenmäßigen Herausforderung. Denn tatsächlich scheinen kaum Bewegungsflächen für das Publikum noch für die darstellenden Künstler vorhanden zu sein. Verständlich ist daher der Entwurf, dass allein die vierte und deutlich höhere Turmebene für Darbietungen genutzt werden soll, welche zudem eine umlaufende Galerieebene aufweist. Der obere Raum wird als "Turmzimmer" für kleinere Veranstaltung dienen, die detaillierte Planung steht derzeit noch aus. Das Tragwerk der Ebenen besteht aus einem inneren und äußeren Säulenring. Bei dem realisierten Drittelkreis- Mock-up gehören acht Säulen zum äußeren und zwei zum inneren Kreis: Das bemusterte Geschoss wird folglich 24 Außensäulen und 6 Innensäulen besitzen. Während die inneren Säulen gleichartig angelegt sind, scheinen die äußeren unterschiedlich zu sein: Abwechselnd zeigen Sie eine Entasis und eine Taillierung in Augenhöhe des Betrachters. Tatsächlich ist die übermannshohe Säulenschaftsilhouette in gleichmäßiger Weise S-förmig. Das mit einem 3D- Drucker erstellte Bauteil wurde zum Einbau nur abwechselnd um 180° gedreht. Man erkennt dies an den alternierenden, etwa im Goldenen Schnitt platzierten Ringen. Sie wurden von Prof. Benjamin Dillenburger, der das White- Tower- Forschungsprojekt an der ETH Zürich leitet, aus Gründen einer möglichen Nachnutzung eingefügt, da diese nunmehr an diesen Zäsuren zerlegt werden können.
Mit dem aktuellen Demonstrator wird vor allem das Einfügen einer thermischen Trennung zwischen äußerem und innerem Ring untersucht. Favorisiert wird die aktuell realisierte Variante einer Glasfassade. Bei dieser gilt es zu klären, ob diese vollständig klar bleiben soll oder opak – undurchsichtig – angelegt wird? Ebenfalls zur Diskussion steht die Variante eines Farbverlaufes: von einer opaken Glasfläche in Fußbodenhöhe hin zu einer klaren in Brüstungshöhe.
Mit der Verkleinerung des Durchmessers um rund ein Viertel wird die geplante Turmnutzung als Veranstaltungsort zu einer flächenmäßigen Herausforderung. Denn tatsächlich scheinen kaum Bewegungsflächen für das Publikum noch für die darstellenden Künstler vorhanden zu sein. Verständlich ist daher der Entwurf, dass allein die vierte und deutlich höhere Turmebene für Darbietungen genutzt werden soll, welche zudem eine umlaufende Galerieebene aufweist. Der obere Raum wird als "Turmzimmer" für kleinere Veranstaltung dienen, die detaillierte Planung steht derzeit noch aus. Das Tragwerk der Ebenen besteht aus einem inneren und äußeren Säulenring. Bei dem realisierten Drittelkreis- Mock-up gehören acht Säulen zum äußeren und zwei zum inneren Kreis: Das bemusterte Geschoss wird folglich 24 Außensäulen und 6 Innensäulen besitzen. Während die inneren Säulen gleichartig angelegt sind, scheinen die äußeren unterschiedlich zu sein: Abwechselnd zeigen Sie eine Entasis und eine Taillierung in Augenhöhe des Betrachters. Tatsächlich ist die übermannshohe Säulenschaftsilhouette in gleichmäßiger Weise S-förmig. Das mit einem 3D- Drucker erstellte Bauteil wurde zum Einbau nur abwechselnd um 180° gedreht. Man erkennt dies an den alternierenden, etwa im Goldenen Schnitt platzierten Ringen. Sie wurden von Prof. Benjamin Dillenburger, der das White- Tower- Forschungsprojekt an der ETH Zürich leitet, aus Gründen einer möglichen Nachnutzung eingefügt, da diese nunmehr an diesen Zäsuren zerlegt werden können.
Mit dem aktuellen Demonstrator wird vor allem das Einfügen einer thermischen Trennung zwischen äußerem und innerem Ring untersucht. Favorisiert wird die aktuell realisierte Variante einer Glasfassade. Bei dieser gilt es zu klären, ob diese vollständig klar bleiben soll oder opak – undurchsichtig – angelegt wird? Ebenfalls zur Diskussion steht die Variante eines Farbverlaufes: von einer opaken Glasfläche in Fußbodenhöhe hin zu einer klaren in Brüstungshöhe.
Säulen für die Statik
Für das doppelte Stützenringsystem sprach sich der bekannte Bündner Ingenieur und Statiker Jürg Conzett aus, von dem sich Giovanni Netzer und sein architektonischer Projektleiter Patrick Aregger haben beraten lassen. Conzett ist auch Mitautor der aktuellen Biographie über den bekannten Bündner Zimmermann Richard Coray, welche wir im baublatt 8/2022 vorgestellt haben. Der Ingenieur sah in dem doppelten Säulenring Vorteile für die Turmaussteifung, insbesondere für die Aufnahme von durch Wind verursachten Querkräften.
Der Weisse Turm hat eine Bewilligung als temporärer Sonderbau bis 2028 erhalten. Nach dem aktuellen Planungsstand wird er nicht nur aus erwähntem Grunde deutlich schmaler, er schrumpfte auch geringfügig in seiner Gesamthöhe auf immer noch gut 30 Meter.
Für das doppelte Stützenringsystem sprach sich der bekannte Bündner Ingenieur und Statiker Jürg Conzett aus, von dem sich Giovanni Netzer und sein architektonischer Projektleiter Patrick Aregger haben beraten lassen. Conzett ist auch Mitautor der aktuellen Biographie über den bekannten Bündner Zimmermann Richard Coray, welche wir im baublatt 8/2022 vorgestellt haben. Der Ingenieur sah in dem doppelten Säulenring Vorteile für die Turmaussteifung, insbesondere für die Aufnahme von durch Wind verursachten Querkräften.
Der Weisse Turm hat eine Bewilligung als temporärer Sonderbau bis 2028 erhalten. Nach dem aktuellen Planungsstand wird er nicht nur aus erwähntem Grunde deutlich schmaler, er schrumpfte auch geringfügig in seiner Gesamthöhe auf immer noch gut 30 Meter.
Roter Turm
Derzeit unterhält die Nova Fundaziun Origen noch einen zweiten turmartigen Bau als Veranstaltungsort. Es ist der Rote Turm, der unmittelbar auf der Passhöhe des Julier liegt. Gleichwohl ist dieser zehneckige und ebenfalls rund 30 Meter hohe Bau mit einem Über- Eck- Durchmesser von etw 20 Metern erheblich größer und bietet zudem 200 Zuschauern Platz. Wie der Weisse Turm ist sein rotes Pendant ein temporärer Bau. Er ging 2017 in Nutzung und hatte eine dreijährige Sonderbewilligung erhalten. Wegen der Pandemie und der damit verbundenen Einnahmeausfälle wurde diese jedoch bis August 2023 verlängert. Bei dem Roten Turm handelt es sich um eine einschalige Holzkonstruktion, die aus 12 Zentimeter starken Konstruktionsvollholzplatten besteht und Windgeschwindigkeiten bis zu 250 Kilometern in der Stunde standhält.
Derzeit unterhält die Nova Fundaziun Origen noch einen zweiten turmartigen Bau als Veranstaltungsort. Es ist der Rote Turm, der unmittelbar auf der Passhöhe des Julier liegt. Gleichwohl ist dieser zehneckige und ebenfalls rund 30 Meter hohe Bau mit einem Über- Eck- Durchmesser von etw 20 Metern erheblich größer und bietet zudem 200 Zuschauern Platz. Wie der Weisse Turm ist sein rotes Pendant ein temporärer Bau. Er ging 2017 in Nutzung und hatte eine dreijährige Sonderbewilligung erhalten. Wegen der Pandemie und der damit verbundenen Einnahmeausfälle wurde diese jedoch bis August 2023 verlängert. Bei dem Roten Turm handelt es sich um eine einschalige Holzkonstruktion, die aus 12 Zentimeter starken Konstruktionsvollholzplatten besteht und Windgeschwindigkeiten bis zu 250 Kilometern in der Stunde standhält.
Nova Fundaziun Origen
Informieren können sich interessierte Besucher in Mulegns im benachbarten ehemaligen Post- und Telegrafenamt, wo die Nova Fundaziun Origen ein kleines Informationszentrum eingerichtet hat, in dem sie sich selber und beide Türme vorstellt. Vom Aufstellen erklärender Hinweisschilder am Turm- Mock-up hat man bewusst abgesehen, vielmehr möchte man spontan immer wieder kleine Führungen veranstalten, sobald sich eine ausreichende Zahl an interessierten Besuchern findet. Diese Haltung korrespondiert mit der bewussten menschlichen Interaktion des Theaters, einer Kunstform, die Giovanni Netzers gesamtes Schaffen prägt.
Auch eine kurze Wartezeit gestaltet sich an diesem Ort nicht unangenehm, da es in der benachbarten Weissen Villa, die ebenfalls der Stiftung gehört, ein von dieser betriebenes Kaffeehaus gibt, in dem man sich bei Kaffee und eigens gebackenem Kuchen stärken kann. Die Nova Fundaziun Origen wurde 2005 vom Theaterintendanten Giovanni Netzer gegründet und wird bis heute von diesem geleitet. Sie richtet alljährlich auf der nahegelegenen Burg Riom das Origen Festival Cultural aus. Darüber hinaus unterstützt sie insbesondere die Bündner Baukultur, sanierte bereits einige historische Bauten und wurde 2018 vom Schweizer Heimatschutz mit dem Wakker- Preis ausgezeichnet.
Informieren können sich interessierte Besucher in Mulegns im benachbarten ehemaligen Post- und Telegrafenamt, wo die Nova Fundaziun Origen ein kleines Informationszentrum eingerichtet hat, in dem sie sich selber und beide Türme vorstellt. Vom Aufstellen erklärender Hinweisschilder am Turm- Mock-up hat man bewusst abgesehen, vielmehr möchte man spontan immer wieder kleine Führungen veranstalten, sobald sich eine ausreichende Zahl an interessierten Besuchern findet. Diese Haltung korrespondiert mit der bewussten menschlichen Interaktion des Theaters, einer Kunstform, die Giovanni Netzers gesamtes Schaffen prägt.
Auch eine kurze Wartezeit gestaltet sich an diesem Ort nicht unangenehm, da es in der benachbarten Weissen Villa, die ebenfalls der Stiftung gehört, ein von dieser betriebenes Kaffeehaus gibt, in dem man sich bei Kaffee und eigens gebackenem Kuchen stärken kann. Die Nova Fundaziun Origen wurde 2005 vom Theaterintendanten Giovanni Netzer gegründet und wird bis heute von diesem geleitet. Sie richtet alljährlich auf der nahegelegenen Burg Riom das Origen Festival Cultural aus. Darüber hinaus unterstützt sie insbesondere die Bündner Baukultur, sanierte bereits einige historische Bauten und wurde 2018 vom Schweizer Heimatschutz mit dem Wakker- Preis ausgezeichnet.
Nadelöhr Zuckerbäckervilla
Beispielhaft dafür mag die erwähnte Weisse Villa in Mulegens stehen. Die Baugeschichte des kleinen, aktuell 16 Einwohner zählenden Ortes ist stark geprägt von Jean Jeghers. Dieser stammte aus Mulegns, war Zuckerbäcker und kam im ausgehenden 19. Jhd. in Bordeaux zu beachtlichem Reichtum. Schließlich kehrte er in seine Heimat zurück und ließ sich die besagte Villa errichten. Tatsächlich stellte über Jahrzehnte die verwinkelte Passage entlang dieses Hauses das Nadelöhr auf dem Weg zum Julierpass und im weiteren Verlauf nach St. Moritz dar. Im Sommer 2020 wurde die eigentlich dem Abriss geweihte Villa durch das Engagement der Nova Fundaziun Origen gerettet, indem das vollständige Bauwerk mit seinem Fundament auf Schienen gestellt und in einer konzertierten Aktion um acht Meter zur Seite verschoben wurde.
So verwundert es auch nicht, dass die Stiftung parallel zum White- Tower- Projekt derzeit in der Weissen Villa eine denkmalgerechte Sanierung durchführt. Beide Projekte werden von der Architektin Anja Diener als Planerin vor Ort betreut.
Für eine zusätzliche Präsentation des White- Tower- Projektes in der Weissen Villa wurde eigens an prominenter Stelle ein kleiner Raum eingerichtet, dessen Boden, Decken und Wände goldfarben angelegt wurden. In der Raummitte steht nun auf einem niedrigen Sockel ein vielleicht ein Meter hohes Turmmodell.
Tatsächlich überrascht die kunstsinnige Gastfreundlichkeit des Ortes, die so ganz ohne große Werbetafeln und Schilder auskommt, denn leider erscheint Mulegns neben diesem kulturellen Kleinod eher verwaist. Vor diesem Hintergrund kann man das kulturpolitische Engagement der Nova Fundaziun Origen und ihres Vorsitzenden nicht hoch genug einschätzen.
Robert Mehl, Aachen
Beispielhaft dafür mag die erwähnte Weisse Villa in Mulegens stehen. Die Baugeschichte des kleinen, aktuell 16 Einwohner zählenden Ortes ist stark geprägt von Jean Jeghers. Dieser stammte aus Mulegns, war Zuckerbäcker und kam im ausgehenden 19. Jhd. in Bordeaux zu beachtlichem Reichtum. Schließlich kehrte er in seine Heimat zurück und ließ sich die besagte Villa errichten. Tatsächlich stellte über Jahrzehnte die verwinkelte Passage entlang dieses Hauses das Nadelöhr auf dem Weg zum Julierpass und im weiteren Verlauf nach St. Moritz dar. Im Sommer 2020 wurde die eigentlich dem Abriss geweihte Villa durch das Engagement der Nova Fundaziun Origen gerettet, indem das vollständige Bauwerk mit seinem Fundament auf Schienen gestellt und in einer konzertierten Aktion um acht Meter zur Seite verschoben wurde.
So verwundert es auch nicht, dass die Stiftung parallel zum White- Tower- Projekt derzeit in der Weissen Villa eine denkmalgerechte Sanierung durchführt. Beide Projekte werden von der Architektin Anja Diener als Planerin vor Ort betreut.
Für eine zusätzliche Präsentation des White- Tower- Projektes in der Weissen Villa wurde eigens an prominenter Stelle ein kleiner Raum eingerichtet, dessen Boden, Decken und Wände goldfarben angelegt wurden. In der Raummitte steht nun auf einem niedrigen Sockel ein vielleicht ein Meter hohes Turmmodell.
Tatsächlich überrascht die kunstsinnige Gastfreundlichkeit des Ortes, die so ganz ohne große Werbetafeln und Schilder auskommt, denn leider erscheint Mulegns neben diesem kulturellen Kleinod eher verwaist. Vor diesem Hintergrund kann man das kulturpolitische Engagement der Nova Fundaziun Origen und ihres Vorsitzenden nicht hoch genug einschätzen.
Robert Mehl, Aachen