Projektart:
Anfrage:
Objekt:
2014 FIFA World Cup Brazil
Typ:
Fußball Weltmeisterschaft
Ort:
diverse [Satellit]
Staat:
Brasilien
Architekt:
diverse
Materialien:
überwiegend Betonfertigteiltribünen
Publiziert:
BFT 06/2014
Seiten:
28 - 33
Inhalt:
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Betonfertigteile für die FIFA WM

Die bald beginnende Fußball- WM in Brasilen besitzt insgesamt zwölf Spielorte. An sechs davon waren deutsche Planer maßgeblich beteiligt. Wir wollen diese kurz vorstellen.
Über Jahrzehnte wurde die Architektur in Brasilien von den Betonbauten des 2012 mit 104 Jahren verstorbenen Oscar Niemeyer geprägt. Der einstige Büroleiter der Architekturikone Le Corbusier hat unzählige Gebäude in dem Staat realisiert. Insbesondere die Schlüsselbauten der heutigen Hauptstadt Brasilia stammen von ihm. Die Kapitale ist eine weitgehend in den 1960er Jahren errichtete Planstadt nach den Entwürfen von Lúcio Costa, deren Grundriss an ein Flugzeug erinnert.
Auch wenn sich die heutigen brasilianischen Architekten zunehmend von dem planerischen Übervater Niemeyer zu emanzipieren suchen, sind dennoch für die kommende Weltmeisterschaft einige Stadien entstanden, die sich bewusst auf diese Bautradition beziehen. Ein Grund dafür ist, dass natürlich einige bestehende und durchaus sehr bedeutende Stadien für den Großevent „ertüchtigt“, sprich kernsaniert werden mussten. Dazu zählt das weltberühmte Maracanã- Stadion in Rio de Janeiro, wie auch das Stadion von Belo Horizonte, ein Frühwerk Oscar Niemeyers. Beide Arenen stehen unter Denkmalschutz.
Maracanã- Stadion in Rio de Janeiro
Bei dem großen Stadion in der „Bucht des Januars“ – so die wortwörtliche Übersetzung – waren die Eingriffe ausgesprochen massiv. Obschon der Spielort seit dem Jahr 1950 mit 199.854 Zuschauern eines Fußballspiels den Besucherweltrekord hält, mussten die bestehenden Betonfertigteilränge durch neue ersetzt werden. Denn das Stadion war einst als reines Stehplatzstadion gebaut (so entstand auch der Rekord) und nachträglich bestuhlt worden. Zudem entsprach der alte Tribünenabstand nicht mehr den heutigen FIFA- Richtlinien. So wurden die alten Ränge, wie auch das bestehende Kragdach abgerissen und durch Neubauten ersetzt. Dabei wurde die neue, innere Stadionschüssel von dem brasilianischen Architekten Daniel Fernandes und das neue zeltartige Ringseildach von dem Stuttgarter Büro schlaich bergermann und partner (sbp) jeweils entworfen und realisiert.
Estádio Governador Magalhães Pinto in Belo Horizonte
Wie beim Maracanã- Stadion galt es, das Estádio Governador Magalhães Pinto in Belo Horizonte an die aktuellen FIFA- Richtlinien anzupassen. Die brasilianische Denkmalbehörde schrieb vor, die historische, von der Sichtbetonkonstruktion des Oberranges geprägte Fassade in ihrer Erscheinung zu erhalten. Durch eine Neuanlage des Unterranges wurden FIFA-konforme Funktionsbereiche sowie ein Logenring geschaffen. Konstruktiv wurden das Spielfeld und der Unterrang „tiefer gelegt“. Spannend daran ist, dass Betonfertigteilelemente dieser Tribünenbereiche – also etwa die Zahnbalken und auch die jeweils obersten, neuen Tribünenränge – unter den Altbestand geschoben und nicht in Ortbeton erstellt wurden. Die Architekten der Sanierung, das Hamburger Architekturbüro gmp begründen die Ausführungsart mit der dadurch erreichten höheren Bauteilpräzision und der so erreichten besseren Passgenauigkeit.
Nationalstadion von Brasilia
Bei dem Nationalstadion von Brasilia handelt es sich um einen reinen Neubau, der in dieser Vollständigkeit zunächst jedoch nicht geplant war. An der Stelle gab es bereits eine Spielstätte aus dem Jahr 1973, die mit nur einer Westribüne ausgestattet war. Auf Basis eines vorangegangenen Gutachtens wurden erneut die Hamburger Architekten gmp damit beauftragt, das hierzu erforderliche neue Stadiondach zu realisieren. Für die Erweiterung des Bestandes zeichnete jedoch der brasilianische Architekt Castro Mello verantwortlich. gmp legte um die Spielstätte einen 309 m messenden Stützenring, der in drei Reihen aus insgesamt 288 UHPC- Pfeilern tempelartig das über 40 m hohe Dach trägt. Damit wollten die Architekten sowohl der in Brasilia vorherrschenden Bautradition eine gewisse Referenz erweisen, wie auch den umbauten Bestand gekonnt in Szene setzen. Allerdings staunte man nicht schlecht, als zu einem fortgeschrittenen Baustadium des Säulenringes der Altbau kurzerhand gesprengt wurde.
Arena da Amazônia in Manaus
Die Fassade der Arena da Amazônia in Manaus ist zwar eine mit einer Folienmembran aus Polytetrafluorethylen (PTFE) bespannte Fassade. Die innere Tribünenschüssel, die so genannte „bowl“, ist jedoch eine Betonfertigteilkonstruktion mit vorgespannten Zahnbalken. Die Vorspannung wurde aufgrund einer großen Oberrangauskragung über der Rahmenstandfläche erforderlich. Entworfen wurde auch dieses Stadion von den Hamburger Architekten gmp und gerechnet von den Stuttgarter Statikern sbp. Die benötigten Betonfertigteile wurden in dem unmittelbar an das Stadiongrundstück angrenzenden Betonwerk aus herkömmlichem C40 Beton erstellt. Dazu wurden die notwendigen Spannseile in Hüllrohren zunächst schlaff in die Schalungen gelegt und erst nach dem vollständigen Aushärten des Betons gespannt. Die unmittelbare Nachbarschaft zwischen dem Betonwerk – überhaupt dem einzigen im gesamten Amazonasgebiet – und der Baustelle hatte zusätzlich einen großen logistischen Vorteil: So war es möglich, für das Projekt generell nicht transportfähige Sondergrößen zu produzieren. Die Fertigteile mussten lediglich „herüber gehoben“ werden.
Itaípava Arena Fonte Nova in Salvador die Bahia
Die Itaípava Arena Fonte Nova in Salvador die Bahia ist das mit am längsten fertig gestellte WM- Stadion. Ursprünglich wurde es von den Braunschweiger Architekten Schulitz und Partner als reines Vereinsstadion angelegt und erhielt erst nachträglich den FIFA- Zuschlag. Das Stadion besticht durch seine Hufeisenform und besitzt keine Südtribüne. Stattdessen öffnet es sich hin zum benachbarten Tororo- See. Mit dieser hufeisenförmigen Öffnung sorgen die Architekten in diesen tropischen Breiten für eine effektive natürliche Belüftung der Arena. Auch hier bestehen die Tribünenränge, wie die tragenden Rahmen und Zahnbalken, aus Betonfertigteilen, die ausgesprochen schlank angelegt sind, die Fassade entsprechend auflösen und für eine zusätzliche Konvektion sorgen.
Corinthians- Stadion Saõ Paulo
So ungeahnt und atemberaubend der Formenreichtum von Stadionfassaden heutzutage ist, haben alle etwas gemeinsam: Ihre Tribünenschüsseln bestehen weitgehend aus Betonfertigteilen. Selbst ein Stadion, wie das in Saõ Paulo, das durch eine ambitionierte Stahldachkonstruktion besticht, welche von dem Stuttgarter Ingenieurbüro Werner Sobek statisch konzipiert wurde, weist Tribünenbauten aus Betonfertigteilen auf. Sogar dessen Hauptgebäude mit einem 25 m hohen Lobbybereich unter der Westtribüne besteht aus solchen Elementen. .
Robert Mehl, Aachen
Die neuere Baugeschichte Brasiliens wird geprägt von der Betonarchitektur Oscar Niemeyers: Museum für zeitgenössische Kunst (MAC), Rio de Janeiro-Niterói
Die meisten Begegnungen dieser Fußball-WM werden im Maracanã-Stadion in Rio de Janeiro stattfinden
Gesamtansicht des 1950 fertig gestellten, denkmalgeschützten Stadion
Um die äußere Erscheinung kaum zu verändern wurde das alte Kragdach erst oberhalb der Traufe abgeschnitten. Hier gut sichtbar der neue äußere Dachdruckring, der es wie eine Fahrradfelge stabilisiert
Beim neuen Nationalstadion von Brasilia umringt ein Ring aus 288 UHPC-Säulen tempelartig die innere „bowl“
Beim Stadion von Manaus umgibt ein rautenförmiges Stahlgittertragwerk eine Stadionschüssel aus BFT
Obwohl das neue Stadion in Saõ Paulo als den Charakter einer Stahlkonstruktion besitzt, bestehen seine geschlossenen Gebäudeteile aus BFT