Projektart:
Anfrage:
Objekt:
JVA Gablingen
Typ:
Justizvollzugsanstalt
Ort:
Augsburg [Satellit]
Staat:
Deutschland
Architekt:
Dömges Architekten 🔗, Regensburg
Materialien:
Beton, Farbe
Publiziert:
colore 14
Seiten:
42 - 49
Inhalt:
[Artikel]  [2]      
 

Neubau JVA Augsburg- Gablingen

Kunst am "Bau"

Nahe Augsburg ist auf freiem Feld der Neubau einer Justizvollzugsanstalt entstanden, sie ersetzt einen nicht mehr zeitgemäßen Vorgängerkomplex in der Innenstadt. Die 2015 in Betrieb genommene Anlage entspricht nicht nur den aktuellen Sicherheitsstandards, sondern gewährleistet auch eine humanere Unterbringung. Nicht zuletzt aufgrund eines besonderen Farbkonzeptes.
Nähert man sich der JVA Gablingen, nimmt man zunächst eine riesige, abstrahierte Grafik wahr, die sich im Format 6 x 37 m über das Pfortengebäude erhebt und entfernt an eine Wolke erinnert. Aufgebracht ist das Kunstwerk des Nürnberger Künstlers Gerhard Mayer auf der Schildwand, also einer Mauer, die verhindern soll, dass Gefangene über das Flachdach des Pfortengebäudes fliehen. Das grafische Kunstwerk, das aus drei leicht zueinander versetzten Farblayern besteht, ist auf beiden Wandseiten spiegelsymmetrisch angebracht. Da die Mauerkrone aus einem halbrunden Betonfertigteil besteht (damit sich Wurfanker dort nicht verhaken), läuft das Bildnis zu beiden Seiten über die Krümmung hinweg bis zum Scheitel hinauf, wo es eine fugenlose Spiegelkante bildet.
Für eine künstlerische Gestaltung hatte das für den Bau verantwortliche staatliche Hochbauamt zusammen mit den bauausführenden Dömges Architekten aus Regensburg Wandflächen der JVA ausgewählt und diese in einem offenen Wettbewerb für ein Werk der "Kunst am Bau" ausgeschrieben. Dabei entschied man sich für Flächen, die sowohl den Insassen, den Besuchern, aber auch dem Personal zugutekommen.
Bildaufbau
Der Künstler reichte beim Wettbewerb zunächst nur ein digital nachbearbeitetes Foto der Schildwand ein, ergänzt um einen 1:1-Detailauszug der geplanten Oberfläche. Nachdem er den Auftrag bekommen hatte, setzte er seinen Entwurf zunächst als Tuschezeichnung im Maßstab 1:10 auf einem 0,60 m hohen und 3,70 m langen Papierbogen um. Diese Zeichnung ließ er scannen und duplizierte die Grafik am Rechner dreimal, um diese dann leicht zueinander zu verschieben. Diesen Ebenen wies er jeweils unterschiedliche Farben zu: einmal ein helles Gelb, einmal ein dunkles Rot und schließlich ein dunkles Ultramarinblau. Durch diese Interpolation gewann sein Kunstwerk die markante Räumlichkeit und Tiefe, die beim Betrachter Assoziationen an Wolken oder an Wellen weckt.
Von den einzelnen Ebenen ließ er plottergeschnittene Farbmasken für jede der drei Farbschichten erstellen. Für die zwei 222 m² großen Schildwandflächen waren jeweils etwa 30 dieser Schnittfolien erforderlich, die stumpf, jedoch millimetergenau aneinandergestoßen wurden.
Für die Arbeiten waren die Schildwand mit einem Baugerüst regensicher eingehaust und die Betonoberflächen mit einer Brillux- Grundierung vorbereitet worden. Sehr zeitaufwändig war das Aufkleben der Folien, das pro Schicht mehrere Tage in Anspruch nahm; der eigentliche Farbauftrag von Brillux Evocryl 200 mittels Sprühpistole dauerte hingegen nur wenige Stunden.
Generelles Farbkonzept
Die äußere Erscheinung der JVA Gablingen haben Dömges Architekten zurückhaltend angelegt. Hier dominieren Weiß- und Grautöne, sicherheitsrelevante Wandflächen beließ man in Sichtbeton. Der Anstrich erfolgte ausschließlich mit Brillux- Produkten, da diese eine besondere Farbstabilität und Langlebigkeit auszeichnen. Darüber hinaus wurden die Außenwände der Hafthäuser ab deren Obergeschossen mit dem Wärmedämmverbundsystem Qju des Münsteraner Herstellers isoliert. Markante Farbakzente setzten die Regensburger Architekten hingegen in den Innenbereichen. Jedes der vier winkelförmigen Hafthäuser erhielt eine Teilfarbe des Regenbogens zugewiesen, die sich in der Kolorierung der Fußböden, der Treppenhäuser, der Gitterwände und selbst der Hafttüren wiederfindet. Diese Farbbereiche finden auf der zentralen Erschließungsmagistralen zusammen, über welche die gesamte JVA organisiert ist. Blickt man deren Raumflucht entlang, fügen sich diese Farbflächen zu einem Regenbogen zusammen.
Farbcodes als Wegweiser
Der Projektleiter von Dömges Architekten Thomas Eckhard verweist darauf, dass nicht wenige der Insassen des auf 650 Häftlinge ausgelegten Geringstrafengefängnisses (bis max. fünf Jahre Haft) kaum der deutschen Sprache mächtig oder gar völlige Analphabeten sind. Ihnen wird mit einer auf Farbcodes basierenden Wegeführung die Orientierung ungemein erleichtert. Das im Herbst 2015 in Betrieb genommene Resultat bestätigt seine Aussage: Die Räume sind – auch wenn es sich um ein Gefängnis handelt - überraschend freundlich!
Robert Mehl, Aachen