Projektart:
Anfrage:
Objekt:
Typ:
Schlosserei
Ort:
Krefeld [Satellit]
Staat:
Deutschland
Architekt:
Gerd Aretz, Krefeld
Materialien:
Stahl, Glas
Publiziert:
metallbau 06/2017
Seiten:
26 - 28
Inhalt:
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Metallbauer Aretz lebt sein Gesamtwerk

Ausgezeichnetes Betriebsgebäude

In Krefeld schuf ein metallverarbeitender Betrieb auf nur rd. 100 m² eine neue Verwaltung, die "zu ihnen passt" - aus Stahl. Der versteckt liegende und nicht auf seine Außenwirkung bedachte Bau erhielt unlängst den Architekturpreis der Stadt.
Seit 1984 ist das Metallbauunternehmen Franz Krüppel am Höffgeshofweg im Krefelder Stadtteil Fischeln angesiedelt. Die noch heute das Grundstück dominierende Montagehalle stammt im Wesentlichen aus dieser Zeit. Bis vor drei Jahren war die Verwaltung beengt in einem rückwärtigen Hallenteil untergebracht, an den man einen unspektakulären Wintergarten als provisorischen Besprechungsraum angliederte. Von dort blickte man in den hinteren Teil des Grundstücks mit einem kleinen Garten und einem künstlichen Teich. Die Wasserfläche und die mittlerweile hoch gewachsenen Bäume des Gartens bestehen noch heute, der Wintergarten und das Büro sind dem Neubau gewichen. Vielleicht mag auch die daher begrenzte Grundfläche einer der Gründe für die ausgesprochen kompakte Architektur sein.
Wesen des Betriebes
Gegründet wurde der Familienbetrieb 1950 von Franz Krüppel, dem Vater der heutigen Geschäftsführerin Claudia Aretz. Zusammen mit ihrem Ehemann Gerd Aretz und ihrem Sohn Jan leitet sie das Unternehmen. Ihr Sohn Sven, ein Architekt, entwarf den Neubau, während ihr dritter Sohn Lars als Landschaftsplaner die Neuanlage des kleinen Hinterhof- Parks entwickelte. Ehemann Gerd ist gelernter Schlosser, der nach seiner Lehre zuerst Maschinenbau und dann noch Architektur erfolgreich studierte. Er zeichnet verantwortlich für die Ausführungsplanung und die Bauleitung. Da bei der Realisation des Projekts das Tagesgeschäft natürlich immer vorging, zog sich die Bauzeit über fast ein Jahr hin - viel länger, als für ein Projekt dieser Größe sonst üblich.
Die Spezialität des metallverarbeitenden Unternehmens ist die Produktion von Prüfblechen unterschiedlicher Güte und Kategorien. So beliefert der Betrieb etwa die Farbindustrie mit verschiedenen Normprobenplatten, um die Adhäsion (Haftungsverhalten) neuer Lacke auf diversen Metalluntergründen zu erproben. Für die Herstellung dieser Trägerelemente von Prüfmustern verfügt das 12 Mitarbeiter zählende Unternehmen sowohl über entsprechende Stanzmaschinen wie über eine automatische Durchlauf- Sandstrahl- Anlage. Bei dieser befestigt zunächst ein Arbeiter auf einer magnetischen Vortriebshalterung die kachelartigen Prüfrohlinge, dann fährt diese in die gekapselte Anlage ein, in der Düsen auf- und abfahren, um diese blank zu strahlen. Größere Bauteile können in einem separaten Strahlraum gesäubert werden. Für entsprechende Arbeiten wird der etwa 20 m² große Raum hermetisch verschlossen; die Arbeiter tragen darin Vollschutz mit einer externen Luftzufuhr und erinnern dabei sehr an Tiefseetaucher.
Neben diesem industriellen Produktzweig ist das Unternehmen sehr handwerklich ausgerichtet und hat sich auf hochwertige Schlosserarbeiten spezialisiert. So wird der Betrieb immer wieder mit der Instandsetzung oder der Rekonstruktion von denkmalgeschützten Fenstern des Krefelder Mies-van-der- Rohe- Business- Parks betraut. Für solche Aufträge verfügt die Krüppel GmbH neben einer Drei- Meter- Kantbank auch über eine Bandschleifanlage mit austauschbaren Führungswalzen, etwa zur Erstellung präziser Rohrschnitte. Grundsätzlich verarbeitet der Betrieb jede Art von Metall, was sich anschaulich anhand des umfangreichen Profil- und Tafellagers oder in der Zulassung zum Edelstahl- Schweißen dokumentiert.
Der Betrieb bietet bewusst nicht Lasern von Stahlplatten an. Zweifellos ist ein laserbasiertes Zuschneiden schnell, effektiv und schafft annähernd gratfreie Oberflächen. Allerdings sind die Investitionskosten so enorm, dass "Sie mindestens im Zweischichtbetrieb arbeiten müssen, um kostendeckend zu sein, und einen Dreischichtbetrieb brauchen, um Gewinne zu erzielen!", so die Einschätzung von Gerd Aretz. Zudem gibt es auch in Krefeld zwei oder drei Firmen, die Lasern als Dienstleistung anbieten.
Herz aus Stahl
Der neue Verwaltungsbau ist eine Stahlkonstruktion über zwei Gebäudeachsen. Sechs 280 mm I- Träger dienen hier als Stützen. An diese wurden Stahlriegel als Geschossdecke und als Unterkonstruktion des Daches montiert. Zunächst fertigten und schweißten die Mitarbeiter in der benachbarten Werkstatt alle Elemente passgenau an, um sie dann "vor Ort" - also keine zehn Meter weiter - miteinander zu verschrauben. Um die fünf Meter betragende Dachauskragung oberhalb des Haupteingangs ohne Durchbiegen zu realisieren, wurde diese um 7 cm überhöht. Erreicht wurde dies durch ein geneigtes Aufschweißen der Kopfplatte an den Träger. Durch ihr eigenes Gewicht zieht sich die Konstruktion nun in die Waage. Zudem wurden in die beiden Doppel- T- Stützen der Eingangsseiten zwei kleinere I- Träger vertikal eingestellt. Sie haben eine aussteifende Wirkung und ersetzen die sonst unerlässlichen Diagonalstreben.
"Die Fassaden können Sie nicht selber machen! Die Profile weisen zur thermischen Trennung und zur Kondensatvermeidung so viele Hohlräume und Kammern auf. Das System haben wir zugekauft, von dem Lieferanten, den wir auch sonst verarbeiten!", erläutert Gerd Aretz.
Besonders stolz ist er auf den bodengleichen Abschluss der Glasscheiben, wobei er bescheiden angibt: "Im Grunde müssen Sie die Fensterprofile nur etwas tiefer setzen!". Nur durch einen schmalen Kiesstreifen von dem Neubau getrennt beginnt direkt der Karpfenteich, der zum Gebäude hin durch rostrote "Spundwände" begrenzt wird. Tatsächlich handelt es sich nur um eine halbmetertiefe Verblendung, die bis zum Beginn der Teichfolie reicht.
Beheizt und gekühlt werden die 200 m² großen Büroflächen über Umluft, die an eine hocheffiziente Wärmerückgewinnungsanlage gekoppelt ist. Ferner können die Obergeschossbüros, wie der EG- Besprechungsraum, jeweils über ein hochformatiges Ausstellfenster natürlich belüftet werden. Zum bestehenden Hallendach orientiert gibt es zudem zwei größere Drehkippfenster, die auch als Fluchtwege dienen. Vom Hallendach hinab gelangt man über eine Nottreppe.
Kleinodien aus Stahl
Die neuen Räume sind geprägt von selbst gefertigtem, stählernem Mobiliar. Auffallend sind dabei die 2,70 m x 1,00 m großen Tische, die einer angenehmeren Haptik wegen Oberflächen aus schwarzem Linoleum erhielten. Die Unterseiten sowie die tragenden Flanken wurden mit Klarlack lackiert. Die aus Stahlblechen bestehenden Stühle erhielten eine graue Pulverbeschichtung und ihre Sitzflächen wurden mit grauem Filz kaschiert. Ein echter Blickfang ist die Stahlkommode im Besprechungsraum: Ihre Blende wurde aus einem einzigen Stahlblech mittels Laser geschnitten und positionsgenau wieder zusammengefügt. Denn "gewalzte Bleche besitzen genauso eine individuelle Textur, wie etwa eine Holzmaserung!", erläutert Gerd Aretz.
Das dominante Detail der lichtdurchfluteten Verwaltung ist aber die minimalistische Treppe ins Obergeschoss. Sie besteht lediglich aus vollkommen unbehandelten, stählernen Trittstufen, die in eine mit Gipskarton verkleidete Stahlkonstruktion eingespannt wurden und leicht federnd hervorragen. Ein ebenso reduzierter Handlauf begleitet ganz ohne Vertikalstreben den Weg nach oben. Freimütig bekundet Gerd Aretz seine Verwunderung, dass die Treppe bei der Bauabnahme nicht beanstandet wurde. Aber es handelt sich um private Geschäftsräume ohne Publikumsverkehr und im Brandfall verläuft der erste Fluchtweg über das Hallendach, so die Gutachter.
Hidden Champion
Eigentlich wollte die Inhaberfamilie nie Publicity mit ihrem Verwaltungsbau machen. Es war ein Vertreter der Stadt, der bei einem Besprechungstermin im Verwaltungsbau der Familie Aretz dringend empfahl, das Projekt unbedingt zum Architekturpreis einzureichen. Tief beeindruckt vergleicht auch der Krefelder Oberbürgermeister Frank Mayer in seiner Laudatio die versteckte Qualität der Produkte der Franz Krüppel GmbH mit dem Charakter ihrer Verwaltung: Beides seien "Hidden Champions".
Robert Mehl, Aachen