Projektart:
Anfrage:
Objekt:
LiTraCon
Typ:
Tranzluzenter Beton
Ort:
Csongrád, Aachen
Staat:
Ungarn, Deutschland
Architekt:
Materialien:
Beton, Glasfaser
Publiziert:
BFT 03/2005
Seiten:
66 - 69
Inhalt:
[Artikel]      
 

LiTraCon

Transparenter Beton macht Furore

Im letzten Jahr machte ein neues Kunstwort die Runde: LiTraCon, es stand für „LIght TRAnsmitting CONcrete“. Die beiden Mentoren dieses transparenten Betons, der Ungar Áron Losonczi (28) und der Deutsche Andreas Bittis (38), hatten sich nicht weniger vorgenommen, als mit ihrem Baustoff die gesamte Baukunst zu revolutionieren. In einer beeindruckenden Marketingkampagne verbreitete sich die Nachricht vom transluzenten Betonstein wie ein Lauffeuer um die Welt. Während in Deutschland der "Spiegel" oder die "Süddeutsche Zeitung" ausführlich über den Baustoff berichteten, wählte das renommierte "Time Magazine" das Produkt zu einem der innovativsten Erfindungen des Jahres 2004. Selbst die "New York Times" widmete diesem neuen Bauelement einen Beitrag. Binnen kürzester Zeit bekam das Unternehmen über 12 000 Musteranfragen aus aller Welt. Über den Erfolg des Produktes haben sich die beiden Firmengründer nun zerstritten.

Das Produkt

Der Baustoff Litracon besteht aus etwa 95 Volumenprozent zuschlagfreiem Feinbeton und etwa 5 Volumenprozent optischer Glasfaser. Je nach Anforderung kann dabei die Stärke der Fasern variieren. Für gewöhnlich werden Fasern zwischen 0,5 und 1 mm verarbeitet. Der Baustoff ist ein Betonfertigteil, das nicht in Ortbeton produziert werden kann. Das eigentliche Endprodukt, die lichtdurchlässige Steinscheibe wird nicht in einer eigenen Schalung erstellt, sondern - entsprechend der notwendigen Stärke - aus einem großen Betonblock geschnitten. Nur so kann erreicht werden, dass jede Glasfaser unmittelbar an der Oberfläche des Steins beginnt. Zu beachten ist auch, dass der Betonkörper nur in einer Ebene, nämlich in der Liegerichtung der Fasern lichtdurchlässig ist.
Durch das Einlegen von Fasergeweben oder das alternierende Einbringen der optischen Leiter in zwei Raumachsen könnten jedoch auch Elemente erzeugt werden, die etwa als Pfeiler von vier Seiten durchscheinend wären. Realisiert werden konnte diese Idee leider bisher genauso wenig wie ein volltransparenter Würfel: Zu aufwändig ist noch das Einbringen der Glasfaser.
Die Herstellung des Materials kann mit dem Backen einer Lasagne verglichen werden. Als Schalung dient eine bis zu 2,80 m lange Kastenform, in der schichtweise Glasfaserlagen eingelegt und jeweils mit einer 2-3 mm starken Betonschicht löffelweise bedeckt werden. Der Vorgang muss so lange zügig und ohne größere Pausen wiederholt werden, bis die angestrebte Elementhöhe erreicht ist, da ansonsten die Homogenität des Materials nicht gewährleistet ist. Nach dem Aushärten wird der Betonblock quer zur Faserrichtung in Scheiben geschnitten. Erst dieser Schnitt durch die optischen Lagen erzeugt die typische Transparenz. Diese Steinscheiben sind auch das eigentliche Endprodukt.
Durch das lose Einlegen der Fasern ergab diese erste Herstellungsweise ein unregelmäßiges, leicht geschichtet wirkendes Oberflächenbild. Verschiedene Versuchsreihen wurden gefahren, zunächst mit lose herabhängenden Fasern, die in ein Betonbad eintauchten und schließlich mit matrixartigen Schotten, die als verlorene Schalung quer in die Kastenform gestellt wurden. Die dünnen Glasfaserstränge werden hier durch das gleichmäßige Lochraster dieser Schotten hindurchgefädelt. Diese fixieren dann die optischen Fäden während des Betoniervorgangs in ihrer jeweiligen Position. Die optischen Fäden werden in der Längsrichtung komplett durch die Schalung geführt und an deren Außenseiten unter Spannung fixiert. Da der Betonstrang nach dem Aushärten ohnehin in Scheiben geschnitten wird, können in dieser Phase die Betonvolumina mit den Abstandhaltern einfach aussortiert werden. Eine Wiederverwendung dieser Rasterelemente ist allerdings nicht möglich.
Verwendet wurde bisher ein Beton der Güteklasse C 20/25 (ehemals B 25). Die Zugabe bewirkte eine Erhöhung der Festigkeit, die mit einem C 50/60 (ehemals B 55) vergleichbar war. Dabei lag die Festigkeit in Faserrichtung deutlich über derjenigen der beiden anderen Achsen.
Für einen Kubikmeter des transparenten Betons werden etwa 200 000 laufende Meter optische Glasfaser benötigt. Dabei kostet der Meter Glasfaser nach Angabe von Andreas Bittis 10 Cent. Der hohe Materialpreis wie auch die aufwändige Herstellung sind der Grund, warum der Preis für einen Kubikmeter Litracon auf rund 50 000,- Euro beziffert wird.
Bisher wurden zwei Bauprojekte realisiert, bei denen der Baustoff Verwendung fand: Eine Sonnenschutzanlage für ein privates Haus in Budapest sowie das offizielle Denkmal für den ungarischen Beitritt in die Europäische Union. Es wurde in Komáron errichtet, einem geschichtsträchtigen Ort im Westen Ungarns. Das Monument liegt unmittelbar am Zusammenfluss von Wad und Donau. Darüber hinaus existieren von dem Produkt zahlreiche Prototypen, wie etwa die oft publizierte „Stockholm- Wall“. Diese Muster werden weiterhin auf zahlreichen Messen gezeigt und finden große Beachtung.
Áron Lonsonczi, der eigentliche Erfinder dieses Baumaterials, hat sich mit internationalen Patenten sowohl das Verfahren wie auch das Produkt schützen lassen.

Die Firmengeschichte

Der studierte Architekt Áron Losonczi hat das Konzept für einen lichtdurchlässigen Beton im Rahmen eines postgraduierten Studiums in Stockholm 2001 entwickelt. Inspiriert zu seiner Erfindung wurde er durch zwei unabhängige Begebenheiten: In seiner Heimatstadt Czongrad entdeckte er auf einer Kunstausstellung eine Betonskulptur in die handelsübliche ESG- Glasscheiben eingegossen waren. Sobald das Licht von der Rückseite auf die Skulptur fiel, begannen die Glaselemente so stark zu leuchten, dass diese den ansonst massiv wirkenden Betonkörper ästhetisch auflösten.
Etwas später besuchte der junge Entwerfer in Essen den von André Heller gestalteten Lichterpark der RWE. Hier faszinierte ihn ein Raum mit Millionen von frei herabhängenden Glasfasern, die eine regelgerechte Lichthöhle formen.
Durch diese Erfahrungen als Ingenieur herausgefordert, begann er nach einer geeigneten baulichen Umsetzung zu suchen und startete mit eigenen Versuchen. Die für seine Materialexperimente notwendigen optischen Fasern bezog er von der Mainzer Firma Schott. Diese wurde auf Grund seines für Privatkunden ungewöhnlich hohen Mengenbedarfs schnell auf ihn aufmerksam und veröffentlichte im Herbst 2003 in ihrer Firmenzeitschrift einen Beitrag über sein Produkt „LiTraCon“.
Der ebenfalls studierte Architekt und Fachjournalist Andreas Bittis nahm von Losonczi durch eben diesen Artikel Notiz und kontaktierte ihn für ein Interview. Nach einem ersten Treffen war er jedoch so positiv von dem Produkt eingenommen, dass er Losonczi die Gründung einer gemeinsamen Firma vorschlug. Schnell war man sich über die Arbeitsteilung einig: Bittis wollte das Marketing und das für ein Start-up notwendige Geld organisieren, Losonczi dagegen die Muster produzieren und die Produktentwicklung vorantreiben.
Die erste öffentliche Präsentation des Materials in der Ribe- Gallery in London löste ein ungeahntes mediales Echo aus. Wenig später folgte eine weitere Ausstellung in Washington DC. Binnen weniger Wochen gingen auf der Web-site www.litracon.com über 12 000 E- Mails ein. Andreas Bittis meint, es sei einfacher, die bekannten Architekten aufzuzählen, die sich bisher noch nicht gemeldet hätten: Peter Eisenmann, Daniel Libeskind und Toyo Ito. Renommierte Zeitschriften und Tageszeitungen begannen über das Material zu schreiben, und die Prototypen wurden von Fachmesse zu Fachmesse weitergegeben. Zuletzt waren Sie auf der BAU 2005 in München und auf den Ulmer Betontagen zu sehen.
Doch der mediale Hype füllte noch lange nicht die leere Firmenkasse. Schließlich zerstritten sich die beiden Partner über die Art der Finanzierung: Bittis schwebte ein Start-up in Form einer GmbH vor. Beide Gründer sollten gleichberechtigte Partner sein. Das Patent sollte in den Besitz dieser Firma übergehen. Den beteiligten Banken hätte der ordentliche Eintrag in das deutsche Handelsregister als Sicherheit zur Finanzierung des Unternehmens gereicht. Doch für Losonczi war und ist eine Abgabe seines auf ihn persönlich angemeldeten Patentes grundsätzlich inakzeptabel. In diesem Punkt scheinen beide lange Zeit trefflich aneinander vorbeigeredet zu haben. Als es offensichtlich wurde, dass Bittis ohne Patent kein Geld bereitstellen konnte, platzte das Start-up und Losonzci begann sich nach finanzkräftigeren Partnern umzuschauen.
Dem ungarischen Erfinder schwebt ein Lizenzmodell vor: Er will sein Patent behalten und erteilt einer großen, mit entsprechendem Know-how und Kapital ausgestatteten Firma das Recht als Lizenznehmer zunächst den Prototypen zu einem industriellen Produkt weiterzuentwickeln und anschließend zu vermarkten. Abgesehen von der für ihn natürlich größeren finanziellen Sicherheit, fügt er selbstkritisch an, dass er mit seiner kleinen Manufaktur weder das Know- How noch die technischen Möglichkeiten besitzt, ein marktfähiges Produkt zu entwickeln. Nichtsdestotrotz will er in seiner Heimatstadt, dem ungarischen Czongrad, LiTraCon einerseits weiterhin entwickeln und Eigenanfertigungen verkaufen können.
Derzeit befindet sich Losonczi in Verhandlungen mit deutschen und italienischen Investoren. Wer den Zuschlag erhält ist derzeit noch offen. Der junge Entwerfer geht jedoch davon aus, dass es bis spätestens Anfang April zu einem Abschluss kommen wird. Sofern anschließend die serielle Produktentwicklung rasch vorangetrieben werden kann, rechnet er mit einer Markeinführung von zumindest semi-industriell gefertigtem LiTraCon im Herbst dieses Jahres. Zum Preis räumt er ein, dass der transluzente Kunststein wohl nie ein Massenprodukt werden wird, er aber hofft, dass seine Verwendung in naher Zukunft einen deutlich erschwinglicheren Luxus darstellen wird. In der Zwischenzeit kann der opake Baustoff in kleinen Mengen direkt über Áron Losonzci bezogen werden.
Robert Mehl, Aachen
Darstellung eines LiTraCon-Prototypen