Projektart:
Anfrage:
Objekt:
Typ:
Bahnhof
Ort:
Arnheim [Satellit]
Staat:
Niederlande
Architekt:
UNStudio 🔗, Amsterdam
Materialien:
microbeton 🔗, CIG 🔗, Hering 🔗
Publiziert:
metallbau 1/2017-2
Seiten:
22 - 25
Inhalt:
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Ostseestaal in Stralsund

"Wir denken die Objekte vom Ende her."

Ostseestaal gehört zur Central Industry Group (CIG), die im niederländischen Groningen ansässig ist. Der werftartige Betrieb hat sich darauf spezialisiert, Bausätze aus dreidimensional verformten Blechen herzustellen, die sowohl aus Stahl, Edelstahl, Aluminium als auch Speziallegierungen bestehen können. Die Redaktion metallbau hat mit Betriebsleiter Dipl.-Ing. Uwe Husmann über das Profil des Unternehmens gesprochen.
Herr Husmann, die CIG- Group bedient verschiedene Geschäftsfelder, nicht nur Architektur, sondern auch Schiffbau und erneuerbare Energien. Ergeben sich daraus Synergien, gar Architekturaufträge?
Ich denke eher nicht, weil sich unsere verschiedenen Kunden nicht auf denselben Märkten bewegen. Man weiß natürlich um unser Know-how, dass wir 3D- Umformungen sehr gut beherrschen. Allerdings ergeben sich interne verfahrensbezogene Synergien. In der Architektur haben wir in der Regel höhere Oberflächenanforderungen. Diese Erfahrungen machen sich vor allem in der Schweißqualität und in der Genauigkeit bemerkbar.
Wie verteilen sich die Geschäftsanteile?
Bei der Gründung von Ostseestaal im Jahr 2000 lag der Schiffbaubereich etwa bei rd. 80 % und alles andere, also Architektur und Renewables, bei rd. 20 %. Seit der Schifffahrtskrise im Jahr 2008/09 hat sich der Trend fast umgekehrt.
Wie gelangen Sie an Ihre Aufträge?
Früher kam ein Kunde gezielt zu unserer Werft und wollte mit uns ein Schiff bauen. Wir hatten damals ein Alleinstellungsmerkmal für die Kaltumformungen von Metallen, zumindest regional. Seit der Umkehrung der Anteile haben wir sehr stark unsere Kundenakquise ausgeweitet und sind aktiv in die verschiedenen Märkte gegangen. Zudem gibt es innerhalb der CIG- Gruppe Kooperationen. Architekturprojekte werden vornehmlich von unseren niederländischen Kollegen bedient - der Bahnhof Arnhem ist ein gutes Beispiel. Mittlerweile realisieren wir Projekte in ganz Europa und sogar in Übersee. Diese werden ebenfalls von unseren niederländischen Kollegen koordiniert. Im Bereich der Renewables, also der Erneuerbaren Energien, sind wir von unserem Standort aus aktiv. Wir sind dabei nicht nur im Verkauf präsent, sondern konzipieren auch neue Produkte, etwa Solarboote.
Bei den Komponenten, die wir für die Luftfahrtindustrie liefern, bilden häufig unsere Produktionserfahrungen im Schiffbau mit den Genauigkeitsanforderungen in der Architektur die perfekte Synthese.
Sie sind auch Zulieferer für Windkraftanlagen, deren Rotoren bestehen aber in der Regel aus carbonfaserverstärktem Kunststoff (CFK). Wo finden sich dabei Ihre Metallbaufertigkeiten?
Wir liefern den Windradherstellern die Werkzeuge (die Gussformen, die Red.), die diese befähigt, gute, robuste und leichte CFK- Rotoren zu fertigen. In der Produktion dieser Werkzeuge sind wir nicht in der Größe beschränkt. Das Limit der Rotorendurchmesser liegt vielmehr in der Auslieferungsmöglichkeit zum Montageort.
Wie gehen Sie die Produktion von solchen Großkörpern organisatorisch an?
Zunächst erhalten wir ein Gesamtkonzept, dessen Komplexität wir auflösen in baumethodisch handhabbare Einzelkomponenten. Die müssen allerdings am Ende wieder miteinander zu montieren sein. Wir betrachten die Parameter unserer Umformmaschinen und was diese zu leisten im Stande sind. Auch dürfen wir die erforderliche Logistikleistung - intern wie extern - nicht aus den Augen verlieren. Und schließlich müssen Effekte wie Schweißschrumpfung Berücksichtigung finden. Eine erfolgreiche Baumethodik ist immer vom Ende aus zu denken, also von der Endmontage am Zielort.
Mit was für Maschinen arbeiten Sie?
Wir haben Pressen – wir machen ja grundsätzlich nur Kaltumformung –, wir haben Rollenwalzen und wir haben Kantbänke. Die Pressen bestücken wir mit individuell erstellten Formen, mit denen wir die die bis zu 60 mm starken Bleche passgenau umformen. Diese Pressformen werden erstellt auf Basis digitaler Modelle. Die so erstellten Einzelteile bilden Segmente, die zu einer Montageeinheit zusammengefügt werden. Wir zerlegen geometrisch unbestimmte Freiformen in ihre Einzelkomponenten - etwa Zylinder, Kegel, Konus -, kaltverformen diese, um sie dann passgenau zu montierbaren Teileinheiten wieder zusammenzufügen.
Sind europäische Normen bzw. Zertifizierungen allgemein für Ostseestaal ein Problem?
Wir haben bei allem, was ISO, Euro- Norm oder DIN betrifft, eigentlich keine Probleme. Immer mal wieder haben wir Verfahrensprüfungen für Schweißverfahren bei neuen Werkstoffen; manchmal kommt noch eine besondere Verfahrensumgebung hinzu. Sogar Zertifizierungen für außereuropäische Kunden auf Basis derer nationaler Normen und Standards bereiten uns keine Probleme. Kürzlich haben wir für eine Freikonstruktion in Kalifornien die Zertifizierung des Baudezernats von Los Angeles erhalten.
Auf Ihrer Website erwähnen Sie die Reduzierung der Anzahl der Schweißnähte bei Düsen. Können Sie das noch einmal näher erklären?
Wenn Sie Propellerdüsen herstellen, war das bislang so, dass diese aus vielen Einzelteilen zusammengesetzt und zusammengeschweißt wurden. Dabei haben Sie hohe Anforderungen in Hinblick auf das Schweißschrumpfen. Wir haben es mit einer intern entwickelten Anlage geschafft, die Komplexität nicht mehr in kleinste Bauteile zu zerlegen, sondern die Düse aus wenigen Großkomponenten zusammenzusetzen. Dafür haben wir eine Umformmaschine speziell für Düsen entwickelt, mit der wir die Anzahl der Schweißnähte um 60 bis 70 % verringern konnten. Düsen sind Rotationskörper, deren Außenkontur sich über den jeweiligen Mittelpunkt verformen lässt. Wir zerlegen das Düsenvolumen nicht mehr - wie früher üblich - über den Mantelumfang, sondern teilen es in Schichten auf. So walzen wir dabei am Stück komplette Ringe, die entweder als Zylinder oder als Konus angelegt sind und gehen damit auf die große Umformmaschine. Letztlich verschweißen wir vielleicht drei Außen- und drei Innenkomponenten miteinander. Aber auch in der Schweißtechnik sind wir innovativ. Wir sind in der Lage, große Propellerdüsen einzuspannen und diese so zu bewegen, dass wir immer in der besten Wannenlage schweißen können: Wir bewegen nicht die Schweißquelle, sondern das Werkstück.
Seit wann sind eigentlich solche organischen Konstruktionen wie der Bahnhof Arnhem oder der Porsche Pavillon zu beobachten?
Zunächst möchte ich einmal an die Pariser Weltausstellung und den Eiffelturm von 1899 erinnern: Stahlkonstruktionen in der Architektur gibt es schon richtig lange!
Grundsätzlich geändert haben sich die Werkstoffe: Der Eiffelturm besteht aus Gusseisen, er wurde auch nicht geschweißt, sondern komplett genietet. Heutzutage können Sie einfach viel besser aus den Werkstoffen 3D- Modelle erstellen, weil sie einfach nicht mehr so spröde wie damals sind. Auch die Oberflächen können heute anders bearbeitet werden als früher, etwa durch neuartige Schleiftechniken. Zudem sind die Farbstoffe und der Korrosionsschutz heute gänzlich andere: Heutzutage ist es machbar, die Oberflächenbeschaffenheit ausschließlich über Beschichtungen zu definieren. Schließlich sind die aktuellen Schweißverfahren und die Schweißzusatzstoffe zu nennen, die erheblich die Schweißschrumpfung minimieren. Grundsätzlich würde ich sagen, dass mit Beginn des neuen Jahrtausends die Nachfrage nach Freiformen aus Stahl in der Architektur deutlich zugenommen hat.
Herr Husmann, wir danken für das Gespräch
Robert Mehl, Aachen