Projektart:
Anfrage:
Objekt:
Typ:
Interessenverband
Ort:
Ostfildern
Staat:
Deutschland
Architekt:
1. Vorsitzender: Jochen Meilinger (2013)
Materialien:
Nagelplattenbinder
Publiziert:
d+h 05/2013
Seiten:
53 - 55
Inhalt:
[Artikel]      
 

GIN - Gütegemeinschaft Nagelplattenprodukte e.V.

Große Momente bei der Montage

Nagelplattenbinder haben vor allem dort Vorteile, wo es um große Spannweiten und große Dimensionen geht, zum Beispiel bei Hallendach- Konstruktionen. Vorteile sind zudem die schnelle Vorfertigung und verringerte Holzquerschnitte. Ein Montagebeispiel aus Unterfranken.
Der Wind blies ordentlich, als die letzten drei Nagelplattenbinder der halboffen ausgelegten Lagerhalle der Meilinger Holzbau GmbH montiert werden sollten. Der erste wurde davon noch in Position gebracht, aber schon seine endgültige Fixierung scheiterte, da sich infolge des starken Windes die Scherenhubbühne nicht mehr ganz ausfahren lies und der Zimmermann so das Firstholz nicht mehr an der vorgesehenen Stelle montieren konnte. Stattdessen musste er knapp einen Meter tiefer eine provisorische Laschung vornehmen. Danach wurde die Arbeit eingestellt.
„Montage und Tranport sind bei dem Nagelplattenbinder die kritischsten Punkte“
Der kritischste Moment im Leben eines Binders ist immer seine Montage. Denn zu dem Zeitpunkt, wo der schlanke Träger, hin und her schwankend, an nur zwei Punkten fixiert am Kranhaken hängt, greifen ihn die größten Querkräfte an. Diese wirken wie ein überdimensionales Nageleisen aus Holz, das an den verbindenden Gliedern, den Nagelplatten, ansetzt und diese regelgerecht auszuhebeln versucht. Entsprechend orientieren sich Montagearbeiten stark nach dem Wind. Schon leichte Böen können zu einem Abbruch der Arbeiten führen. Aber auch beim LKW- Transport können schädigende Kraftmomente auftreten, insbesondere wenn die Träger im Bereich der höchsten allgemein zulässigen Spannweite von 35 m dimensioniert sind. Um dabei die Binder weitestgehend zu schonen, aber auch um die sperrigen Elemente überhaupt transportabel zu machen, hat etwa das Unternehmen Krug Systemholzbinder Stadtlauringen eigene Schwertransportauflieger speziell dafür entwickelt.
Neue Normen, veränderte Arbeitsanforderungen
Im Zuge des aktuellen allgemeinen, europäischen Normierungsprozesses wurden auch zahlreiche neue Verarbeitungsrichtlinien für den Holzbau festgeschrieben. Den täglichen Arbeitsablauf eines Zimmermanns dürfte vor allem die DIN 68800 als Neuerung betreffen. Seit 2012 dürfen bei Neuaufträgen Holztragwerke in witterungsgeschützten Bereichen nicht mehr automatisch mit chemischem Holzschutz versehen sein.
Bislang nutzte der chemische Holzschutz vor allem den verarbeitenden Betrieben bei der Lagerhaltung, denn die imprägnierten Binder konnten nach ihrer Fertigung einfach gestapelt werden, was natürlich auch den Transport vereinfachte. Die Chemie, vor allem wenn sie verhältnismäßig frisch aufgetragen war, verhinderte effektiv sowohl eine Pilzbildung wie auch das Nisten von Schädlingen im Holz. In den letzten Jahren erkannte man, dass einerseits der Holzschutz kaum eine Langzeitwirkung hat und andererseits dieser gar nicht vonnöten ist. Ein Verzicht darauf erhöht mithin die Nachhaltigkeit des nachwachsenden Rohstoffes Holz. Mit dieser Neuordnung sind Holz verarbeitende Betriebe gut beraten, ihre Produktion entsprechend anzupassen. Beispielhaft hierfür ist das Unternehmen Meilinger Holzbau in Dietfurt (Unterfranken), das seinen Abbundplatz beziehungsweise sein ehemals offenes Auslieferungslager mit seinem eigenen Produkt überdacht hat.
Geschichte der Nagelplatten
Schauen wir aber zunächst auf die Entwicklung der Nagelplattenbinder in Deutschland: Im Gegensatz zu anderen Staaten haben diese, insbesondere unter Zimmerleuten, einen verpönten Ruf. „Damit arbeitet man nicht“, ist eine vielgehörte Aussage. In Frankreich, Großbritannien, Skandinavien oder gar in den USA ist das ganz anders. Hier sind die deutlich geringeren Kosten das ausschlaggebende Argument.
Ironischerweise sind die Nagelplatten in den 1920er Jahren in Deutschland erfunden und zum Patent angemeldet worden. Hier interessierte man sich jedoch zunächst nicht für die Neuerung und das Verbindungselement begann in den USA seinen Siegeszug. Erst nach dem Zweiten Weltkrieg, als es einen immensen Bedarf an schnell zu realisierendem, preisgünstigen Wohnraum gab kehrte sie hierhin zurück. Die meisten Nagelplatten verarbeitenden Betriebe gründeten sich in den 1970er Jahren. Zu Anwendung kommen sie in der Regel dann, wenn der Dachstuhl von unten geschlossen, also nicht einsehbar ist. Ist er offen, werden in der Regel Holzverbindungen in Zimmermannsmanier ausgeführt. Nagelplattenbinder werden vor allem zum stützenlosen Überspannen großer Flächen, etwa bei Hallen und Supermärkten eingesetzt. Bemerkenswert ist, dass diese großen Spannweiten vorzugsweise bei uns in Deutschland produziert werden und die Hersteller die Technologie bis nach Irland oder Schweden liefern. Obwohl in diesen, wie anderen Staaten die Nagelplattentechnologie viel länger gebräuchlich ist, hat sich dort nie ein Know-how für große Spannweiten entwickelt. Heimische Hersteller sind dort vorzugsweise im Wohnungsbau mit kurzen Spannweiten bis etwa 12 m tätig.
Materialeinsparung durch Nagelplatten
Nagelplatten stellen eine in der Fläche wirkende Verbindung dar. Sie sind in beliebiger Breite bis zu einer Länge von rund 1,20 m lieferbar. Knotenpunkte sind die schwächsten Stellen in einer Konstruktion. Obwohl etwa für die Gesamtlänge eines Binders eine gleichmäßig verteilte Last statisch angenommen werden kann, wirkt herunter gebrochen auf den einzelnen Knoten eine Punktlast, die etwa von der Holzwandung aufgenommen werden muss. Letztendlich sind daraus resultierende Erfahrungen und Erkenntnisse maßgeblich für die Bemessung eines Holzes. Verteilt man nun eine anfallende Kraft von einem Punkt auf eine größere Fläche, etwa durch einen Nagelbinder, minimiert dies den Bedarf an einer ausreichenden Holzüberdeckung, um ein Ausbrechen zu verhindern. Der Binder wird schlanker, zudem können Holzbauteile stumpf aneinander stoßen und mit den Nagelplatten einfach verbunden werden. Beide zusammen wirken fortan als ein durchgehendes Element. Große Spannweiten sind so problemlos zu erstellen. Wie schon erwähnt, sind allein fragil der Transport und die Montage vor Ort. Größere Momente und Querkräfte werden danach, selbst bei einem starken Sturm, kaum auf den Binder wirken.
Kaum Reserve bei nachträglichen Veränderungen
Bei Objekten mit Dächern aus Nagelbinderträgern handelt es sich oft um flächenintensive und offene Konstruktionen, die primär ein Regenschutz sind. Da in ständig die Luft wechselt, finden unter ihnen Kondensatausfall nutzungsbedingt oft gar nicht statt. Auch die Dachdämmung der bekannten, freistehenden Supermärkte erfolgt aus rationellen Gründen in der Regel auf der flachen Geschossdecke darunter, weshalb auch hier kein Tauwasser anfällt. Und falls doch: Die verbindenden Nagelplatten sind verzinkt und damit gegen die unvermeidliche Luftfeuchtigkeit hinreichend geschützt. Wo Vorteile sind, gibt es auch Nachteile, zum Beispiel bei der immensen Materialeinsparung bei den Holzquerschnitten: Durch den Umstand, dass man in der Dimensionierung an die untere Grenze gegangen ist, bleiben kaum Reserven für nachträgliche Veränderungen, wie etwa zusätzliche Gauben oder Dachflächenfenster. Das beschränkt natürlich zukünftige Umnutzungsmöglichkeiten eines Objektes.
Windaussteifung – nun auch mit Nagelbinderplatten
Für gewöhnlich steifen die Zimmerleute ein Dach mit stählernen Windrispen, also mit diagonal gespannten Metallbändern gegen Windlasten aus. Bei großen Dachflächen für Hallen oder Supermärkten, die häufig mit Nagelplattenbindern erstellt werden, kommt man dabei schnell auf eine Rispenlänge von über 25 m. Bedingt durch die thermischen Wechsel des Jahres (Hitze im Sommer, Kälte im Winter) längen sich dieselben binnen weniger Jahre um wenige Zentimeter und erschlaffen damit regelmäßig. Letzteres wird auch häufig von den Bauaufsichtsbehörden moniert und ist regelmäßiger Gegenstand von Instandsetzungen. Vitus Rottmüler, ein vereidigter Sachverständiger für das Zimmererhandwerk, hat nun nachgewiesen, dass Nagelplatten auch Querkraftmomente aufnehmen können. Er hat nun eine Konstruktionsvariante zusammen mit der Firma Krug Holzsystembinder entwickelt, mit der bei Dächern aus Nagelplattenbindern auf Windrispen verzichtet werden kann und bei der ein altersbedingtes Nachlassen der Querkraftaussteifung nicht auftritt. Hierfür zieht er zusätzlich zu der vertikal angeordneten Schar von Nagelplattenbindern jeweils in den Ecken im Bereich des Firstes sowie bei entsprechender Größe entsprechend auch noch mittendrin weitere Binder ein. Ein Teil davon ist horizontal, jedoch sowohl längs wie auch quer zur Gebäudeausrichtung angeordnet. Der zweite Teil steht wie die Hauptträger des Daches aufrecht, ist jedoch senkrecht dazu, also in der Längsachse des Gebäudes angeordnet. Das gesamte Dach soll konstruktiv wie eine starre Scheibe wirken, was bedeutet, dass Windkräfte nicht partiell das Volumen angreifen können.
„Nagelbinder benötigen im Vergleich zu anderen Holzkonstruktionen weniger Material“
Neue Dachformen
Derzeit gibt es verschiedene Ansätze, Holzfertighäuser mit Nagelplattenbinderdächern auszustatten. Bedingt durch den Umstand, dass damit nur relativ schwach geneigte Dachformen sich wirtschaftlich erstellen lassen, entwickelten verschiedene Hersteller die Idee, das Tragwerk in die Wandkonstruktion des als Wohnraum ausgebauten Dachgeschosses zu integrieren. Verfolgt wird dieser Gedanke vor allem im nahen Ausland. In Groß Britannien und in Frankreich sind Fertighäuser aus Holz deutlich populärer als bei uns. Tatsächlich produzieren die dortigen Nagelplattenbinderhersteller primär für diesen Bedarf. Das erklärt auch, warum diese nicht das Know-how einer Meilinger Holzbau GmbH besitzen und deren Produkte bis nach Irland gefragt sind.
Die neue Lagerhalle bei Meilinger Holzbau GmbH steht natürlich schon lange. Die fehlenden zwei Nagelplattenbinderträger wurden direkt tags darauf korrekt gestellt und das gesamte Dach zügig mit der es vollends stabilisierenden Decklattung geschlossen.
Robert Mehl, Aachen
Bauhof der Firma Krug
Das zukünftige, überdachte Lager der Meilinger Holzbau GmbH
Fixierung der Steuerseile durch einen Holzbauer
Eine Reithalle mit einem Nagelplattenbinderdach, erstellt von der Laumer Bautechnik GmbH
Nagelplattenbinder sind ausgesprochen fragile Konstruktionen
Die Binder werden oft sogar von Hubsteigern aus montiert