Projektart:
Anfrage:
Objekt:
Atelierhaus Büsserach
Typ:
Wohnhaus
Ort:
Büsserach [Satellit]
Staat:
Schweiz
Architekt:
Degelo Architekten 🔗, Basel
Materialien:
Altbausanierung, Holz, Glas
Publiziert:
DBZ 08/2008
Seiten:
44 - 49
Inhalt:
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Atelierhaus in Büsserach/CH

Die vierte Dimension

Im Baseler Hinterland wurde eine alte Scheune zu einem Wohnhaus umgebaut. Fertig gestellt wird der Bau nicht von Menschenhand, sondern von der Zeit. Bewusst werden für den dazugehörigen Zahn ausreichend Angriffsflächen geboten, um langfristig einen gestalterischen Beitrag zu liefern.
Künftig soll der Zahn der Zeit an blankem Stahl, unbehandeltem Holz und ungestrichenem Putz nagen können und seine patinierenden Spuren hinterlassen. Denn gerade die angejahrte Ausformung dieser drei Baustoffe ist für den Architekten Heinrich Degelo das Charakteristische für die Nebengebäude dieses Landstriches. Was sich wie ein Neubau ausnimmt, basiert in weiten Teilen auf dem Bestand einer alten Scheune. Sowohl die Außenwände wie auch die alte Geschossdecke wurden erhalten und lediglich neu beplankt. Das Dach wurde erneuert, da der Stuhl die Schaffung der großzügigen Raumvolumina unmöglich gemacht hätte. Der architektonische Entwurf folgt drei Prinzipien:

Die Anordnung der Fenster

Jede Gebäudeseite erhielt nur ein seitlich platziertes, großes Glasscreen. Weitere Öffnungen wurden weit gehend vermieden. Tatsächlich besitzt der Bau nur ein klassisches Fenster. Die Belüftung des großen Wohnraumes erfolgt über zwei türgroße Klappen, die jeweils unmittelbar an die leichtgetönte Festverglasung der Panoramascreens anschließen und die über einen speziellen, nach außen und unten sich öffnenden Dreh- Kipp- Mechanismus verfügen.

Enge schafft Weite

Die Inszenierung der Raumabfolge setzt bewusst einen engen Eingang und Flur vor das große Volumen der zentralen Wohnküche. Im Gegensatz zu einem klassischen Treppenhaus, wurden die Treppen mehr wie Stiegen und Geheimgänge realisiert, Bemerkenswert ist die Tapetentür als Treppenzugang im Keller sowie die Erschließung des Obergeschosses. Über die Hochschränke der Küche, die in abgetreppter Form enden, steigt man in das Dachgeschoss hinauf.

Ein Material pro Etage

Geplant waren mineralische Oberflächen für den Keller, Holz für das Erdgeschoss und Papier für das Obergeschoss. Beeindruckend ist die radikale Umsetzung im Erdgeschoss: Boden, Wand und Decke wurden mit demselben, lediglich geölten Nadelholz belegt. Der dadurch bedingte schatullenartige Raumcharakter betont nachdrücklich dessen Wahrnehmung als ein Volumen. Der Keller erhielt einen mineralischen Estrich und einen entsprechenden Wandputz. Lediglich bei der Decke erhielt man die Untersicht auf den hölzernen Bestand. Im Obergeschoss wurden Decke und Wände mit Makulaturpapier weiß tapeziert und der Boden mit phenolharzgetränktem Papier auf Sperrholzplatten belegt.

Die große Qualität des Bestandes war für den Architekten dessen geometrische Reduziertheit und die lagebedingten Blickbeziehungen. Der Entwurf betont durch seine puristische Detaillierung und durch die großen Glasscreens dieses noch einmal. Die Vergänglichkeit als langfristigen Gestaltungsansatz zu begreifen, begeisterte von Anfang an auch die Bauherren, ein Künstlerpaar. Der Architekt selber bezeichnet die Veränderung des Gebäudes durch die Zeit als Fortsetzung des Bauprozess in der vierten Dimension.
Robert Mehl, Aachen