Projektart:
Anfrage:
Objekt:
Bar "Frozen"
Typ:
Aprés-Ski Bar
Ort:
Staat:
Österreich
Architekt:
Jürgen Kitzmüller 🔗, Hall/Tirol
Materialien:
Eis, Textilfaser, Kühlleitungen, Glas
Publiziert:
KKA 02/2008
Seiten:
50 - 51
Inhalt:
[Artikel]  [2]  [3]      [Bildstrecke]      
 

Eiskalt berechnetes Kühlsystem

Eine Bar aus Eis

Eine Bar aus Eis und Schnee ist im alpenländischen Raum zur Winterzeit beileibe keine Seltenheit. Für gewöhnlich schieben bullige Pistenraupen einen großen Schneehaufen zusammen, der danach mit einem Schneidbrenner zunächst vereist und dann ausgehöhlt wird. Wie bei einem Schneemann ist die Dauer der Existenz dieser Objekte stark von der Witterung abhängig. In Lech am Arlberg wurde aus Eis eine Aprés- Ski- Bar errichtet. In Lech am Arlberg wurde aus Eis eine Aprés- Ski- Bar errichtet. Ein Kühlsystem stellt die Tragfähigkeit der Konstruktion auch bei Tauwetter sicher.

Getränke „on the rocks“

In Lech am Arlberg hat der Tiroler Architekt Jürgen Kitzmüller nunmehr eine semi-permanente Bar aus Eis erschaffen. Das „Frozen“ wurde seitlich an die Bergstation eines zentralen Sesselliftes des örtlichen Skigebietes angedockt. So liegt die Bar einerseits inmitten der Pisten und kann von Fahrern zu einem kleinen Einkehrschwung genutzt werden. Andererseits erlaubt der Lift auch das direkte Aufsuchen dieses durchaus sehr angesagten Ausschankbetriebes, ohne sich die Mühe machen zu müssen, zuvor zwei Bretter unterzuschnallen. So gibt es für alle Getränke „on the rocks“ im wahrsten Sinne des Wortes.
Man mag nun einwenden, dass eine solche Bar mit einer Innentemperatur um den Gefrierpunkt nicht sonderlich einladend sein kann. Doch die meisten Besucher ficht das wenig an, da sie als Skifahrer ohnehin warm eingepackt und obendrein vom Sport ziemlich erhitzt sind. Tatsächlich erfreut sich die Bar bis spät in die Saison einer regen Nachfrage.
Der Bau besteht aus zwei Bereichen: zum einen aus dem aus Eis errichteten Gästebereich, zum anderen dem aus Sichtbeton erstellten Versorgungsflügel, in dem die Küche, die Toilettenanlage, ein beheizter Personalraum zum Aufwärmen und die Haustechnik untergebracht ist. Stilistisch folgt der Bauabschnitt dem nüchternen architektonischen Stil der Liftstation.

Durchdachte Konstruktion

Die Eiskonstruktion basiert auf einer zeltartigen Tragstruktur. Auf das hochreißfeste Kunstfasertextil wurden herkömmliche Kühlschläuche aufgenäht, wie sie auch bei Eisbahnen Verwendung finden. Anschließend wurden die Decken und Wandflächen bei aktivierter Kühlung mit einem herkömmlichen Dampfstrahler besprüht und dadurch der Vereisungsprozess in Gang gesetzt. Die dünne Unterkonstruktion ermöglicht eine kontrollierte Vereisung der Gebäudehülle nach Innen und nach Außen. Mit zunehmender Schichtdicke entsteht dabei ein Tragwerk, das in seiner Funktionsweise dem von Stahlbeton nicht unähnlich ist: Während das Eis vornehmlich Drucklasten aufnimmt, werden die Zugkräfte über das Gewebe kompensiert. Die quasi selbst-wachsende Bauweise gestattet es, mit einem kaum vorhandenen Unterbau Schneelasten von über 2 m Stärke aufzunehmen.
Die Eisschicht stellt gleichzeitig die Winddichtigkeit des Gebäudes her. Bewusst wurde auf eine dampfsperrende Folie verzichtet. Mit ihr hätte man eine Trennphase inmitten der tragenden Eisschicht geschaffen, die wie eine gefährliche Sollbruchstelle gewirkt hätte. Um die Standsicherheit der eisigen Außenhaut zu gewährleisten, muss über das Kühlsystem der Kern der Hülle auf etwa -8 °C gehalten werden – auch wenn die Sonne darauf scheint. Die Innentemperatur der Bar beträgt dabei etwa -2 bis -3 °C.

Indirektes Kühlsystem

Das Kühlkonzept wurde von der österreichischen Firma COOLMÄRK KÄLTECHNIK aus Rankweil entwickelt und umgesetzt. Es basiert aus ökologischen und ökonomischen Gesichtspunkten auf einem indirekten Kühlsystem, primär bestehend aus einem kompakten luftgekühlten Flüssigkeitskühlsatz und einem sekundären Solekreislauf. Die 92 KW starke Kältemaschine, hält einen 720 l fassenden Tank mit Sole (Wasser- Glykol- Gemisch) konstant auf einer Temperatur von –12 °C. Die Sole wird mittels einer Sekundärkreislaufpumpe mit einer statischen Pressung von 2 bar durch die sechs Kühlabschnitte der Wand- und Deckenflächen der Konstruktion gefördert und hält somit den Eiskern auf berechneter Solltemperatur.
Besonderes Augenmerk hatten die Kältetechniker bei diesem Projekt auf die Steuerung der Kälteversorgung gelegt, da die äußeren Witterungseinflüsse eine stark schwankende Belastung auf den Eismantel ausüben können. Eine rücklaufgeführte Regelung, in Zusammenhang mit ausreichend Förderleistung der Kreislaufpumpen und einem optimalen Teillastverhalten der Kältemaschine, ermöglicht eine exakte Leistungsanpassung, auch bei starker Sonneneinstrahlung, Föhnwinden oder Regen. Da der Bau an einem Hang errichtet wurde, weist er neben eine Sonnenterrasse auch einen unbeheizten Kellerbereich auf, wo die Kältetechnik untergebracht ist. Statt nun auch den Boden mit einem eigenen Kühlkreislauf auf eisiger Temperatur zu halten, entschloss man sich hier, dieses durch eine massive Dämmung und eine ebenfalls isolierende hölzerne Hohlraumkonstruktion sicher zu stellen. Mit einer von Hand bzw. Schaufel eingebrachten Schneeschicht von etwa 15 cm erreicht dieser Fußbodenaufbau eine Höhe von etwa einem Meter. Dieses entspricht in der Regel der üblichen natürlichen Schneehöhe vor Ort. So ist es möglich, den Zugang der Bar über die Außenterrasse barrierefrei erfolgen zu lassen.

Interieur aus purem Eis

Wie die Außenhaut besteht auch das Interieur der Bar aus purem Eis. Alle Einbauten wurden jedoch aus besonders blasenfreien Blöcken errichtet, die in einer Eisfabrik vorgefertigt worden waren. Ihr Herstellungsprozess dauerte bis zu sieben Tagen und erforderte destilliertes Wasser sowie permanentes Umwälzen desselben. Vor Ort wurden die Blöcke von den beiden Eiskünstlern Thomas Koch und Daniel Nikolaus Kocher mit einer Kettensäge auf Maß geschnitten und montiert. Anschließend wurden die fertigen Gesamtoberflächen mit einem heißen Bügeleisen zartschmelzend poliert.
Neben den regulären Eisquadern wurden auch Sonderausführungen produziert. In diese wurden Objekte wie Getränkedosen, Champagnerflaschen oder auch ganze Skischuhe eingefroren.
Bewusste Luftblaseneffekte wurden durch das Einbringen von Glasbrillanten erzeugt. Der vermeintliche Schwebezustand der Dekorobjekte wurde durch ein schichtweises Einfrieren derselben erreicht. In Szene gesetzt werden die eisigen Installationen mit farbig-changierendem Glasfaserlicht. Die Kopfstücke der entsprechenden Leitungen sitzen wie Zapfen in den Eisblöcken und lassen die Quader aus sich heraus leuchten. Die indirekte Illumination hat gleichzeitig den Vorteil, dass die wärmeabgebenden Lichtquellen weit entfernt im Haustechnikbereich untergebracht sind und so unschöne Schmelzeffekte vermieden werden. Selbstverständlich zieren auch beindruckende Eiszapfen das Innere der Bar. Um jedoch ein Herabfallen derselben zu vermeiden, wurden die Stalaktiten künstlich an reißfesten Fäden gezüchtet, welche diese nun gegen Bruch bewehren.
Zusammen mit den Liften stellt die Bar Ende April ihren Betrieb ein. Die Kühltechnik ist nicht darauf ausgelegt den Eispanzer auch über die warmen Sommermonate zu erhalten. Das „Frozen“ taut vollständig ab. Die Eiskünstler und auch den Architekten bedrückt das allerdings wenig. Sie wissen, dass im Winter ein neuer Auftrag kommt.
Robert Mehl, Aachen