Projektart:
Anfrage:
Objekt:
Westdeutscher Rundfunk - WDR
Typ:
Verwaltungsgebäude
Ort:
Köln [Satellit]
Staat:
Deutschland
Architekt:
Materialien:
Altbausanierung mit Betonfertigteilen
Publiziert:
Beton Bauteile 2016-1
Seiten:
50 - 55
Inhalt:
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Kernsanierung eines Kölner Verwaltungsgebäudes

Freistehende Fertigteile

Im Kölner Stadtzentrum, unweit des Doms, wurde ein Verwaltungsgebäude aus den 1980er Jahren kernsaniert. Eine von der SSP AG durchgeführte Machbarkeitsstudie kam zu dem Schluss, dass in dieser städtischen Lage allein eine Betonfertigteilfassade langfristig die nachhaltigste und wirtschaftlichste Lösung ist.
Die zahlreichen Gebäude des Westdeutschen Rundfunks liegen, da der Sender fast seit Anbeginn der Republik existiert, recht eng beieinander, mitten in der Kölner Innenstadt unweit des Doms. Zu ihnen zählt in unmittelbarer Nachbarschaft zum Kolumba, dem von Peter Zumthor errichteten Diözesanmuseum des Erzbistums, ein ehemals postmoderner Verwaltungsbau der WDR Media Group. Leider hatte der Bestandsbau signifikante Schwächen, vor allem heizten sich Büroflächen im Sommer unverhältnismäßig stark auf. Natürlich war auch die Installation bei diesem »vordigitalen« Bau vollkommen unzureichend. Das integrale Bochumer Planungsbüro SSP SchürmannSpannel AG wurde mit einer Machbarkeitsstudie beauftragt und kam zu dem Schluss, dass langfristig gesehen allein eine Kernsanierung sinnvoll ist. Sie empfahl angesichts dessen, was in dieser innerstädtischen Lage eine Fassade »können« muss, deren Neuausführung in Betonfertigteilbauweise. Daraufhin wurde ein eingeschränkter Wettbewerb unter dieser Maßgabe durchgeführt, den das Büro ebenfalls gewinnen konnte.
Elementierte Fassade als Bestandszitat
Vor dem Hintergrund der Nachhaltigkeit haben die Planer einer Lochfassade mit einem geringeren Sonneneintrag den Vorzug vor einer gläsernen Variante gegeben. Bedacht wurden zudem das nicht unerhebliche innerstädtische Staubaufkommen, die damit einhergehende Verschmutzung und die damit verbundenen Möglichkeiten einer Reinigung. So entschied man sich die Betonoberflächen zu säuern und gleichzeitig zu hydrophobieren. Auch brachte man im Erdgeschoss zusätzlich noch einen Graffitischutz auf. Zunächst war eine reinweiße Ausführung vorgesehen, jedoch entschied man sich wegen der großen Verschmutzungsgefahr für einen gebrochenen Ton, der durch entsprechende Sand- und Kieszuschläge erreicht wurde. Letzteres geschah auch zur Schaffung lebendigerer Oberflächen in den Fensterlaibungen, diese wurden nicht gesäuert, sondern geschliffen.
Bemerkenswert ist auch die Scharfkantigkeit der äußeren Laibungskante, eine Spezialität des ausführenden Fertigteilherstellers Hering Bau GmbH aus Burbach. Hierzu legen die Betontechniker des Unternehmens für das „Brechen“ der Ecken keinen klassischen Dreikant in die Schalung ein, sondern nur eine dünne Schnur. Durch diese wird die Kante nur minimal gefasst.
Fassade mit großem E
Die Planer von SSP haben Betonelemente konzipiert, deren massive Flächen diese Wandflächen verdecken und deren Fensterbereiche vor den Balkonfeldern angeordnet sind. Die Fertigteile haben die Form eines auf seinen Schenkeln ruhenden „E“, wobei ein Element immer über zwei Bestandsachsen geht. Diese messen etwa 5 bis 6 m in der Länge und sind mit 3,20 m geschosshoch. Die sichtbaren, achsweisen Fugen sind überwiegend Scheinfugen. Im vorspringenden Fassadenfeld mit vier Fensterachsen platzierte man zwei dieser „E“ nebeneinander. Aus statischen Gründen mussten die Fassadenelemente der drei unteren Stockwerke vor die Fassade gestellt werden, die oberen zwei Ebenen des fünfgeschossigen Baus konnten man hingegen abhängen. Hinter den 13,5 cm starken Elementen befindet sich ein schmaler Luftraum, an den eine auf die Bestandwand aufgebrachte 10,5 cm starke Dämmung anschließt. Im Bereich der Fensterlaibungen sind die Fertigteile, wie erwähnt, nach innen geführt.
Fertigteile stehen lassen
Die unteren Fassadenelemente ruhen auf Einzelfundamenten, die mit etwas Abstand vor den Bestandsbau gesetzt wurden. Dabei variiert deren Ausführung. Der überwiegende Teil konnte auf einer zum Haus gehörenden Tiefgaragendecke errichtet werden. Deutlich höhere Anforderungen brachte hingegen der öffentliche Gehweg mit sich, da es nicht zulässig ist, in öffentlichen Bereichen selbst ergänzende Fundamente von Privatbauten zu errichten, auch wenn dies eine Neudämmung des Bestandes erforderlich macht. Diese darf aber in jenen hineinragen. Deswegen operierten die Architekten hier mit ins Erdreich abgesenkten Konsolwinkeln. Sie wurden am bestehenden Keller montiert, kragen vor und nehmen so die Last der unteren drei Fertigteilebenen auf. Formschlüssig verbunden sind sie über Edelstahldorne, die aus den Fundamenten oder den Fertigteiloberseiten ragen und die unterseitig in Köcherlöchern stecken. Nivelliert und ausgerichtet wurden die Fassadenelemente mittels Abstandsplättchen, als beim Einbau das jeweilige Bauteil noch am Kranhaken hing. Die Architekten wollten eine Fugenhierarchie vermeiden und stattdessen erreichen, dass sich selbst nach Jahren die Scheinfugen und die realen optisch nicht unterscheiden. Dazu verputzten die Handwerker die echten Fugen und sandeten diese mit demselben Material ab, das auch bei der Fertigteilherstellung als Zuschlag verwendet wurde.
Um die Ecke gedacht
Die neue Fensterebene sitzt in Höhe der bestehenden Ortbetonwand, verspringt leicht und geht dann in die davor aufgebrachte Dämmebene über. Es handelt sich um eine Dreifachverglasung, bei der von außen betrachtet sich immer nur der linke Fensterflügel öffnen lässt, im rechten ist eine Festverglasung. Bündig an der Vorderkante der Betonfertigteilfassade sitzt linker Hand, also vor dem zu öffnenden Flügel, eine leicht getönte Prallscheibe, die etwa drei Viertel der Fensterfront einnimmt. Das letzte Viertel rechts ist ein offener Spalt; die einströmende Frischluft wird quasi um die Ecke geführt. Da die interne Brüstung recht niedrig ist, wirkt die äußere Scheibe zunächst als Absturzsicherung, sie dient aber auch zur Minimierung des Straßenschalls und als Regenschutz. Ferner konzipierten die Planer für die Fenster eine innen liegende Entwässerung, um unschöne Schmutzfahnen auf den Betonflächen zu vermeiden. Das Regenwasser wird in rechteckigen Kästen gesammelt und einem jeweils 5 cm starkem Fallrohr zugeführt, das im Luftraum zwischen Fertigteil und Dämmung sitzt. Zu Wartungszwecken kann dieser Drainagekästen ganz entnommen werden, und die Fallrohre werden zugänglich.
Gewichtreduziertes Staffelgeschoss
Die weiterhin bestehende Rohkonstruktion besaß nur geringe Reserven, weshalb nur die oberen zwei Etagen abgehängt werden konnten. Auch das vorhandene 6. OG, ein Staffelgeschoss, musste bis auf den Kern abgerissen und neu angelegt werden. Zum einen wollte man die bestehende Mansarde durch einen dachneigungsfreien, rechtwinkligen und deutlich breiteren Raum ersetzen. Zum anderen stellten die Planer einen Antrag auf eine teilweise Befreiung des Bebauungsplans, um das nach Süden deutlich zurückgesetztere Staffelgeschoss wenige Meter zu verlängern. In Massivbau und auch als Betonfertigteilkonstruktion wäre dieser Neuaufbau bei weitem zu schwer gewesen, weshalb man sich für eine Stahlausführung entschied. Bei den in ihrer Anmutung mit den unteren Geschossen weitgehend identisch erscheinenden Fassadenelementen handelt es sich hier aber um eine leichte Faserbetonkonstruktion aus BetoShell- Platten.
Robert Mehl, Aachen