Projektart:
Anfrage:
Objekt:
Dr.-Josef-Schwalber-Realschule
Typ:
Schulgebäude
Ort:
Dachau [Satellit]
Staat:
Deutschland
Architekt:
Diezinger & Kramer 🔗, Eichstätt
Materialien:
Beton, Faserzement, Glas
Publiziert:
colore 5
Seiten:
36 - 41
Inhalt:
[Artikel]      
 

Realschule Dachau

Farbige Welten

Die neue Realschule von Dachau gibt sich auffallend introvertiert: Während die Außenfassaden noch einen mittleren Grauwert aufweisen, sind die beiden Innenhöfe schon deutlich heller gehalten. Die inneren Bereiche der Schule, insbesondere die Verkehrsflächen, sind hingegen ein farbiges Fest für die Augen.
Die neue Realschule von Dachau liegt in einem eher unattraktiven, gewerblich geprägten Areal im Südosten der Gemeinde an einer viel befahrenen Einfallstraße in Richtung München. Auch wenn die idyllischen Außenaufnahmen einen anderen Eindruck erwecken, so sind attraktive Ausblicke von dem Grundstück aus kaum gegeben. Die Eichstätter Architekten Diezinger & Kramer, die 2006 den entsprechenden Wettbewerb gewannen, machten aus der Not eine Tugend: Sie legten den Baukörper kompakt an und orientierten ihn nach innen. Die äußere Ablesbarkeit dieses introvertierten Charakters sowie die architektonische Umsetzung der sich selbst genügenden Innenräume ist gleichzeitig der Entwurfsansatz der Planer. Die Fassade besteht aus großformatigen, längsrechteckigen Faserzementplatten. Das gleichmäßige Raster der Fensterbänder wird durch große, ausgesprochen helle Farbflächen aus pulverbeschichteten Aluminiumpaneelen in den Hintergrund gedrängt, die zwischen den beiden Obergeschossen alternieren und subtil eine gewisse optische Unruhe erzeugen. Dasselbe Fassadenarrangement findet sich in den beiden Innenhöfen – nur ist der Grauton hier signifikant heller.
Der für das Farbkonzept verantwortliche Farbkünstler Herbert Kopp gliederte das Raumprogramm der Schule thematisch auf. So erhielten der Sportbereich eine grüne, die Verwaltung eine orangefarbene und die Flure sowie die Aufenthaltsräume eine rote Note. Die eigentlichen Lernräume wurden neutral belassen, um nicht vom Unterricht abzulenken. Es wurden jedoch deren bauliche Accessoires, wie die Linoleumfußböden sowie die Kunststoffbeschichtungen der Türen und der Schränke, farbig ausgeführt. Klassenzimmer erhielten entsprechende Elemente in Rot und Grün, Fachräume überwiegend blaue und Werkstätten schließlich braune Ergänzungen.
Tatsächlich stieß die Realisation oft an die Grenzen des technisch Machbaren. Problemlos war das Abmischen der Wandfarbe aus der BRILLUX Farbpalette: Zum Einsatz kam hier Sensocryl ELF 266 und 267. Überaus schwierig war es jedoch, in dem gewünschten Ton einen Kunststoff zu produzieren, um damit die durchgefärbten Holzbeschichtungen für die Türen und die Einbaumöbel zu fertigen. Die Wahl einer dazu annehmbaren Linoleumfußbodenfarbe engte das Spektrum vollends ein. Letztlich gaben die tatsächlich lieferbaren Produktfarben und die Stimmigkeit ihrer Kombination die finalen Farbnuancen vor.
Die Architekten wollten an dem Standort vor den Toren von Dachau ein Identität stiftendes Zentrum schaffen. Die Schule erscheint prägnant als monolithischer Block. Zugänglich ist die Schule über drei eingeschossige Passagen auf Bodenniveau. Auf der Südseite liegt hinter ihr ein großer Pausenhof, und an der Nordwestecke führen zwei weitere Öffnungen auf einen kleinen Innenhof. Über diesen vegetationsfreien Binnenplatz ist der Hauptzugang zur Schule organisiert. Die Südseite wird eingenommen von einer über alle Geschosse laufenden Glasscreen, durch die hindurch man in das großzügige Eingangsfoyer gelangt. Dieses wird bestimmt von einer einläufigen Treppe, die alle Geschosse erschließt. Daran anschließend findet sich im ersten Obergeschoss die Verwaltung. Die Unterrichtsräume verteilen sich über beide Obergeschosse. Im Erdgeschoss liegen dagegen die Werkräume sowie eine Kantine und ein Aufenthaltsbereich für die Ganztagesschüler. Die letzteren beiden Räume sind in orange gehalten, die Werkstätten in braun. Das Gebäude wird im Nordosten geprägt von einer dreifach teilbaren Sporthalle, die hauptsächlich über ein Sheddach belichtet wird und in welches eine Photovoltaikanlage integriert ist. Unter der Halle befindet sich zudem ein Lehrerparkhaus mit 60 Stellplätzen.
Die für die Innenräume gewählte Farbpalette erinnert gerade im Frühling ein wenig an die direkt angrenzenden blühenden Felder. Tatsächlich legt Norbert Diezinger Wert darauf, dass er eine eigenständige, farbige Welt erschaffen wollte. Vielleicht vermag diese gelungene Farbwelt die Schüler neugierig machen auf die große, weite Welt vor der Tür, über die sie etwas lernen sollen.
Architekten- Zitat: „Farbe als eigenständiges Gestaltungsmittel“
„Die Farbgebung eines Gebäudes ist ein integraler Bestandteil unserer Architektursprache. Bei Projekten von anderen Architekten stellen wir oft fest, dass grundsätzlich die Farben nur benutzt werden, um die Tektonik dekorativ in Szene zu setzen. Unsere Farbkonzepte stellen eine eigenständige gestalterische Ebene dar, die parallel zur Architektur entsteht und eine eigene künstlerische Aussage besitzt. Entsprechend muss sie separat bedacht, entworfen und umgesetzt werden. Aus diesem Grund überlassen wir diesen ganzen Bereich einem darauf spezialisierten Farbkünstler: Herbert Kopp aus München. Die erfolgreiche Zusammenarbeit findet nun schon seit vielen Jahren statt und geht zurück auf eine denkwürdige Anekdote. Wir wandten uns das erste Mal an ihn, mit dem Auftrag, die Bauelemente eines neu entworfenen Schulgebäudes farblich zu akzentuieren. Kopp lehnte dies zuerst ab mit der Begründung: „Das könnt ihr selber machen!“ Erst als er freie Hand erhielt, sagte er zu.“
Robert Mehl, Aachen