Projektart:
Anfrage:
Objekt:
Bibliothek der Universität Utrecht
Typ:
Hochschulgebäude
Ort:
Utrecht [Satellit]
Staat:
Niederlande
Architekt:
Wiel Arets 🔗, Maastricht
Materialien:
Betonfertigteile, Glas
Publiziert:
BFT 06/2005
Seiten:
6 - 8
Inhalt:
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Universitätsbibliothek Utrecht

Fertigteile mit Papyrus- Effekt

Inmitten der vielfältigen, zum Teil schreiend bunten Architektur des Universitätscampus in Utrecht bildet der schwarz-grüne Kubus der neuen Bibliothek einen wohltuend ruhenden Pol. Die geschlossenen Flächen ihrer Fassade bestehen aus anthrazitfarbenen Fertigteilen, deren Oberflächen mit einem Schilfgrasrelief versehen worden sind. Dieses Muster wurde auch als Siebdruck auf die grün schimmernde Verglasung aufgebracht. Dem in seiner Form eher zurückhaltenden Bau wird damit eine ungeahnte Ausstrahlungskraft und Würde verliehen.
Gerne wird der neue Bücherhort in Utrecht mit der schwarzen Kaaba in Mekka verglichen. Der große architektonische Unterschied zu dem zentralen islamischen Pilgerort besteht jedoch darin, dass der Bau nicht frei auf einem Platz steht, zu dem alle umgebenden Bauten respektvoll Abstand halten. Tatsächlich wurde aber durch die von Wiel Arets entworfene Bücherei die letzte Baulücke am zentralen Platz des neuen Hochschulcampus geschlossen. Über einen Laufsteg mit dem Hauptgebäude und dem daran angrenzenden Vorlesungszentrum verbunden, fügt sich die auf Abbildungen so unnahbar wirkende "Black Box" vielmehr wie ein passendes Puzzlestück in die städtebauliche Gesamtsituation ein.
Nähert man sich der in der Grundfläche 110 m x 36 m messenden Bibliothek, so fällt zunächst neben seiner schwarzen Färbung die willkürlich erscheinende Verteilung von verglasten und geschlossenen Teilflächen auf. Tatsächlich organisiert sich das neungeschossige Gebäude um vier zentrale Versorgungskerne und weist 20 regelmäßige Achsenabschnitte in seiner Längsrichtung auf. Die einzelnen Etagen wurden emporenartig zwischen diese Achsen eingehängt. Alle besitzen unterschiedliche Grundflächen und Zuschnitte. Auf diese Weise wird eine beeindruckende, dreidimensionale Raumlandschaft geschaffen, die immer wieder mit neuen Blickachsen und Sichtbezügen überrascht.
Wann immer diese Ebenen an die äußere Front stoßen, erfolgt in der Fassade ein Wechsel von transparenten Glaselementen zu schwarz durchgefärbten Betonfertigteilen der Modulgröße
1,0 m x 2,50 m. Für die Herstellung der Schilfgrasornamentik wurden in die Schalungen Strukturmatritzen der Firma NOE Schaltechnik aus Süssen eingelegt. Insgesamt 480 m² dieser gummiartigen Matten wurden für die aufwändigen, teilweise auch in Ortbetontechnik ausgeführten Schalungsarbeiten benötigt. Das Motiv, das sich ebenso als Siebdruck auf der Außenverglasung wiederfindet, wurde von dem Niederländer Kim Zwarts entwickelt und basiert auf einem Foto, das der Künstler im Auftrag des Architekten in Schweden aufnahm.
Das Herz des Gebäudes ist das Hauptfoyer. Canyonartig schiebt es sich zwischen alle Ebenen und verteilt diese auf zwei ungleich große Bereiche. Über zahlreiche Stege und Treppenläufe bleiben jedoch die verschiedenen Geschossflächen miteinander verbunden. Diese vielleicht 25 m hohe Empfangshalle befindet sich im 1. Obergeschoss und ist von außen nur über eine unauffällige Drehtür zugänglich.
Über einen eingeschossigen Verbindungsbau ergänzt ein Parkhaus mit 530 Stellplätzen den Bücherspeicher. Errichtet in vollendeter Fertigteilbauweise, folgt seine Fassade ganz dem Duktus des maßgebenden Nachbarn.
Auch wenn die Textur der Fassade nur allgemein Schilfgras zeigt, ist der Verweis auf dessen Unterart Papyrus offenbar. Wiel Arets bezieht sich damit nicht nur auf die bekannten Schriftrollen der Antike, er weist auch auf den ersten Ort hin, an dem solche Papyrus- Rollen zentral gesammelt wurden: Die Bibliothek von Alexandria.
Dass jedoch eine Fassadenoberfläche einen inhaltlichen Aufschluss über die Funktion eines Gebäudes geben kann, ist tatsächlich ein bemerkenswerter und neuartiger Effekt.
Robert Mehl, Aachen