Projektart:
Anfrage:
Objekt:
Kloster Maulbronn 🔗, Weltkulturerbe
Typ:
Klosteranlage
Ort:
Maulbronn [Satellit]
Staat:
Deutschland
Architekt:
-
Materialien:
Altbausanierung
Publiziert:
bhw 11/2013
Seiten:
17 - 21
Inhalt:
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Stein und Putzsanierung am Kloster Maulbronn

Sandstrahlen geht gar nicht!

Ende Oktober wurden in Maulbronn die Sanierungsarbeiten an der Klosterkirche offiziell abgeschlossen. Dabei nutzten die Restauratoren einerseits aktuelles chemisches Know-how, die neuerliche Steinbearbeitung geschah jedoch mit Werkzeugtechniken des Mittelalters.
Seit dem Historismus des 19. Jahrhunderts steht das ehemalige Zisterzienserkloster im besonderen Fokus von teilweise selbst ernannten Bauforschern. Jahrhunderte zuvor, während der Reformationszeit, war das Fürstentum Württemberg protestantisch geworden und das vormals reiche Kloster wurde aufgelöst. Fortan war es nur noch ein evangelisches Priesterseminar, zudem ein Internat gehörte. Vollkommen bedeutungslos fiel der Ort über lange Zeit in eine Art Dornröschenschlaf.
Ab der Romantik begannen viele vormalige, in ihrem weiteren Werdegang sehr erfolgreiche Schüler des Seminars - Hermann Hesse, Friedrich Hölderlin oder Johannes Kepler zählen dazu – den Wert des Ortes zu schätzen und zu benennen. Andere begannen damals, das ehemalige Kloster zu erforschen und darauf aufbauend Instand zu halten. Insofern kann man Maulbronn als eine der Wiegen der wissenschaftlichen Denkmalpflege bezeichnen.
Das besondere an dem Ort ist, dass nicht nur die eigentlichen Sakralbauten, wie die Kirche, der Kreuzgang und die Dormitorien, erhalten sind, sondern auch die gesamte, dazugehörige mittelalterliche Klosterstadt. Bis zum heutigen Tag wird alles zudem von einer Klostermauer umschlossen. Die Vollständigkeit des Baubestandes war letztlich einer der Gründe, warum 1993 die UNESCO dem ehemaligen Kloster den Status eines Weltkulturerbes zuerkannt hat.
Trotzdem waren seit fast fünfzig Jahren keine Arbeiten mehr zur Sicherung des Mauerwerkes und der Putze an den Sakralbauten durchgeführt worden. Auch hatte man in früheren Zeiten teilweise mit obskuren Methoden und Materialien experimentiert, die nun ersetzt werden mussten. So fanden die Restauratoren der Firma AeDis etwa funktionslosen Schwefelkleber, wohl um 1870 appliziert.
Fugenerneuerung
Der Großteil der Arbeiten bestand aus der Erneuerung der Steinfugen. Steinmetzmeister Peer Mühle und seine Kollegen erneuerten allein im Kreuzganginnenhof rund 1.200 m davon, was etwa zwei Monate dauerte. Dazu kratzten sie erst den zersetzten, nicht mehr tragfähigen Mörtel soweit heraus, bis sie auf intaktes Material stießen – teilweise waren das mehrere Zentimeter. Den entstandenen Spalt „stopften“ die Steinmetze zuerst mit einer gröberen Mörtelmischung vor, bevor sie schließlich die Fuge mit zwei nacheinander aufgetragenen Feinmörtelschichten erneut schlossen. Zur Anwendung kam ein Kalkmörtel, der anhand chemischer Analysen des Ursprungsmaterials ermittelt wurde. Als hydraulisches Bindemittel wurde hingegen modernes Metaver verwendet, also gebrannter reiner Kaolin (Metakaolin), der mit dem freigesetzten Portlandit im Mörtel eine Bindung zu Kalzium- Silikat- Hydrat (Zementstein) eingeht, was aufgrund der höheren Festigkeit auch eine höhere Lebensdauer sicherstellt.
Steinmetzmäßiger Steinabbau
Neben der Fugenerneuerung mussten nicht wenige Steine ausgetauscht werden. Das betraf sowohl aufwändige Bauteile, wie etwa einen Fünfpass aus einem gotischen Steinfensterrahmen, aber auch großformatige Steinquader aus regulären Mauerwerksverbänden. Die beiden beteiligten Betriebe arbeiteten dabei Hand in Hand. Während die Mühle + Friedrich GbR für den eigentlichen Ein- und Ausbau des Steinmaterials verantwortlich war, schuf Janine Beyer von der Firma AeDis die neuen Steine. Dazu ermittelte sie zunächst den kleinsten umfassenden Hüllquader eines Steines und erstellte sodann exakte Schablonen, für die sie den Ausgangsstein sorgfältig 1:1 „abtastete“.
Tatsächlich erscheint diese Arbeitsteilung auf den ersten Blick widersinnig, bewährte sich aber im Bauprozess. Während sich Mühle zunehmend auf die baulichen Besonderheiten von gotischen Mauerwerksverbänden spezialisierte, vertiefte seine Kollegin Beyer ihre Kenntnisse in der spätgotischen Steinbearbeitung. Dabei verwendete sie für die finale Oberflächenbearbeitung der Steine Werkzeuge, die den mittelalterlichen Gerätschaften nachempfunden waren. Dies waren vor allem Meißel, Krönel und Schariereisen.
Für den Ausbau schadhafter Steine, vor allem aus geschlossenen Mauerwerksverbänden wurde von den Handwerkern eine gewisse Derbheit gefordert, denn teilweise war sogar ein Presslufthammer hierfür erforderlich. Deutlich feinmechanischer gestalteten sich hingegen die Arbeiten an den gotischen Fenstergewänden. Deren Ausbau war verhältnismäßig leicht, allerdings wollten die Fügeflächen präzise vorbereitet sein, denn die Bauteile wurden miteinander verdübelt. Dies geschah mit Karbonstiften, die abhängig von der zu montierenden Bauteilgröße zwischen 3-10 mm stark waren. Sie wurden in die zuvor hierfür angelegten Steinbohrungen geschoben und dann dauerhaft mit Epoxidharz vergossen.
Steinantragung
An Stellen, wo es nicht möglich war, ganze Steinblöcke auszutauschen, oder wo der Stein nur in geringen Bereichen schadhaft war, bauten die Steinmetze von der Firma AeDis die Fehlstellen neu auf. Dazu applizierten sie den neuen Mörtel und ließen ihn anziehen. Das dann ausdiffundierende Anmachwasser trieb das überschüssige Bindemittel mit nach außen, wo es zu einer harten Sinterschicht abband. Die Handwerker mussten diese dann vorsichtig abtragen. Nach der vollständigen Abtrocknung des Mörtels arbeiteten sie denselben auf das vorgesehene Niveau steinmetzmäßig zurück. Sie verwendeten dabei ihr reguläres Werkzeug, um die gewünschten Oberflächen zu erzielen. Nur so war es möglich, erneut eine diffussionsoffene Struktur zusammen mit dem alten Stein zu erreichen. Ein Aufbau, der dies nicht gewährleistet, führt dazu, dass das angetragene Material, etwa durch Frostsprengung, wieder abfällt. Die Steinantragung musste außerdem etwas weicher im Material sein. Nur so ist eine dauerhafte Verbindung sichergestellt.
Mikropartikelstrahlen im Niederdruckbereich
„Sandstrahlen macht man heute nicht mehr, das ist ein totales no-go im Bereich der Denkmalpflege!“ erläutert Omid- Paul Efterkahri. Er ist der Restaurator, der vornehmlich das „Mikropartikelstrahlen im Niederdruckbereich“ ausgeführt hat. Tatsächlich fühlt sich das Strahlgut wie besonders feines Mehl an, das mit einer Air-brush-artigen Pistole ausgeführt wird. Niederdruck meint eine Strahlkraft, wie sie etwa aus einem normalen Wasserhahn kommt, etwa 1,5 bar. Bei den Sanierungsarbeiten in Maulbronn hat Efterkahri für seine Pistole Düsenöffnungen zwischen 1,5-4 mm verwendet. Der übliche Abstand zur Zieloberfläche lag immer zwischen 10-15 cm. Der Restaurator meint, dass man in 30 cm Abstand den Partikelstrahl wohl noch vage auf der Hand spüren würde. Allerdings gäbe es nach rund 50 cm nur noch eine diffuse Wolke, da der Strahl sich fächerartig immer weiter öffnet. Was harmlos klingt, staubt jedoch „irre stark“ und man würde freiwillig den vorgeschriebenen, baumarktüblichen Schutzanzug sowie eine Schutzbrille und -maske der Klasse SP3 tragen. Efterkahri ist von dem reinigenden Effekt mehr als begeistert. Der Reinigungsstrahl hätte so eine Feinschliffwirkung, dass man damit „Druckerschwärze aus einer Zeitung radieren kann, ohne das Papier zu zerstören.“
Mit dem Mikropartikelstrahlen wurden hauptsächlich Staubpartikel abgetragen, die sich über die Jahrhunderte auf den Wandflächen angesammelt und sich zu einer dunklen Oberfläche verbunden haben. Sie sind derart verhärtet, so dass die Steine nicht mehr diffusionsoffen sind. Dem Restaurator zufolge hätte saurer Regen seinerzeit zwar Oberflächenschäden verursacht, sei aber nicht die Ursache dieser Schichten. Überdies wäre das Phänomen „Saurer Regen“ fast vollkommen verschwunden, seitdem schwefelfreies Benzin flächendeckend verwendet wird. Die Denkmalpflege profitiere davon.
Die verhärteten Staubschichten wurden allerdings nicht vollständig abgetragen, denn das Objekt soll am Ende nicht „wie neu“ aussehen. Vielmehr haben sie nur so viel entfernt, bis wieder eine Diffusionsoffenheit hergestellt war. Denn auch der alte Schmutz ist ein historisch bedeutsames Dokument, das zum Gebäude gehört und dessen Erscheinung mit prägt.
Putzsicherung
Nicole Kaiser oblag die Putzsicherung im Bereich des Kreuzganges und dem dazugehörigen Innenhof, dem Quadrum. Das beinhaltete sowohl ein Festigen der geschädigten, historischen Substanz wie ein Hinterfüllen hohler Flächen. Letzteres war ihre Haupttätigkeit. Oft gehen diese Hohlstellen einher mit Rissen, durch die hindurch man die sämige Hinterfüllmasse mit einer normalen Spritze und einer darauf aufgesetzten Kanüle einbringen kann. Manchmal muss man aber auch ein kleines Loch in den hohlen Putz „pieksen“, um an die Leerräume zu kommen. Orientiert am ursprünglichen Putz verwendete sie eine Hinterfüllung auf Kalkbasis. Dieser gab man in einem zuvor festgelegten Verhältnis Marmormehl, Hohlglaskügelchen als massearmen Zuschlag sowie Metaver zu.
Teilweise musste Kaiser aber auch verloren gegangene Fehlstellen komplett erneuern. Hierzu brachte sie die beschriebene Hinterfüllung in einer deutlich steiferen Konsistenz als Putz auf. Diese wie auch andere Stellen musste sie hinterher jedoch retouchieren, um die instand gesetzten Flächen in der Fernwirkung unauffälliger zu machen. Vom Original unterscheiden kann das kundige Auge sie trotzdem immer noch gut - wenn man nah genug davor steht.
Die kritischsten Putzbereiche sind die Mürbzonen. Es sind hohl liegende Putzabschnitte, die sich durch stetige Temperatur- und Feuchtigkeitswechsel soweit verändert haben, dass sie zunächst gesichert und gefestigt werden mussten. Mit letzteren hatten nicht nur die Restauratoren im Kreuzgang erheblich zu kämpfen. Dies war auch der Bauschaden, mit dem sich Ekkehard Fritz und Christiane Böke vornehmlich befassen mussten. Ihre Wirkstätte waren die drei gotischen Kreuzgewölbe der großen Eingangshalle vor der Kirche, das so genannte Paradies. Fritz erläutert, dass zunächst eine vorsichtige Bestandsaufnahme durchgeführt wurde und man besonders gefährdete Putzstellen mit Gaze oder mit Japan- Papier notsicherte. Das größte Problem war der Umstand, dass das ursprüngliche Material aus einer Mischung aus Kalk und Lehm besteht und dass sich der Lehmanteil infolge der thermischen und hygrischen (Feuchtigkeit) Belastung quasi zersetzt hat. So haben sich die besagten Mürbzonen mitsamt den Hohlstellen gebildet, da sich dort der zersetzte Putz vom tragenden Mauerwerk löste. Damit verformten sich auch die Putzflächen, und die Schäden wurden teilweise als herabhängende Beulen sichtbar. Durch Applizieren von Cyclododecan auf diese Mürbzonen gelang es, sie erneut zu stabilisieren. Anschließend verfüllten Fritz und Böke die Hohlstellen mit demselben Material, das ihre Kollegin auch im Kreuzgang verwendete. Teilweise gelang es sogar, die Putzflächen zurück zu verformen und sie wieder an das tragende Gewölbe zu pressen. Das Cyclododecan hat neben dem festigenden Aspekt auch einen vorbeugenden Effekt. Es verhindert, dass die mineralischen Bindemittel der erwähnten Hinterfüllung – vornehmlich die gelösten Salze – mit der Zeit durch den historischen Putz schlagen und es so zu unschönen Ausblühungen kommt.
Fazit
Gut drei Jahre nahm die Sanierung von Kirche und Kreuzgang des Klosters in Anspruch. Vor wenigen Tagen, Ende Oktober, wurde mit einem Festgottesdienst das Ende der Arbeiten am Weltkulturerbe feierlich begangen. Mit großer Wahrscheinlichkeit werden die Resultate wohl etwas länger halten als der ominöse Schwefelkleber von einst. .
Robert Mehl, Aachen
http://www.bauhandwerk.de