Projektart:
Anfrage:
Objekt:
Institut für Textilforschung (ITA)
Typ:
Forschungsinstitut
Ort:
Aachen [Satellit]
Staat:
Deutschland
Architekt:
Carpus + Partner 🔗, Aachen
Materialien:
Textilbeton, Stahlbeton, Stahl
Publiziert:
BFT 11/2009
Seiten:
86 - 89
Inhalt:
[Artikel]  [2]      
 

Neubau des Institutes für Textilforschung (ITA)

Forschungszentrum fertig

Am 11. September 2009 ist in Aachen der Neubau des Instituts für Textilforschung (ITA) feierlich eingeweiht worden. Gleichzeitig wurde mit diesem Festakt das 75-jährige Bestehen des Institutes begangen. Gutes Wetter machte es möglich, dass der Festakt unter freiem Himmel im direkten Angesicht des neuen und dort nunmehr zur Marktreife entwickelten Werkstoffes begangen werden konnte, dem Textilbeton. Denn natürlich sollte ein Ort, an dem ein neues Material entwickelt wurde, auch daraus bestehen. So auch hier: Die Hallenfassade des neuen Institutsgebäude besteht vollständig aus Textilbeton – zumindestens dort wo keine Fensterflächen sind. Gleichzeitig ist der Bau, der erste seiner Art weltweit.
Entsprechend Stolz war der Institutsleiter Prof. Thomas Gries, dem durch den Aachener Niederlassungsleiter des Bau- und Liegenschaftbetriebes NRW Harald K. Lange schließlich in einem formalen Akt der Schlüssel überreicht wurde. So groß die Bedeutung des Institutes für die Textilforschung ist, so groß war auch der Schlüssel: Tatsächlich fanden sechs der sieben Festredner und der Institutsleiter für das offizielle Foto dahinter Platz.
Deren Ansprachen waren der Übergabe vorausgegangen, wobei diese bemerkenswert kurzweilig durch den akademischen Direktor des ITA Dr. Thomas Veith anmoderiert wurden. Zu Wort kamen nicht nur erwartungsgemäß der Rektor der RWTH Aachen und Funktionäre aus der Textilindustrie sondern auch die verantwortliche Politik: So fielen anerkennende Worte durch den damaligen parlamentarischen Staatssekretär des Bundesministeriums für Bildung und Forschung Dr. Thomas Rachel, den Ministerialdirigenten des nordrhein-westfälischen Wirtschaftministeriums Karl- Uwe Bütov sowie durch Dr. Walther Pelzer vom Wissenschaftsministerium NRW.
Dabei ging Rachel in seiner Rede insbesondere auf die Leistungen von Textilbeton für den Klimaschutz ein. So wies er darauf hin, dass mit dem Bau „Innotex“ genannten Institutsgbäudes 420 t an CO2-Emissionen vermieden werden konnte. Auch sah er mit der Entwicklung des Textilbetons die gesamte Menschheit an der Schwelle zu einer neuen Ära. Hier zog er einen Vergleich zur Bronze- und Eisenzeit, beides Phasen der Menschheitsgeschichte, die jeweils nach dem damaligen Schlüsselwerkstoff durch die Geschichtsschreibung benannt worden sind. Auch wurde er nicht müde zu betonen, dass das ITA berechtigter Empfänger von Fördergeldern aus dem 400 Mio. Euro umfassenden High- Tech- Etat des Bundesforschungsministeriums ist.
Rektor Schmachtenberg wies in seiner feierlichen Rede auf die zentrale Bedeutung des Institutes für die Hochschule hin. So ist das ITA Teil von einem der zwei Cluster, die den Ausschlag für die Zuerkennung des Excellenz- Status an die RWTH Aachen brachten. Immerhin ist die Universität dadurch jetzt auf Platz eins im deutschlandweiten Hochschul- Ranking der Deutschen Forschungs Gemeinschaft (DFG).
Zu erwähnen sind auch die Grußworte des zuständigen Projektarchitekten Alexander Kochs von Carpus + Partner. Wichtig war ihm hervorzuheben, wie komplex es einerseits war, mit einem komplett neuen Baustoff, demTextilbeton, zu operieren. Gleichzeitig dürfe man dabei aber als Planer nicht die klassischen Standards aus dem Blick verlieren. Hier führte er als Beispiele, höchste Nutzungsflexibilität, zahlreiche, sinnvolle Sichtbezüge und eine kurze Wegeführung an. Dieses wären die Komponenten, die dauerhaft einen hohen Wohlfühlfaktor garantieren.
Doch Textilbeton macht etwa nur 10 % der Forschung und der täglichen Arbeit des ITA aus. Wie schon der Name nahe legt, ist die Arbeit des Institutes in weiten Teilen auf die Entwicklung und Erforschung neuer Textilien ausgerichtet. Hinzu kommen neue Webtechniken – Stichwort: 3D- Weben – sowie der Maschinenbau, letztendlich also die Konzeptionen noch leistungsfähigerer Webmaschinen. Ganz wichtig für die Textilindustrie ist dabei der Automobilbau. High- Tech Textilien werden hier nicht nur für Sitzbezüge und Wandverkleidungen benötigt, sondern vor allem für Anschnallgurte und Airbags.
Das Institut teilt sich nach außen hin in zwei Gebäudeteile auf. Augenfällig ist der höhere, ein wenig ältere Teil: der etwa 20 m hohe Spinnturm. Hier werden Spinnmaschinen entwickelt und getestet. An dessen Nordseite schließt sich die Flanke des eigentlichen Neubaus an: eine vielleicht 20 breite und etwa 50 m tiefe Halle, die in Ost- West- Richtung orientiert ist. In ihr östliches Drittel ist eine zweigeschossige Verwaltungseinheit integriert, die in ihrem Obergeschoss über zwei reizvolle und intensiv begrünte Innenhöfe verfügt. In dem großen, westlichen Hallenabschnitt sind vor allem robotergesteuerte Web- und Flechtmaschinen installiert, die entweder neue Textilformen erstellen oder testen oder gerade selber getestet werden.
Textilbeton findet sich hier nur als Muster oder außen an der Fassade, denn letztendlich hergestellt wurde er von der Durapact GmbH in Düsseldorf, einer Gesellschaft für Faserbeton- Technologie.
Wie der Name schon sagt, wird bei Textilbeton ein biaxiales Gewebe anstatt des üblichen Baustahls als Bewehrung verwendet. Mit der Verwendung der Fasern kann bis zu 84 % des Volumens bei gleicher Tragkraft eingespart werden. Gründe dafür sind, der Wegfall des Stahls sowie eine deutliche Reduzierung der Betonüberdeckung, die sonst vor allem sonst für den Korrosionsschutz notwendig ist. Bei der Fertigung des Textilbetons kommt vor allem selbst-verdichtender Beton (SVB) zum Einsatz. Der Grund dafür ist, dass ein Rütteln, des ohnehin schon dünneren Materials zu einer statisch, relevanten Verlagerung der Textilbewehrung bzw. sogar zu einem Aufschwimmen derselben führen kann. Dazu können sich an der Phase zum Gewebe unerwünschte Betonnester bilden.
Alle diese Voraussetzungen führten zu der Entscheidung die Fassade in transportfähige Bauteile zu zerlegen und sie werksmäßig herzustellen. Gefertigt wurden in dem Düsseldorfer Werk letztendlich also Betonfertigteile der Größe 3,00 m X 1,00 m mit einer Stärke von 20 cm. Dabei entfiel etwa die Hälfte der Wandung auf den Kern: eine Hartschaumdämmung. Hier zeigt sich ein weiterer Vorteil des neuen Baustoffes: Zwar isoliert der eigentliche Faserbeton nicht besser als die herkömmliche Variante. Weil man jedoch den Beton nur noch nach statischen Anforderungen dimensionieren muss, kann das so gewonnene Volumen zum Dämmen genutzt werden. Die einzelnen Bauteile wurden dann einzeln angebracht und dauerelastisch miteinander verfugt.
Mit dem Wissen um die fachlichen Details, ist man geneigt Herrn Rachel rechtzugeben, das der Werkstoff Textilbeton tatsächlich das Potenzial hat, den Bausektor langfristig zu revolutionieren. Von kurzer Dauer kann es dagegen nur noch sein, bis das erste Gebäude errichtet wird, dessen tragende Konstruktion aus Textilbeton besteht und nicht - wie im Falle des ITA - ausschließlich die statisch nicht relevante Fassade betrifft.
Robert Mehl, Aachen
ITA Einweihungszeremonie
Textilbeton als Muster
Fassadengestaltung mit Textilbeton
Textilbeton mit biaxialem Gewebe
Dauerelastische Fuge zwischen den Bauteilen